Das Gespräch mit der Einrichtung suchen

Autor:  Iris Lein-Köhler, Barbara Grießmeier, Zuletzt geändert: 11.09.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e262357

Wenn der Zeitpunkt der Rückkehr in die Kindereinrichtung, Schule oder Ausbildung absehbar ist (meist nach Abschlussuntersuchungen und Katheterentfernung), vereinbaren Sie einen Gesprächstermin, um die Situation ausführlich zu besprechen, für Verständnis zu werben und die Unterstützungsmöglichkeiten auszuloten. Finden Sie die richtigen Ansprechpersonen: Gruppenleitung, Klassenleitung, Schulleitung, Schulbehörde, SchulsozialarbeiterIn, SchulpsychologIn/BeratungslehrerIn. So können Sie am besten dafür Sorge tragen, dass alle Personen, die mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn zu tun haben werden, gut über die Absprachen informiert sind, die Maßnahmen koordinieren und zur Umsetzung beitragen.

Notieren Sie die Fakten zur aktuellen Situation Ihres Kindes: Wo sehen Sie Stärken und wo mögliche Schwierigkeiten? Holen Sie Rückmeldungen dazu beim Behandlungsteam, den LehrerInnen von Klinik- und Hausunterricht ein und sprechen Sie mit den psychosozialen MitarbeiterInnen der Klinik oder der Nachsorge darüber, wie Sie am besten vorgehen.

Gehen Sie mit der Erwartung in ein erstes Gespräch, dass die PädagogInnen grundsätzlich bereit sind, Ihre Tochter/Ihren Sohn zu unterstützen, dass sie aber möglicherweise keine oder kaum Erfahrung mit krebskranken Kindern und Jugendlichen haben.

Stellen Sie Ihre Anfrage mit der Bitte um einen Termin und Ihrem Anliegen am besten schriftlich und übermitteln Sie Ihre Vorüberlegungen und Fragen schon so, dass sich die am Gespräch teilnehmenden Personen vorbereiten können.

Bitten Sie darum, dass Sie eventuelle Anträge zugeschickt bekommen und dann schon ausgefüllt zum Gesprächstermin mitbringen können, ebenso wie erforderliche ärztliche Atteste oder Bescheinigungen der behandelnden Klinik.

Klären Sie im Vorfeld, ob Ihre Tochter/Ihr Sohn und weitere in Frage kommende Personen (LebenspartnerIn, andere/r Sorgeberechtigte/r) bei dem Treffen dabei sein wollen oder sollen. Eventuell kann es sinnvoll sein, neben Ihrer Partnerin/Ihrem Partner, auch eine Person aus der Klinikzeit (Lehrkraft, psychosoziale Mitarbeiterin, niedergelassene TherapeutIn), die Ihr Kind gut kennt, zu diesem Gespräch dazu zu bitten.

Machen Sie sich Notizen dazu, was Ihrer Meinung nach von Seiten der Einrichtung bereitgestellt werden könnte, um die Rückkehr für Ihre Tochter/Ihren Sohn möglichst gut zu gestalten. Listen Sie die Ideen und Vorschläge, die Sie in den Vorgesprächen mit den Lehrkräften und den Psychosozialen MitarbeiterInnen erhalten haben, auf und informieren Sie sich über die Rechtslage.

Entscheiden Sie, was Sie erreichen möchten und machen Sie sich klar, was Ihnen am Wichtigsten ist:

  • Was ist unbedingt notwendig?
  • Welche Fragen möchten Sie stellen?
  • Welche Punkte möchten Sie diskutieren?
  • Wer wird Ihre Ansprechperson im Prozess der Wiedereingliederung sein?
  • Was wäre wünschenswert, kann aber nicht eingefordert werden?

Legen Sie alle Unterlagen bereit, die Ihnen dabei helfen, Ihre Argumente zu vermitteln: Bescheinigungen, Einschätzungen der Lehrpersonen aus dem Klinik- und Hausunterricht, Zeugnisse oder andere Leistungsnachweise, Empfehlungen für die Gestaltung eines Nachteilsausgleichs (beispielsweise von der Schule der Rehaklinik oder kurze Zusammenfassung aus dem neuropsychologischen Gutachten).

Halten Sie den Termin unbedingt ein oder geben Sie frühzeitig allen Bescheid, wenn etwas Einschneidendes dazwischenkommen sollte.

