Psychosoziales Erstgespräch oder: Wie lernen Sie das Psychosoziale Team kennen?

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 18.07.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e243059

Sobald bei Ihrem Kind der Verdacht auf eine bösartige Erkrankung besteht, wird der Psychosoziale Dienst im Normalfall informiert. Je nach Situation kann ein erster Kontakt sehr schnell entstehen, spätestens jedoch nach der endgültigen Diagnosestellung. Hier erfolgt ein erstes gegenseitiges Kennenlernen, die psychosozialen Angebote der Klinik werden vorgestellt und erste Schritte zu Ihrer Unterstützung eingeleitet.

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Ein Psychosoziales Team vereint Personen unterschiedlicher Berufsgruppen

Im Unterschied zur Erwachsenenonkologie, in der die Psychoonkologie und die Sozialarbeit häufig getrennt sind, sind in der Kinderonkologie die Bereiche Psychologie, Pädagogik und Sozialarbeit stärker miteinander verbunden. Je nach Größe und Ausstattung der einzelnen Kliniken sind psychosoziale Teams ganz unterschiedlich zusammengesetzt; organisatorische Strukturen, gewachsene Rahmenbedingungen und auch die Finanzierung der Stellen können sich stark unterscheiden. Alle beteiligten Berufsgruppen setzen ihre im Laufe eines Berufslebens erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten gemeinsam für eine bestmögliche psychosoziale Beratung und Begleitung der betroffenen Familien ein.

Die meisten psychosozialen Teams setzen sich aus MitarbeiterInnen der folgenden Berufsgruppen zusammen:

PsychologInnen (in Deutschland auch „Diplom-PsychologInnen“; in Österreich „Klinische PsychologInnen“), oder auch Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen haben insbesondere die Auswirkungen der lebensbedrohlichen Erkrankung auf der emotionalen Ebene im Blick. Im Gespräch mit allen Familienangehörigen unterstützen sie beim Umgang mit Gefühlen wie Ängsten, Wut oder Verzweiflung. PsychologInnen helfen Kindern und Eltern, geeignete Strategien zur Bewältigung der Erkrankung und Behandlung zu entwickeln. Wenn es für die Klärung bestimmter Fragen (z. B. durch die Behandlung entstandenen Lernschwierigkeiten) sinnvoll ist, setzen sie psychologische Tests und Fragebögen ein.

Außerdem leiten PsychologInnen zum Umgang mit medizinischen Maßnahmen an, fördern das Krankheitsverständnis bei Kindern und Eltern und stehen den Familien in medizinischen oder psychischen Krisensituationen zur Seite. Gegebenenfalls unterstützen sie die Familien auch bei der Vermittlung von Psychotherapie und anderen Nachsorgemaßnahmen nach Abschluss der Behandlung. Bei der Wiedereingliederung in die Schule und in der Nachsorge erarbeiten sie bei Bedarf auf der Grundlage eingesetzter Tests Vorschläge für die Gestaltung des Nachteilsausgleichs.

SozialpädagogInnen/SozialarbeiterInnen unterstützen schwerpunktmäßig die Eltern bei der Neuorganisation des familiären Alltags. Sie kennen sich aus mit der Antragsstellung bei Krankenkassen und Sozialversicherungsträgern für verschiedene Leistungen (wie beispielsweise. die Erstattung von Fahrtkosten), beraten im Umgang mit dem Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten finanzieller Unterstützung.

Sie versuchen Lösungen zu finden bei familiären und/oder sozialen Notlagen, die die Durchführung der Therapie beeinträchtigen können. Am Ende der Behandlung helfen sie bei der Organisation von Rehabilitationsmaßnahmen. Oft beteiligen sie sich an der Planung und Organisation von Gruppenaktivitäten für Patienten, Geschwister und/oder Eltern. Manche SozialpädagogInnen haben auch eine psychotherapeutische Zusatzausbildung, die sie in der psychosozialen Begleitung einbringen.

