Behandlungsfolgen, die vorübergehen
Autor: Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 04.09.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e256173
Endlich ist die anstrengende Therapie vorbei und Sie schauen sehr genau darauf, wie es Ihrem Kind jetzt geht und fragen sich, wie schnell es wieder „fit“ sein wird. In den langen Monaten der Therapie verbrachte Ihre Tochter/Ihr Sohn sehr viel Zeit in der Klinik oder zu Hause, anstatt in Kindergarten, Schule oder Ausbildung zu sein; Freunde zu treffen und verschiedenen Freizeitaktivitäten nachzugehen. Große Teile des Tages waren entweder mit Warten oder mit eher bewegungsarmen Beschäftigungen ausgefüllt. Nur selten konnte Ihr Kind beispielsweise wild herumtoben, denn da war immer die Sorge vor Überforderung oder dem Umgang mit dem Katheter.
So haben nach Ende der Therapie weder Sie noch Ihre Tochter/Ihr Sohn zunächst eine realistische Vorstellung davon, wie belastbar sie/er schon wieder ist. Das lange Liegen im Bett und auf der Couch hat vermutlich zu einer Reduktion von Muskelmasse, sowie von Ausdauer und Kraft geführt. Erst, wenn die normalen Anforderungen des Alltags näher rücken, wird deutlich, dass sie/er beispielsweise beim Spielen mit anderen Kindern schneller ermüdet oder ihr/ihm die Puste ausgeht. Möglicherweise brauchen auch ältere Kinder/Jugendliche zunächst wieder eine Mittagsruhe oder müssen mehr Pausen machen. Vielfach können sie sich außerdem noch nicht so lange und gut konzentrieren.
Natürlich haben auch Chemotherapie und/oder Bestrahlung Spuren im Körper hinterlassen, auch wenn man diese nicht unbedingt messen kann. Wie schnell sich Ihre Tochter/Ihr Sohn von diesen Strapazen erholen wird, lässt sich nicht vorhersagen und ist individuell unterschiedlich. Die meisten Kinder haben hier ein ganz gutes Gefühl für sich und ihren Körper und finden das passende „Tempo“ selbst. Allerdings sollten Sie auch bedenken, dass Ihr Kind das „normale Leben“ mit ständigen Terminen gar nicht mehr kennt und sich an Anforderungen erst wieder gewöhnen muss. Das richtige Maß zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ ist manchmal gar nicht leicht zu finden.
Ein anderer wichtiger Aspekt in dieser Übergangszeit ist das veränderte Aussehen der Kinder/Jugendlichen: Viele haben sich körperlich stark verändert; beispielsweise stark an Gewicht zu- oder abgenommen. Andere haben sichtbare körperliche Veränderungen wie Lähmungen oder gar Amputationen und (fast) alle Kinder haben nach dem Ende der Therapie keine Haare mehr. Auch wenn der Haarverlust von vielen Erwachsenen als unwichtig angesehen wird, spielt er doch für die meisten Kinder spätestens ab dem Schulalter eine große Rolle: Sie wollen von ihren Freunden oder auch von Fremden nicht „angestarrt“ werden und keine Kommentare hören müssen.
Deshalb wollen manche erst dann in Schule oder Ausbildung zurückkehren, wenn die Haare wieder gewachsen sind. Sie sollten diese Bedenken ernst nehmen. Das sichtbare Wachstum der Haare beginnt meist einige Wochen nach dem Ende der Chemotherapie; danach wachsen die Haare bei den meisten Kindern/Jugendlichen wie bei jedem Menschen ca. 1 - 2 cm im Monat. Es wird also einige Monate dauern, bis daraus wieder eine richtige „Frisur“ entsteht. Allerdings kann es als Folge bestimmter Erkrankungen/Behandlungen (beispielsweise nach Kopfbestrahlung) auch sein, dass die Haare dauerhaft schütter bleiben.
Sprechen Sie mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn darüber, wie sie/er diese Übergangszeit gestalten möchte und drängen Sie Ihre Tochter/Ihren Sohn nicht dazu, sich anderen so zu „zeigen“, wenn sie/er das nicht möchte: Es ist in Ordnung, wenn das erst einmal eine Hürde zu sein scheint. Wenn Sie gemeinsam mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn überlegen, ob jetzt der Zeitpunkt ist, wo vorübergehend eine Perücke oder eine Kopfbedeckung zum Einsatz kommen soll, kann das dazu beitragen, dass sich der Start in Schule oder Ausbildung nicht hinauszögert.