Woher weiß ich, wann ich therapeutische Hilfe brauche?

Autor:  Iris Lein-Köhler, Barbara Grießmeier, Zuletzt geändert: 16.11.2021 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e241464

Wenn Sie die Unterstützungsangebote in und außerhalb der Klinik wahrnehmen und Ihre eigenen Kräfte und Talente nutzen, werden Sie wahrscheinlich auf dem langen Weg durch die Behandlung an der Seite Ihrer Tochter/Ihres Sohnes gute und schlechtere Tage haben: Das ist ganz normal und vollkommen verständlich. Gestehen Sie sich diese wechselhaften Zeiten zu. Eines Tages werden sie hinter Ihnen liegen und Teil Ihrer Lebensgeschichte sein.

Natürlich ist es auch möglich, dass die Erfahrungen mit der Krebserkrankung Ihres Kindes „alte Wunden“ aufreißen: Wenn Sie aus Ihrer Vergangenheit schwierige, unverarbeitete Erfahrungen mitbringen, geraten Sie vielleicht schneller als andere an Ihre Grenzen. Die Behandlungszeit Ihres Kindes ist in der Regel kein guter Zeitpunkt, um eine Psychotherapie zu beginnen: Sie haben weder die Zeit noch die Energie, sich intensiv darauf einzulassen und regelmäßige Termine verlässlich wahrzunehmen. Falls Sie sich jedoch dazu in der Lage fühlen und eine Therapeutin/einen Therapeuten finden, die/der Sie so unterstützen kann, wie Sie das gerade brauchen (beispielsweise Alltagsbewältigung; Umgang mit Ängsten oder Stabilisierung bei traumatischen Erfahrungen), können auch psychotherapeutische Fachpersonen außerhalb der Klinik eine Hilfe sein.

Die psychosozialen MitarbeiterInnen werden alles dafür tun, Sie gut durch die anstrengende Behandlungszeit Ihres Kindes zu begleiten und Sie dabei unterstützen, sich ausreichend gut zu stabilisieren. Mit seelischen Verletzungen aus der Vergangenheit oder (leichteren) psychischen Störungen können Sie sich in einer Psychotherapie auseinandersetzen, sobald Sie dafür wieder „Luft“ und Energie haben.

Sollten Sie sich gerade mitten in einer psychotherapeutischen Behandlung befinden, informieren Sie Ihre Therapeutin/Ihren Therapeuten über die Lage und besprechen Sie, welche Unterstützung Sie von ihrer/seiner Seite bekommen können. Die Erfahrung zeigt, dass es möglich ist, trotz und mit der Diagnose einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung dem eigenen Kind eine Stütze zu sein.

In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass Sie sich den Herausforderungen nicht (mehr) gewachsen fühlen und dringend therapeutische Hilfe benötigen. Das merken Sie beispielsweise daran, dass Sie:

  • anhaltend von Ihren Gefühlen überwältigt werden und Ihr Kind nicht versorgen können
  • über einen längeren Zeitraum nichts essen oder nicht schlafen können
  • nur noch traurig, ängstlich oder unruhig sind und einfach keinen Trost finden können, der Sie ruhiger macht
  • sich nicht in der Lage sehen, die Angst vor dem Therapieversagen oder die Trauer über den Verlust Ihres bisherigen Familienlebens im Zaum zu halten
  • den Schmerz über das Leid Ihrer Tochter/Ihres Sohnes meinen, nicht länger ertragen zu können
  • das Gefühl haben, nie wieder lachen zu können
  • nicht aufhören können zu weinen
  • heftige körperliche Beschwerden bekommen, die sich kaum beeinflussen lassen
  • irgendwelche Gedanken haben, sich selbst oder jemand anderen zu verletzen

Dann brauchen Sie SOFORT zusätzliche Hilfe. Bitte besprechen Sie mit den psychosozialen MitarbeiterInnen, was zu tun ist: Möglicherweise brauchen Sie einen Termin bei Ihrem Hausarzt oder in einer psychotherapeutischen/psychiatrischen Sprechstunde. Das Psychosoziale Team unterstützt Sie bei der Suche nach einer geeigneten Anlaufstelle.