Was den Neustart erschweren kann

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 28.08.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e260822

Unabhängig vom Alter der Kinder gibt es einige Aspekte, die den Neustart nach der langen Krankheitszeit besonders erschweren können. Hierzu gehören neben großer Erschöpfung auch Verluste und Veränderungen. Diese Bereiche und der Umgang damit werden auf den folgenden Seiten beschrieben.

Erschöpfung

Bei aller Sehnsucht danach, dass das Leben jetzt endlich wieder wie früher gewohnt weitergehen und die Zeit der Krankheit endgültig vorbei sein soll, so erleben die meisten Kinder und Jugendlichen eine mehr oder weniger große Erschöpfung. Erst nach Ende der Therapie wird deutlich spürbar, wie anstrengend diese Zeit doch war. Das „Training“ für eine gewisse Fitness fehlt, denn während der Erkrankungszeit gab es weniger körperliche Aktivitäten als sonst.

Für den Körper der jungen PatientInnen waren Chemotherapie, Operation und/oder Bestrahlung eine große Belastung, von der sie sich erst langsam wieder erholen. Umso älter die Kinder sind, desto mehr machten ihnen die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu schaffen: Oft kam nach jedem Chemoblock ein Zelltief (Aplasie-Phase), das mit Infekten und Fieber einherging. Häufige Bluttransfusionen, Gaben von Antibiotika oder Schmerzmitteln müssen vom Körper verarbeitet werden. Durch die lange Zeit der Inaktivität hat fast immer die Muskelmasse abgenommen, manchmal wurde das Laufen durch Knochenschmerzen oder neurologische Probleme erschwert und es kann zu massiver Gewichtszunahme oder -abnahme gekommen sein.

Viele dieser Einschränkungen werden den Kindern und Jugendlichen erst richtig bewusst, wenn sie den „Schutzraum Klinik“ verlassen und ihre gewohnten Aktivitäten wieder aufnehmen wollen. Sie bemerken, dass sie mit den Geschwistern oder Gleichaltrigen noch nicht „mithalten“ können, schneller ermüden und sich insgesamt ausgelaugt und nicht fit fühlen.

Auch wenn Sie (und Ihr Kind) noch so gerne möchten, dass alles „wie früher“ ist, ist es nun wichtig, dass Sie Ihrer Tochter/Ihrem Sohn eine Zeit der Erholung zugestehen.

Ihr Kind muss nicht eine Woche nach dem Ende der Therapie wieder in die Schule gehen und gleichzeitig noch andere Aktivitäten wahrnehmen! Ermutigen Sie Ihre Tochter/Ihren Sohn dazu, langsam Aktivitäten außerhalb des Hauses aufzunehmen – aber überfordern Sie Ihr Kind damit nicht. Die meisten Kinder haben ein sehr gutes Gespür dafür, wann sie müde sind und wann sie ausruhen möchten - allerdings haben ältere Kinder/Jugendliche manchmal die Tendenz, über dieses Gefühl hinwegzugehen.

Wie lange der Prozess der Erholung dauern wird, lässt sich nicht vorhersagen und Eltern sollten dafür keine konkreten Zeiträume festlegen. Auch wenn die Kinder wieder in den Kindergarten oder die Schule gehen wollen, kann es gut sein, dass sie noch nicht den ganzen Tag „durchhalten“ und eine allmähliche Wiedereingliederung benötigen. Wenn möglich, planen Sie auch für den Beginn Ihrer eigenen Berufstätigkeit eine Übergangszeit oder einen schrittweisen Wiedereinstieg ein, um notfalls Ihr Kind früher aus Kindereinrichtung oder Schule abholen zu können.

