Medizinische Folgen einer Operation

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 23.08.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e256214

Wenn bei einem Kind/Jugendlichen ein bösartiger Tumor diagnostiziert wurde, muss dieser meistens durch eine Operation entfernt werden und kann nicht durch Chemotherapie oder Bestrahlung alleine zerstört werden. Bei jeder Operation geht es nicht nur darum, den sichtbaren Tumor zu entfernen, sondern außenherum auch einen „Sicherheitsabstand“ zu beachten, der mehrere Zentimeter betragen kann. So kommt es fast immer zu einer Situation, in der gesundes Gewebe (wie Muskeln oder Bindegewebe) mitentfernt werden muss, um sicher sein zu können, dass die Ränder des entfernten Gewebes tumorfrei sind. Je nachdem, an welcher Stelle des Körpers der Tumor sitzt, kann es so zu manchmal erheblichen Schädigungen des Körpers durch die Operation selbst kommen.

Manchmal wird ein Tumor auch „nur“ durch eine Operation entfernt, und es schließt sich keine weitere Behandlung an; dies kann beispielsweise bei gutartigen Hirntumoren der Fall sein. Trotzdem kann es zu anhaltenden Schädigungen des umliegenden Gewebes kommen, und sowohl die körperlichen als auch die psychosozialen Folgen der Operation können ganz erheblich sein.

Bei vielen Kindern/Jugendlichen, die an einem Knochentumor (Osteosarkom/Ewingsarkom) erkrankt sind, müssen neben dem erkrankten Knochenstück auch Weichteilgewebe wie Muskeln, Sehnen oder Nerven entfernt werden. Umgekehrt gilt, dass bei Tumoren an Weichteilgeweben (Rhabdomyosarkom) manchmal auch in der Nähe liegendes Knochenmaterial entfernt werden muss. Da solche Tumore bei Kindern und Jugendlichen häufig an Armen oder Beinen auftreten, kann die notwendige Operation zu erheblichen Funktionseinschränkungen führen.

Um beispielsweise einen Tumor in der Nähe des Knies sicher entfernen zu können, muss meist das Kniegelenk entfernt und dann durch eine Kniegelenksprothese ersetzt werden. Dies ist nicht immer möglich und es muss eine Amputation vorgenommen werden. Eine solche Operation wird ebenso wie eine Operation an den großen Gelenken, an der Wirbelsäule oder an den Rippen in vielen Fällen zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, mit der die betroffenen PatientInnen dann ihr Leben lang umgehen müssen. Hier ist dann eine spezielle Nachsorge bei Orthopäden und gegebenenfalls Orthopädiemechanikern (beispielsweise für Prothesen), sowie Physiotherapie zur bestmöglichen Kompensation der Bewegungseinschränkungen im Alltag nötig.

Muss ein bösartiger Tumor an Lunge, Leber oder Niere entfernt werden, so kann die Operation dazu führen, dass diese Organe dauerhaft in ihrer Funktion eingeschränkt werden und die betroffenen PatientInnen beispielsweise weniger leistungsfähig sind oder Probleme mit der Ausscheidung bekommen. Manchmal wird dann früher oder später eine Organtransplantation notwendig, die in speziellen Transplantationszentren stattfindet.

Bei der Operation von großen Tumoren im Bauch kann es manchmal vorkommen, dass auch Teile des Darms entfernt werden müssen und die Ausscheidung nur noch durch einen künstlichen Darm- oder Blasenausgang funktioniert. Häufig bleibt durch solch eine Operation auch die Verdauung und damit die Ernährung dauerhaft problematisch: Hier kann eine spezielle Ernährungsberatung weiterhelfen.
Hat sich bei einem Kind/einem/r Jugendlichen ein Tumor an den Eierstöcken oder den Hoden gebildet, so müssen diese entfernt werden und es kann zu einer dauerhaften Unfruchtbarkeit kommen.

Auch wenn bei einer Hirntumoroperation meistens kein „Sicherheitsabstand“ zum Tumor eingehalten wird (um nicht noch mehr Gehirnzellen zu schädigen), kann es doch häufig alleine durch die Manipulation im Gehirn oder durch die plötzliche Druckentlastung zu Verletzungen kommen, die dauerhafte Probleme verursachen können. Je nach Lage des Tumors kann dies wieder die Motorik, die Sinneswahrnehmungen, die Sprache, das Gedächtnis oder andere Hirnfunktionen wie die Steuerung der Hormonfunktionen betreffen. Eine neuropsychologische Versorgung in der Nachsorge ist für diese PatientInnen unbedingt sinnvoll und notwendig.

Bei manchen Hirntumoren kann es nach der Operation auch zu Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder Verlust des Sättigungsgefühls kommen oder die Kinder hören auf zu wachsen, da die Produktion von Wachstumshormonen gestört wurde. In solchen Fällen wird die Weiterbetreuung in einer endokrinologischen Ambulanz fortgesetzt. In manchen Fällen sind all diese Einschränkungen umkehrbar (reversibel), in anderen müssen die betroffenen PatientInnen lebenslang damit zurechtkommen oder bedürfen einer entsprechenden Behandlung (beispielsweise Hormonsubstitution).