Kunst- und MusiktherapeutInnen bieten den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Musik und gestalterischen Elementen mit ihrer Erkrankung und deren Folgen ohne Worte auseinanderzusetzen. Sie können erleben, dass sie nicht nur krank, sondern in vielen Bereichen eben ganz gesund und „normal“ sind und trotzdem Spaß und Freude haben. Auch ohne besondere Vorkenntnisse können Kinder und Jugendliche in freier Improvisation ihre eigene Musik hörbar machen, oder mit Farben und anderen kreativen Materialien innere Bilder zum Ausdruck bringen

Musik- und KunsttherapeutInnen arbeiten mit Kindern und Jugendlichen alleine oder in kleinen Gruppen, sind häufig nur in Teilzeit oder stundenweise auf der Station und werden von vielen Kindern so als besondere Bereicherung des Klinikalltags erlebt. Oft werden gemeinsame Musikstunden auf der Station für Kinder jeden Alters und ihre Eltern zu einem Ort, an dem Gemeinschaft erlebt werden kann, Verständigung trotz Sprachproblemen möglich ist und der Selbstausdruck gefördert wird. Trotz Einschränkungen durch die Erkrankung oder die Therapie können Kinder mit Unterstützung der Musik- und KunsttherapeutInnen ihrem eigenen Weg Ausdruck verleihen.

ErzieherInnen und HeilpädagogInnen fördern durch vielfältige Angebote die altersgerechte Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Durch Spiel- und Bastelangebote, kreative Projekte, gemeinsames Kochen oder die Gestaltung von Festen legen sie den Fokus auf all das, was Kinder gerne tun und aus kindlicher Perspektive „Normalität“ ausmacht. Sie tragen so dazu bei, dass Kinderkrebsstationen auch fröhliche Orte voller Lachen und Kreativität sein können.

So können die Kinder und Jugendlichen die Krankheit und die Behandlung immer wieder einmal vergessen und sich dem absichtslosen Spiel widmen. Auf den meisten kinderonkologischen Stationen gibt es ein gut ausgestattetes Spielzimmer, für das die pädagogischen Fachkräfte verantwortlich sind. Sie tragen auch dafür Sorge, dass die notwendigen hygienischen Anforderungen bei der Benutzung von Spiel- und Bastelmaterial eingehalten werden.

In manchen Kliniken gehören auch weitere Berufsgruppen zum psychosozialen Team, beispielsweise:

ErgotherapeutInnen helfen dabei, motorische oder auch sensorische Fähigkeiten zu trainieren. Auf spielerische Art und Weise motivieren sie Kinder (beispielsweise nach der Operation eines Hirntumors) dazu, mit neurologischen Einschränkungen besser umgehen zu können und Fertigkeiten wieder zu erlangen.

LehrerInnen der Klinikschule (Schule für Kranke) sind von den staatlichen Schulämtern dafür bestimmt, alle schulpflichtigen Kinder in der Klinik zu unterrichten und den Hausunterricht während der ambulanten Zeiten zu organisieren. Nach Möglichkeit soll kein Kind aufgrund einer Krebserkrankung in seiner schulischen Entwicklung benachteiligt werden. Durch intensiven Kontakt zur jeweiligen Heimatschule stellen die LehrerInnen sicher, dass die Kinder den Anschluss nicht verlieren. Sie unterstützen die Schülerinnen und Schüler auch dabei, mit ihrer Klasse in regelmäßigem Kontakt zu stehen und sorgen nach Abschluss der Therapie mit dafür, dass die Rückkehr in die Schule gut gelingt.

SporttherapeutInnen unterstützen die Kinder und Jugendlichen dabei, trotz der Einschränkungen durch Isolation, körperliche Probleme oder Immobilität Spaß an Bewegung und körperlicher Fitness zu behalten. Ihre vielfältigen Angebote reichen von einfachen Bewegungsspielen bei jüngeren Kindern bis hin zu Trainingsplänen für diejenigen Jugendlichen, für die der Sport schon immer eine wichtige Rolle im Leben spielte oder die in der Klinik Interesse daran entwickeln.

Diplom-PädagogInnen übernehmen in manchen Kliniken aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Kinderonkologie vielfältige Aufgaben in der psychosozialen Begleitung

SeelsorgerInnen sind in manchen Kliniken Teil des Psychosozialen Teams. Andernorts können sie auf Wunsch jederzeit gerufen werden. VertreterInnen der großen christlichen Kirchen, die Heimatgemeinden und teilweise auch islamische Gruppierungen unterstützen bei Fragen rund um den Glauben oder auch bei Sinnfragen. Katholische und evangelische KlinikseelsorgerInnen gestalten Gottesdienste mit Kindern und Erwachsenen und bieten die Möglichkeit zu persönlichem Gespräch, Segnung oder Krankensalbung.