Diese Zeit der Erholung bedeutet nicht, dass Sie Ihr Kind gar nicht fordern dürfen: Manche Kinder haben sich darauf eingerichtet, mehr oder weniger den ganzen Tag mit dem Tablet auf der Couch zu verbringen und wollen jede Anstrengung vermeiden, weil es so bequemer ist. Vereinbaren Sie jetzt wieder altersangemessene medienfreie Zeiten mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn und ermuntern Sie sie/ihn dazu, sich stattdessen ein bisschen anzustrengen und zu fordern. Gerade weil sich die körperliche Leistungsfähigkeit erst langsam wieder regeneriert, muss sie in kleinen Schritten trainiert werden und kehrt nicht „von selbst“ zurück.

In seltenen Fällen kommt es bei Kindern und Jugendlichen nach einer Krebserkrankung zu einem Zustand anhaltender körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung, die als Fatigue-Syndrom bezeichnet wird. Darunter versteht man eine weitreichende Erschöpfung, verbunden mit ständiger Müdigkeit, Antriebslosigkeit und zumeist Konzentrationsproblemen, die in keinem angemessenen Verhältnis zu einer vorausgegangenen Betätigung stehen und die durch ausreichenden Schlaf nicht ausgeglichen werden können. Sollten Sie bei Ihrem Kind solche Symptome bemerken, informieren Sie unbedingt die ÄrztInnen in der Klinik.

Umgang mit Verlusten und Veränderungen

Hat ihre Tochter/Ihr Sohn die anstrengende Zeit der Behandlung erfolgreich „überstanden“, so wird spätestens nach dem Ende der Therapie deutlich, dass sie/er zwar ihr Leben gewonnen hat, dafür aber manchmal auch eine ganze Reihe von Veränderungen und Verlusten (beispielsweise an gesundheitlichem Wohlbefinden, Zukunftsperspektiven oder Selbstbewusstsein) hinnehmen muss. Das Leben ist nicht mehr wie vor der Erkrankung und manches wird für immer verloren bleiben.

Jede ungewollte Veränderung und jeder Verlust löst unterschiedliche Gefühle wie Trauer, Zorn oder depressive Stimmungen aus und wird meist in Phasen erlebt und verarbeitet:

Wenn wir Menschen wahrnehmen, dass sich etwas für immer verändert hat oder wir jemanden verloren haben, können wir das oft zunächst gar nicht glauben und hoffen, dass das nicht wahr oder die Veränderung nur vorübergehend ist.

Wenn wir eine bleibende Veränderung/den Verlust dann deutlicher realisieren, reagieren wir meist mit starken Gefühlen von Schmerz, Wut, Zorn und Niedergeschlagenheit. Solche Gefühle treten über einen längeren Zeitraum und in bestimmten Situationen immer wieder auf. Sie sind eine angemessene Reaktion auf die Veränderung/den Verlust. Sie müssen ernstgenommen, ausgehalten und durchlebt werden, um den Verlust betrauern und bewältigen zu können.

Jeder Verlust löst Trauer aus. Trauer ist eine natürliche Reaktion darauf, wenn wir etwas oder jemanden verloren haben, das/der/die nicht wiederkommen wird. Die meisten Menschen wünschen sich, dass ihre Lieben nicht traurig sein sollen, denn dieses Gefühl oder diese Phase ist für andere oft schwer auszuhalten. Wir können die Veränderung/den Verlust aber nur dann in unser Leben integrieren, wenn wir die Zeit der Trauer durchlaufen haben.

Nach einiger Zeit wird es möglich, die Veränderung/den Verlust als Teil unserer Lebensgeschichte anzusehen und uns dem Leben wieder zuzuwenden. Einen Verlust zu akzeptieren bedeutet nicht, dass wir irgendwann nicht mehr traurig sind; sondern eher, dass die Stärke der Gefühle nachlässt, uns nicht mehr beherrscht und so auch wieder Raum für positive Dinge im Leben und neue Erfahrungen entsteht.

