Übergang in die Nachsorge, Transition
Autor: Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 04.09.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e256189
Nach Abschluss der Behandlung – egal in welcher Form diese stattgefunden hat – geben die Therapieprotokolle der verschiedenen Erkrankungen einen genauen Plan vor, wie die jeweilige Nachsorge aufgebaut und gestaltet wird. Nachsorge bedeutet einerseits, den Erfolg der Therapie langfristig sicher zu stellen und regelmäßig zu überprüfen, dass die Krankheit nicht erneut wieder auftritt. Auf der anderen Seite geht es darum, etwaige Langzeitfolgen oder Nebenwirkungen der Therapie im Blick zu haben, um gegebenenfalls rechtzeitig eingreifen zu können.
Mit diesem Nachsorgeplan kann ein mögliches Rezidiv nicht verhindert werden, aber es sollte so schnell wie möglich erkannt werden. Zunächst werden in eher engen Abständen beispielsweise Blutbilder bei Leukämieerkrankungen oder bildgebende Untersuchungen bei Tumorerkrankungen durchgeführt. Die Abstände zwischen derartigen Terminen werden dann im Laufe der Zeit immer größer, weil es immer unwahrscheinlicher wird, dass ein Rezidiv auftritt.
Für die meisten Eltern (und viele Kinder/Jugendliche) sind diese Nachsorgetermine mit großer Anspannung verbunden: Viele berichten davon, dass sie vor solch einem Termin etwa nächtelang nicht schlafen können und sich alle möglichen Szenarien ausmalen. Diese Sorgen sind ganz normal, denn Sie wissen ja, wieviel bei diesen Untersuchungen auf dem Spiel stehen kann. Versuchen Sie trotzdem, die Anspannung möglichst gering zu halten und orientieren Sie sich daran, wie es Ihrer Tochter/Ihrem Sohn aktuell geht und wie Sie Ihr Kind wahrnehmen: Meistens wird Ihnen ja direkt vor einem solchen Termin keine nennenswerte Veränderung auffallen.
In vielen Fällen werden Sie nach einem Untersuchungstermin das Ergebnis (beispielsweise einer MRT) nicht direkt erfahren können, sondern die Bilder werden zunächst in der Tumorkonferenz unter Beteiligung aller Fachdisziplinen (wie Onkologie, Radiologie, Chirurgie, Pathologie) besprochen und erst wenn ein schriftlicher Befund vorliegt, können Sie verbindliche Auskunft bekommen. So empfiehlt es sich im Allgemeinen nicht, ÄrztInnen zu „drängen“, Ihnen doch vorab schon ihre persönliche Einschätzung mitzuteilen. Um eine endgültige Aussage treffen zu können, werden sich die ÄrztInnen (wie auch bei der Diagnosestellung) miteinander besprechen, um dann hoffentlich sicher „Entwarnung“ zu geben.
Die Wartezeit bis zum Besprechungstermin kann oft anstrengend und belastend sein: Bitten Sie deshalb direkt bei der Terminvergabe für die Untersuchung darum, einen Termin für die Ergebnisbesprechung zu planen.
Egal, wie groß die Abstände zwischen den Untersuchungsterminen sind, Sie wollen vielleicht die behandelnden ÄrztInnen erneut fragen, woran Sie selbst ein Rezidiv erkennen oder wie Sie ein Wiederauftreten der Krankheit verhindern können: Die Symptome eines Rückfalls ähneln oft denen zu Beginn der Erkrankung. Trotzdem wird man Ihnen raten, Ihr Kind jetzt nicht ständig „mit Argusaugen“ zu beobachten und jede kleinste Veränderung in diese Richtung zu interpretieren. Versuchen Sie darauf zu vertrauen, dass dem Nachsorgeplan die Erfahrung vieler Jahrzehnte mit Tausenden von Kindern und Jugendlichen mit einer ähnlichen Erkrankung zugrunde liegt und damit die meisten Rückfälle auch frühzeitig erkannt werden konnten.
