„Normale“ Entwicklung trotz lebensbedrohlicher Erkrankung

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 28.08.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e260488

Kinder und Jugendliche sind durch Krankheit und Behandlung in vielen Bereichen stark eingeschränkt gewesen, dennoch haben sie sich gleichzeitig normal weiterentwickelt. Wenn es in der Behandlungszeit nicht zu schwerwiegenden neurologischen Störungen kam, haben die PatientInnen genauso wie Gleichaltrige Lernfortschritte gemacht.

Kinder haben beispielsweise gelernt:

  • zu laufen
  • zu sprechen
  • mit kreativen Angeboten umzugehen
  • mit anderen Kindern zu spielen
  • Beziehungen zu Kindern und Erwachsenen aufzubauen
  • Spaß zu haben
  • ein Tablet zu bedienen
  • zu puzzeln
  • NEIN zu sagen und zu streiten
  • andere um den Finger zu wickeln
  • schwierige Matheaufgaben zu lösen

Viele Kinder konnten sich beispielsweise auf der motorischen Ebene nicht so gut entwickeln, dafür aber in anderen Bereichen wie etwa der Sprachentwicklung schneller vorankommen. Sie haben gelernt, komplizierte Zusammenhänge zu verstehen, unangenehme medizinische Maßnahmen zu meistern oder schwierige Puzzles zu lösen. Für Kinder ist es sehr wichtig, dass ihre Eltern solche Fortschritte auch wahrnehmen und diese Leistungen würdigen – und nicht nur beklagen, was nicht so gut klappt oder einfach nicht möglich war.

Alle Kinder – auch die schwerkranken - können sich im Augenblick des Spiels verlieren und darüber die mögliche Bedrohung durch künftige Ereignisse vollständig vergessen. Diese Fähigkeit und auch das noch fehlende Verständnis von Zeit haben jüngeren Kindern im Verlauf der Therapie wesentlich dabei geholfen, sich keine Gedanken über die nächste Chemotherapie, das nächste Zelltief (Aplasie-Phase) oder gar ihre Prognose zu machen. Die völlige Konzentration auf die Gegenwart war und ist eine ganz wesentliche Eigenschaft, mit der Kinder ungünstige Situationen gut meistern und damit schneller hinter sich lassen können. Hier macht sich eine innere Kraft bemerkbar, auf die Kinder (im Gegensatz zu vielen Erwachsenen) zurückgreifen können und die ein guter Schutz gegen Gedankenspiele und negative Phantasien sein kann.

Bei den meisten PatientInnen im Jugendalter wurden vor allem die Autonomieentwicklung und die Bestrebung, sich von den Eltern abzulösen, jäh unterbrochen. Dennoch haben sich Jugendliche weiterentwickelt und beispielsweise gelernt:

  • Schmerzen und andere unangenehme Körperempfindungen auszuhalten
  • Geduld zu haben
  • In Gesprächen mit ÄrztInnen ihre Meinung zu sagen
  • für sich selbst einzustehen
  • schwierige Entscheidungen zu treffen
  • sich mit existenziellen Fragen nach Leben und Tod auseinander zu setzen
  • die eigene Einstellung zum Leben zu hinterfragen
  • unter erschwerten Bedingungen zu lernen
  • neue Freundschaften aufzubauen