Vorübergehende Veränderungen

Manche Veränderungen nach einer Krebserkrankung sind nur vorübergehend und die Kinder oder Jugendlichen können sich nach einer gewissen Zeit davon wieder „erholen“. Dies betrifft

Vor der Diagnosestellung haben die meisten Kinder und Jugendlichen das Leben wahrscheinlich mehr oder weniger unbeschwert wahrgenommen. Sie hatten Vertrauen, dass ihre Eltern, andere Erwachsene oder sie selbst auftretende Probleme oder Schwierigkeiten schon lösen würden, dass sie selbst für gutes Verhalten „belohnt“ werden und dass es für alles eine Ursache gibt. „Schlimmes“ wiederfährt meistens nur den anderen und in der eigenen Familie war „alles in Ordnung“.

Die Diagnose einer bösartigen Erkrankung hat dieses Weltbild bei den meisten Kindern und Jugendlichen schwer erschüttert. Sie mussten erkennen, dass es so etwas wie ein unbekanntes Schicksal gibt, dem sie sich nicht entziehen können und das auch von den Eltern und anderen Autoritätspersonen nicht beeinflusst werden kann. Und selbst wenn sie alle Anweisungen der ÄrztInnen befolgten, konnte es geschehen, dass sich der Verlauf der Krankheit ungünstig entwickelte und sie schwere Beeinträchtigungen davongetragen haben.

Der Verlust dieser Unbeschwertheit kann bei manchen Kindern/Jugendlichen zu länger andauernden tiefen Ängsten und Verunsicherungen führen. In den meisten Fällen wird es den Kindern/den Jugendlichen nach dem Ende der Therapie trotzdem gut gelingen, wieder Vertrauen in das Leben aufzubauen.

Je jünger die Kinder sind, umso selbstverständlicher haben sie vor der Erkrankung ihren Körper erlebt, mit dem sie die Welt um sich erkundet und erfahren haben. Alle Kinder sind stolz auf das, was sie „können“ und was sie bisher erreicht haben. Je älter sie werden, umso mehr trauen sie sich zu und umso sicherer werden sie in ihrem Körperbewusstsein und ihrer Identität.

Diese Sicherheit wurde durch die Krankheit und die Therapie erschüttert und alle Kinder/Jugendlichen erlebten, dass sich ihr Körper stark veränderte und nicht mehr „funktionierte“ wie bisher. Schmerzen, Unwohlsein, Müdigkeit, Appetitlosigkeit kamen und gingen, ohne dass Ihre Tochter/Ihr Sohn darauf einen Einfluss hatte. Immerzu erwarteten ÄrztInnen und Eltern von ihr/ihm, dass sie/er selbst etwas dazu beiträgt, bestimmte Beeinträchtigungen zu verbessern – und längst nicht in allen Fällen hatte ihr Bemühen auch Erfolg.

Der Körper der Kinder kann sich also über lange Zeit hin sehr „fremd“ angefühlt haben. Es entstanden neue Empfindungen wie Übelkeit, Missempfindungen in den Fingern oder Krämpfe und häufig musste auch der Umgang mit Schmerzen gelernt werden. Oft „tut“ der Körper einfach nicht mehr das, was bisher selbstverständlich war. Trotzdem wurde im Verlauf der Therapie das „fremde“ Bild von sich selbst langsam vertraut: Es wurde leichter, sich beispielsweise ohne Haare im Spiegel zu sehen und nach und nach zu lernen, was der veränderte Körper trotz allem „leisten“ kann.

Nach dem Ende der Therapie müssen Kinder und Jugendliche schrittweise erproben, was ihr Körper noch alles kann, was sie trainieren/neu lernen und was sie sich selbst zutrauen können.

Durch die Erkrankung und die Therapie kann es vorkommen, dass Kinder bereits erworbene Fähigkeiten vorübergehend oder langfristig wieder verlieren. Diese Verluste sind besonders schmerzhaft, da das Gefühl von „Ich kann das alleine!“ für Kinder ein wesentlicher Aspekt für ihr Selbstbewusstsein und ihre Wahrnehmung von sich selbst ist. Etwas plötzlich nicht mehr zu können, was früher bereits möglich war, verunsichert die Kinder extrem und kann zu heftigen Reaktionen wie Wut und Zorn, aggressivem Verhalten oder Rückzug führen.