Es ist hilfreich, sich vor dem Gespräch Folgendes vor Augen zu führen, damit Sie sich sicher fühlen und Ihre Ziele im Blick behalten:

  • SIE sind die Expertin/der Experte für Ihr Kind.
  • Konzentrieren Sie sich auf das Problem, nicht auf die Menschen: Lassen Sie sich nicht ablenken von eventuellen ungeschickten Aussagen aus Unkenntnis oder einer skeptischen Haltung auf Seiten der Einrichtung. Bringen Sie den Schwerpunkt des Gesprächs immer wieder zurück zu Ihrer Tochter/Ihrem Sohn.
  • Sie werden die Situation Ihres Kindes mit eigenen Worten bestmöglich beschreiben und sich vergewissern, dass Sie richtig verstanden werden.
  • Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach und lassen sich erklären, wie das gemeint ist und was das genau bedeutet.
  • Falls Sie sich in der deutschen Sprache nicht sicher fühlen oder Ihnen das Bildungssystem nicht vertraut ist, nehmen Sie jemanden mit zum Gespräch, die/der dolmetschen, Sie unterstützen kann und/oder sich besser auskennt und als FürsprecherIn dabei ist.
  • Konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart und die Zukunft, nicht auf die Vergangenheit: Die Personen der Einrichtung wissen oft nicht so genau, was eine Krebserkrankung im Kindes- oder Jugendalter bedeutet. Werben Sie für Verständnis.
  • Möglicherweise gab es vor der Erkrankung Probleme in der Zusammenarbeit: Tun Sie alles dafür, damit das jetzt besser gelingt.

Bedenken Sie, dass es mehr als einen Weg geben kann, damit Ihr Kind die Unterstützung bekommt, die es braucht. Suchen Sie gemeinsam mit der Schule nach einvernehmlich umsetzbaren Lösungen und bleiben Sie dabei flexibel und kreativ.

Um im Gespräch mit den VertreterInnen der Einrichtungen erfolgreich zu sein, können folgende Hinweise helfen:

  • Versuchen Sie durch Ihr Auftreten, die Personen als PartnerInnen zu gewinnen, mit denen Sie einen engen Austausch pflegen möchten, um mögliche Probleme bei der Rückkehr Ihrer Tochter/Ihres Sohnes frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
  • Verhalten Sie sich höflich und bringen Sie auch Verständnis auf für möglicherweise knappe Ressourcen oder nicht ideale Bedingungen seitens der Einrichtung. Es dient einem konstruktiven Gesprächsklima, wenn Sie die Bemühungen anerkennen und die Bereitschaft würdigen, Ihre Tochter/Ihren Sohn zu unterstützen. Die Situation, dass ein krebskrankes Kind nach der Behandlung zurückkommt, ist oft auch für die Einrichtung neu und besonders.
  • Formulieren Sie Ihre Anliegen möglichst konkret und vertreten Sie die Bedürfnisse Ihrer Tochter/Ihres Sohnes mit freundlichem Nachdruck.
  • Nutzen Sie die Zeit, um all Ihre Fragen zu stellen und für möglichst viele Punkte einvernehmliche Vereinbarungen zu treffen.
  • Oft ist es für alle Seiten hilfreich, wenn es ein Protokoll gibt, das die Grundlage für weitere Gespräche sein kann. Auf jeden Fall ist es wichtig, zum Ende des Gesprächs die Vereinbarungen für die nächsten Schritte noch einmal zusammenzufassen und festzulegen, wie genau der Austausch darüber, was funktioniert oder nicht, stattfinden soll.
  • Wenn die Einrichtung Vorschläge macht, die Sie erst in Ruhe überdenken wollen, dann bitten Sie um Bedenkzeit und gewähren Sie das bei Bedarf auch den Verantwortlichen der Einrichtung.
  • Vereinbaren Sie einen weiteren Termin, an dem über die offenen Punkte nochmals gesprochen wird, oder eine Frist für Entscheidungen.
  • Da die Re-Integration in die Schule ein längerer Prozess ist, brauchen Sie auch Vereinbarungen dazu, wann und wie überprüft wird, dass die besprochenen Maßnahmen funktionieren und wie Sie sich bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten zeitnah verständigen.

Sollte das Gespräch nicht zu Ihrer Zufriedenheit gelaufen sein, holen Sie sich Rat und Unterstützung für einen weiteren Anlauf bei Ihren Ansprechpersonen aus der Behandlungszeit, bei einer Elterngruppe oder einer Schul-Beratungsstelle.

Es dauert eine Zeit, bis Ihre Tochter/Ihr Sohn in Kindergarten, Schule oder Ausbildung wieder richtig Fuß gefasst hat. Bleiben Sie in engem Austausch mit dem Personal der Einrichtung und Ihrer Tochter/Ihrem Sohn, um frühzeitig von guten Fortschritten und eventuellen Problemen zu erfahren. So können Sie gemeinsam den „Weg zurück“ erfolgreich und passend gestalten.