Ausblick auf die Jahre nach der Therapie

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 04.09.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e262463

Wenn die Therapie Ihres Kindes beendet ist und Sie nach und nach in Ihrem normalen Alltag angekommen sind, fragen Sie sich vielleicht:

  • Wie wird das alles weitergehen?
  • Werden ich mich je wieder „normal“ und unbeschwert fühlen können?
  • Wird die Angst um mein Kind irgendwann kleiner?
  • Muss mein Kind für immer in ärztlicher Behandlung bleiben?
  • Wird die Erfahrung der Krankheit und der Therapie das weitere Leben meines Kindes belasten oder wird es das alles irgendwann vergessen können?
  • Wenn Spätfolgen erst im Erwachsenenalter auftreten, wohin kann sich meine Tochter/mein Sohn dann wenden?

In vielen Familien ist es tatsächlich so, dass die Last der Sorge und der Angst im Laufe der Zeit kleiner und „erträglicher“ wird. Je mehr Sie mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn zusammen Erfahrungen damit sammeln, dass Sie wieder weitgehend normal am Leben teilnehmen können, umso mehr Gewicht bekommen diese positiven Erlebnisse auch im Vergleich zur Erinnerung an all das Schwere, das Sie durchgemacht haben und umso weniger werden Sie auf die Klinik und die Menschen dort angewiesen sein.

Nach einigen Jahren ist bei den meisten Kindern/Jugendlichen die engmaschige Nachsorge abgeschlossen, häufig reichen die Nachsorgepläne bis 5 (maximal 10) Jahre nach der Diagnosestellung. Danach beginnt die sogenannte Langzeitnachsorge: Das heißt, Ihr Kind stellt sich meist einmal jährlich in der Kinderonkologie, einer spezialisierten Langzeit-Nachsorgesprechstunde oder beim Hausarzt vor.

Die Nachsorgepläne der LESS-Studien ermöglichen eine qualitativ hochwertige Form der Langzeitnachsorge

Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer Krebserkrankung mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung behandelt wurden, haben oft ein gewisses Risiko, im späteren Lebensalter an Spätfolgen zu erkranken. Diese können etwa die inneren Organe betreffen, die Sinnesorgane oder die Knochen. Solche Spätfolgen müssen oft behandelt werden und können die Lebensqualität erheblich einschränken. Kinderonkologen wissen um die möglichen Spätfolgen und werden Ihrer Tochter/Ihrem Sohn und Ihnen entsprechende Informationen an die Hand geben.

In den Informationsbroschüren „Nachsorge ist Vorsorge“ für die verschiedenen Erkrankungen finden Sie Beschreibungen möglicher Spätfolgen.

Wenn Ihr Kind erwachsen ist, wird es meist nicht mehr in der Kinderonkologie behandelt oder zur Nachsorge einbestellt, sondern an Teams aus der Erwachsenenmedizin überwiesen. Oft wird dieser Übergang als „Transition“ bezeichnet, und ist für die ehemaligen PatientInnen und auch ihre Eltern ein wichtiger Abschnitt auf dem Weg ins Erwachsenenleben nach einer Krebserkrankung im Kindesalter.

Transition ist dabei als Prozess zu verstehen, der mehr als ein Übergabegespräch und passende Überweisungen benötigt. Im besten Fall sollte bereits ab einem Alter von etwa 14 Jahren damit begonnen werden, die Jugendlichen auf den Wechsel in die Erwachsenenmedizin vorzubereiten und ihre Gesundheitskompetenzen zu stärken. Das heißt, sie sollten ihre Nachsorge-Termine zunehmend selbständig managen, sich mit ihrer Erkrankung gut auskennen und im Umgang mit ihren Medikamenten verlässlich und sicher sein.

Den meisten fällt es nicht leicht, den vertrauten Rahmen der Kinderonkologie zu verlassen, in dem oft über viele Jahre gewachsene und vertraute Beziehungen zu den MitarbeiterInnen entstanden sind und jede/r mehr oder weniger gut über die Krankheit und die Behandlung informiert war. In der Kinderonkologie liefen die Fäden in den Händen der KinderärztInnen zusammen, und alle anderen Fachdisziplinen wie Radiologie oder Kardiologie haben diesen „zugearbeitet“. In der Erwachsenenmedizin gibt es dann keine/n fallführende/n OnkologInnen, sondern verschiedene FachärztInnen wie OrthopädInnen, EndokrinologInnen oder InternistInnen, die nicht „automatisch“ miteinander kommunizieren.

Wenn Ihr Kind bereits in jungen Jahren erkrankt war, steht dieser Schritt meist mit dem 18. Lebensjahr an. Ihr Kind befindet sich dann bereits seit einigen Jahren in der Langzeitnachsorge. Die ÄrztInnen werden Ihrer Tochter/Ihrem Sohn Informationen mitgeben, welche FachärztInnen in Zukunft in die Nachsorge eingebunden werden sollten. Die Verantwortung der weiteren Koordination der Nachsorge liegt dann bei Ihrem nun erwachsenen Kind selbst – wie das auch in allen anderen Lebensbereichen mit dem Erreichen des Erwachsenenalters der Fall ist.

War Ihre Tochter/Ihr Sohn zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im Teenageralter, findet die Transition in die Erwachsenenonkologie nicht zwingend mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres statt, sondern oft erst einige Jahre später. Die ÄrztInnen der Kinderonkologie werden Sie rechtzeitig über diesen Schritt informieren und Ihre Tochter/Ihren Sohn darauf vorbereiten.

Für die meisten Eltern und ihre Kinder ist es ein großer Schritt, den eher beschützenden Rahmen der Kinderonkologie zu verlassen und sich im Bereich der Erwachsenenmedizin neue Ansprechpersonen zu suchen. Dort ist das Umfeld oft deutlich unpersönlicher und es wird wesentlich mehr Eigenverantwortung von den PatientInnen erwartet. Machen Sie dann jeweils sehr deutlich, was Ihre Anliegen sind und vermeiden Sie Vergleiche wie „Früher in der Kinderonkologie war das aber alles anders.“ – das ist weder für Sie noch für Ihre Tochter/Ihren Sohn hilfreich.

Sorgen Sie dafür, dass Sie alle Informationen zur Erkrankung und Behandlung gesammelt haben, damit Sie diese gemeinsam mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn vorlegen und erklären können (eventuell auch zusammengefasst in einem „Survivor-Passport“) und so die nachbehandelnden ÄrztInnen über die Krankheitsgeschichte umfassend in Kenntnis zu setzen. So kann auch dort eine bestmögliche Versorgung (Nachsorge und Vorsorge) auf den Weg gebracht werden.

Einige kinderonkologische Zentren bieten spezielle Transitionssprechstunden an oder arbeiten eng mit niedergelassenen FachärztInnen zusammen, damit dieser Übergang gut gelingt. Darüber hinaus sind in den letzten Jahren einige Institutionen/Projekte entstanden, die ausschließlich auf die Langzeitnachsorge von Menschen, die im Kindes- oder Jugendalter an Krebs erkrankt waren, spezialisiert sind und die Nachsorge der mittlerweile Erwachsenen koordinieren.

Das wachsende Wissen um die Wichtigkeit einer langfristigen medizinischen und psychosozialen Nachsorge und gleichzeitig die Sorge, die jungen Erwachsenen beim Wechseln von der Kinderonkologie in die Erwachsenmedizin zu „verlieren“, macht Nachsorgeinstitutionen notwendig, die in interdisziplinären Teams körperliche, emotionale und soziale Spätfolgen erkennen und behandeln können.

Spätfolgen und Langzeitnachsorge