Besonders einschneidend kann der Verlust von motorischen Fähigkeiten wie laufen, springen, klettern und der Verlust von kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten oder langsamere Geschwindigkeit beim Lösen von Aufgaben sein. Sie können Ihr Kind unterstützen, indem Sie einerseits geduldig mit ihm trainieren und ihm so helfen Neues zu lernen, und andererseits die Fähigkeiten betonen, die ihr Kind noch unverändert besitzt oder sogar neu in der Zeit der Krankheit erworben hat.

Fast alle Kinder und Jugendliche haben erlebt, dass sich während der langen Zeit der Therapie Freundschaften zu Kindern/Jugendlichen aus dem „normalen Leben“ verändert haben, Kontakte ganz eingeschlafen sind oder abgebrochen wurden. Dies kann am Mangel an persönlichen Begegnungen liegen, denn der vor der Erkrankung übliche Rahmen für Kontakte in Kindergarten, Schule oder Sportvereinen ist zumeist weggebrochen.

Andere Gründe für diese Veränderung können sein, dass viele der gesunden KameradInnen entweder keine oder wenig Informationen darüber hatten, warum ihre Freundin/ihr Freund plötzlich nicht mehr da war oder nicht wussten, wie sie mit ihr/ihm und dem Kranksein umgehen sollten. Manchmal haben die Eltern der kranken Kinder aus Sorge vor einer Ansteckung darauf gedrängt, ihr Kind sehr strikt zu isolieren. In anderen Fällen meinten die Eltern der gesunden Kinder aus Unsicherheit, das kranke Kind bräuchte Ruhe oder wolle nicht gestört werden. Die Enttäuschung darüber, dass Freundschaften und Beziehungen die Zeit der Erkrankung nicht „überstanden“ haben, kann sehr schmerzhaft und unverständlich sein.

Beim Übergang in die „neue Normalität“ kann es wichtig sein, Bilanz zu ziehen und sich zu fragen:

  • Welche Freundschaften/Kontakte haben „gehalten“?
  • Wie ist es gelungen, Freundschaften aufrechtzuerhalten?
  • Welche Schritte können unternommen werden, um „eingeschlafene“ Kontakte wieder aufleben zu lassen?

Die Erkenntnis, dass es eine vollständige Rückkehr in das „alte“ Leben nicht geben kann, ist oft bitter. Aber sie kann dabei helfen, neugierig zu werden auf die Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen (wie beispielsweise neue Freundschaften zu schließen).

Bleibende Verluste

Manche Verluste nach einer Krebserkrankung bei Kindern/Jugendlichen sind bleibend; das heißt, die Kinder müssen sich damit auseinandersetzen, dass sich diese Veränderungen nicht rückgängig machen lassen und sie für immer damit leben werden. Diese Vorstellung kann zunächst sehr beängstigend sein. Kinder sind wie Erwachsene in der Lage, mit bleibenden Verlusten leben zu lernen und sie nach und nach in ihre Lebensgeschichte zu integrieren.

Manche Kinder und Jugendliche hatten nur dann eine Chance auf Überleben, wenn bei der Operation ihres Tumors Teile ihres Körpers mit entfernt wurden. Dies ist in erster Linie bei Knochentumoren der Fall und betrifft meistens Arme oder Beine (beziehungsweise Teile davon). Manchmal mussten Gelenke entfernt und/oder durch künstliche Gelenke ersetzt werden. Bei anderen Erkrankungen kam es möglicherweise zum Verlust einer Niere, eines Teils des Darms oder eines Auges.