Ab dem Beginn der Nachsorge wird ein besonderes Augenmerk auf bereits vorhandene oder zu befürchtende Langzeitfolgen der Therapie gerichtet. Dies können beispielsweise bei einem Hirntumor motorische, sensorische oder auch kognitive Einschränkungen sein. In anderen Fällen kann etwa das Gehör durch bestimmte Chemotherapie-Medikamente Schaden genommen haben oder es treten Osteonekrosen nach einer intensiven Therapie mit Cortison auf. Häufig muss auch die Funktion der inneren Organe (beispielsweise Herz oder Nieren) regelmäßig überprüft werden, da hier etwa Langzeitfolgen der Chemotherapie auftreten können. Die behandelnden ÄrztInnen verweisen Ihre Tochter/Ihren Sohn dann zur Weiterbehandlung auch an andere Spezialisten wie NeurologInnen, OrthopädInnen, KardiologInnen, EndokrinologInnen oder ein sozialpädiatrisches Zentrum.
Verständlicherweise haben Sie den Wunsch, dass doch irgendwann „alles gut“ sein und Ihr Kind keine nennenswerten Spätfolgen der Erkrankung davontragen wird. In sehr vielen Fällen wird dies auch so sein. Trotzdem haben die Ärztinnen und Ärzte ein genaues Augenmerk darauf, dass Ihr Kind auch langfristig gesund bleibt und die Lebensqualität so wenig wie möglich eingeschränkt ist. Sollte es trotzdem zu Einschränkungen kommen, werden sich ÄrztInnen und psychosoziale MitarbeiterInnen der Nachsorgezentren um deren Behandlung kümmern.
Nachsorge ist Vorsorge: In der ersten Zeit/den ersten Monaten nach Beendigung der Therapie wird die medizinische Nachsorge Ihres Kindes vergleichsweise engmaschig sein. Im weiteren Verlauf werden die Abstände dann deutlich größer und die Nachsorge wird zur Vorsorge. Inzwischen empfehlen viele Leitlinien eine lebenslange medizinische und psychosoziale Nachsorge/Vorsorge.
In den ersten Jahren nach Beendigung der Therapie wird die Nachsorge im Rahmen sogenannter Nachsorgepläne durchgeführt, die im jeweiligen Behandlungsplan festgelegt sind. Diese erste Zeit bezeichnet man als Kurzzeitnachsorge. Hierbei geht es in erster Linie darum, ein Rezidiv frühzeitig zu erkennen und die unmittelbaren Folgen der Erkrankung zu behandeln. Wenn die Kurzzeitnachsorge beendet ist, heißt das nicht, dass dann keine Kontrollen mehr nötig sind.
Man weiß heute, dass bei Menschen, die als Kinder/Jugendliche an Krebs erkrankt waren, noch im Erwachsenenalter Spätfolgen auftreten können. Es geht dabei darum, eventuelle „Schwachstellen“ im Auge zu behalten und auf auftretende Probleme schnell zu reagieren. Die ÄrztInnen Ihrer Tochter/Ihres Sohnes werden Sie über entsprechende Nachsorgeprogramme im Sinne dieser Langzeitnachsorge informieren. Dabei ist es wichtig, dass Jugendliche zunehmend mehr Eigenverantwortung für ihre Nachsorge übernehmen, eventuelle Wissenslücken bezüglich ihrer Erkrankung und Behandlung schließen, sich immer selbständiger um ihre Termine und die Medikamenteneinnahme kümmern, sowie in die direkte Kommunikation mit den behandelnden ÄrztInnen hineinwachsen. Eltern sollten ihnen dabei motivierend und ermutigend zur Seite stehen und ihre Kinder in die Selbständigkeit entlassen.
Je älter Ihre Tochter/Ihr Sohn wird, umso mehr werden diese Symptome im Rahmen der Erwachsenenmedizin behandelt. Ihr „Kind“ wird sich also nicht „für immer“ an die Kinderklinik wenden können, sondern meist ab einem bestimmten Zeitpunkt (oft mit Erreichen der Volljährigkeit) im Rahmen der Transition an die Erwachsenenonkologie, in auf die Langzeitnachsorge nach Krebserkrankungen im Kindes-/Jugendalter spezialisierte Zentren/Ambulanzen oder auch zu Haus- und FachärztInnen weiterverwiesen.
Weitere Informationen zu den Nachsorgeempfehlungen und –angeboten bei kinderkrebsinfo.de