Für Ihre Tochter/Ihren Sohn hat sich durch eine solche OP allerdings nicht nur das Aussehen verändert, sondern vielmehr das Erleben des eigenen Körpers und so das Bild von sich selbst. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen fühlen sich oft nicht mehr „vollständig“, denn es fehlt tatsächlich ein Stück ihres bisher „perfekten“ Körpers. Auch wenn eine Versorgung (beispielsweise durch eine Prothese) möglich ist, fühlt sich der Körper doch anders an. Es kann manchmal Monate bis Jahre dauern, ehe der neue Körper als „normal“ empfunden wird. Das „Wegoperieren“ von Körperteilen verändert häufig die Wahrnehmung von sensorischen Reizen, das Gewicht des betroffenen Körperteils und die Möglichkeiten der Bewegung. Wenn beispielsweise bestimmte Sportarten wieder ausgeübt werden können, so bleiben doch meist Einschränkungen bestehen.

Sehr viele Kinder und Jugendliche lernen jedoch nach vergleichsweise kurzer Zeit, mit dem „neuen“ oder operierten Körperteil praktisch zurechtzukommen und ihren Bewegungsradius wieder zu erweitern. Dennoch bleibt die Trauer über den Verlust meist noch lange erhalten.

Je nach Art der OP erregen diese Patienten leicht die Aufmerksamkeit von anderen, werden als „behindert“ angesehen oder erleben sich selbst so. Für die jungen PatientInnen (und ihre Familien) beginnt meist erst nach der Rückkehr in das „normale Leben“ die Zeit, in der sie sich mit diesem Verlust wirklich auseinandersetzen können und den Umgang damit im Kontakt mit anderen Menschen einüben müssen.

Um überhaupt eine Vorstellung von der Zukunft des eigenen Lebens entwickeln zu können, müssen Kinder die Fähigkeit ausgebildet haben, längere Zeiträume vorausschauend in den Blick zu nehmen, Ziele zu benennen und zu verfolgen. Etwa ab dem Grundschulalter beginnen Kinder damit, Zukunftsvorstellungen zu entwickeln und formulieren beispielsweise, welchen Beruf sie später ergreifen wollen. Solche Vorstellungen sind in diesem jungen Alter allerdings noch eher spielerisch zu sehen und können sich rasch verändern.

Spätestens ab der Pubertät beginnen viele Jugendliche, sich konkretere Gedanken über ihre Zukunft zu machen und eigene Ziele zu verfolgen. Diese können sich zunächst beispielsweise auf einen bestimmten Schulabschluss beziehen, auf sportliche Leistungen oder auf einen Berufswunsch. Später kommen dann meist noch Vorstellungen und Wünsche bezüglich Partnerschaft und einer eigenen Familie dazu. Manche Jugendliche wissen schon früh sehr genau, wie sie sich ihr Leben vorstellen und arbeiten auch darauf hin, ihre Ziele zu erreichen - andere sehen die Zukunft eher als ein „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ und können oder wollen sich über lange Zeit hin nicht festlegen.

Nach dem Ende der Therapie stellt ein Teil vor allem der jugendlichen PatientInnen fest, dass manche der eigenen Lebenspläne sich wahrscheinlich aufgrund der Folgen der Krankheit und der Therapie nicht mehr verwirklichen lassen. So kann es beispielsweise sein, dass bestimmte Berufe, für die eine große körperliche Belastbarkeit erforderlich ist, nicht mehr ausgeübt werden können oder der angestrebte Schulabschluss aufgrund kognitiver Einschränkungen nicht mehr erreicht werden kann. Manche Jugendliche fürchten, aufgrund ihres veränderten Aussehens oder einer Behinderung schlechtere Chancen bei der Suche nach einer Partnerin/einem Partner zu haben oder dass sie später keine eigenen Kinder haben können. Die Beschäftigung mit diesen Fragen, das Loslassen bisheriger und die Neuorientierung hin zu neuen Plänen kann ein langwieriger Prozess sein.

Wenn ein Kind oder eine Jugendliche/ein Jugendlicher über mehrere Monate auf einer Kinderkrebsstation behandelt wird, ist es fast unvermeidbar, dass während dieser Zeit MitpatientInnen sterben. Für die meisten Kinder und Jugendlichen ist dies oft das erste Mal in ihrem Leben, dass sie direkt mit dem Tod eines Menschen, den sie selbst kannten, konfrontiert werden. Manchmal haben Kind und Eltern das verstorbene Kind nur „von Ferne“ oder nur dem Namen nach gekannt, In anderen Fällen wurde vielleicht das Zimmer miteinander geteilt und es entstand eine Freundschaft.

Auch wenn Eltern wissen, dass nicht alle Kinder gesund werden können und manche sterben, wird dieses eher „theoretische“ Wissen mit dem Tod einer Mitpatientin/eines Mitpatienten plötzlich unmittelbar greifbar und kann große Angst davor auslösen, dass auch das eigene Kind dazugehören kann. Vor allem für jüngere Kinder spielt diese Verbindung nicht unbedingt eine Rolle. Hier wird eher zum ersten Mal im Leben die Erfahrung gemacht, dass vertraute Menschen, mit denen man eben noch Zeit gemeinsam verbracht hat, plötzlich „weg“ sind und nie mehr wiederkommen werden. Dieser Verlust an Freundschaft und Beziehung wird erstmal sehr befremdlich sein und kann starke Gefühle von Trauer auslösen.

Eltern können ihre Kinder gut begleiten, indem sie die Gefühle des Kindes ernstnehmen, darüber sprechen und gemeinsam den Verlust betrauern.

Abschiedsrituale können dabei helfen, den Verlust zu verarbeiten. Lassen Sie sich von den MitarbeiterInnen des Psychosozialen Teams dazu beraten oder anleiten.

Bevorstehende Veränderungen

So schwierig die Monate der Behandlung auch waren, so ist doch vieles in der Zwischenzeit auch vertraut geworden. Neue Routinen und Abläufe haben sich eingespielt, die meisten Kinder fanden es neben all dem Schwierigen auch toll, im Mittelpunkt zu stehen und haben es oft genossen, dass alle auf sie Rücksicht genommen haben.

Veränderungen, die jetzt auf die Kinder/Jugendlichen zukommen, können beispielsweise sein:

  • Sie stehen nicht mehr so stark im Mittelpunkt.
  • Sie müssen ihre Sonderrolle aufgeben.
  • Es kommen wieder mehr Anforderungen auf sie zu.
  • Der Schutzraum Klinik fällt weg.
  • Sie müssen sich und ihre Situation nach außen hin mehr erklären.
  • Sie müssen den Umgang mit negativen Reaktionen des Umfelds auf beispielsweise ihr verändertes Aussehen lernen.
  • Das richtige Maß an Belastung und Förderung muss neu gefunden werden.
  • Die Eltern arbeiten wieder und haben weniger Zeit.
  • Die eigenen Fähigkeiten müssen neu eingeschätzt werden.
  • Freundschaften in der Schule haben sich vielleicht verschoben.
  • Eltern (und andere Erwachsene) sind ängstlicher als früher, trauen ihrem Kind weniger zu.
  • Manche Kinder/Jugendlichen müssen (neu) lernen, Grenzen zu akzeptieren.
  • Viele Kinder/Jugendlichen sind „reifer“ als ihre Altersgenossen.

Solche und andere Veränderungen können manchmal stolz machen über das Erreichte, manchmal auch Unsicherheit, Hilflosigkeit, Zorn oder Rückzug auslösen.

Sie können Ihrem Kind im Umgang mit Veränderungen nach der Therapie am besten helfen, indem Sie die Veränderungen anerkennen und mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn gemeinsam überlegen, welche Unterstützung oder Hilfestellung sie/er jetzt braucht.

Ihr Kind hat bereits die wahrscheinlich schwerwiegenderen Veränderungen zu Beginn und während der Therapie gut gemeistert - also dürfen Sie davon ausgehen, dass Ihre Tochter/Ihr Sohn auch mit der Rückkehr in die Normalität zurechtkommen wird.

Wenn Sie Rat und Unterstützung benötigen, wenden Sie sich gerne an die MitarbeiterInnen des Psychosozialen Teams oder der psychosozialen Nachsorgeeinrichtung.