Helfen Sie Ihrem Kind, sich auf Behandlungsschritte vorzubereiten
Autor: Iris Lein-Köhler, Barbara Grießmeier, Zuletzt geändert: 12.07.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e241179
Im Verlauf der Behandlung kommen immer wieder neue Medikamente oder noch nicht vertraute Untersuchungen/Therapien auf Ihre Tochter/Ihren Sohn zu. Sie/Er lernt immer besser, wie mit Neuem umzugehen ist und fasst Vertrauen in die Behandlung und die BehandlerInnen. Je älter Ihre Tochter/Ihr Sohn schon ist, umso wichtiger wird es, dass sie/er über die nächsten Behandlungsschritte informiert und altersentsprechend darauf vorbereitet wird.
Aber Kinder unterscheiden sich auch darin, wie viel sie über das, was als nächstes auf sie zukommt, wissen wollen. Manche fragen den Eltern und den BehandlerInnen „Löcher in den Bauch“, andere wollen lieber nicht so viel wissen und überlassen das „Bescheidwissen“ ihren Eltern. Finden Sie heraus, was genau Ihre Tochter/Ihr Sohn an Informationen braucht und kommen Sie dem Bedürfnis nach Erklärungen entsprechend nach.
Beziehen Sie Ihr Kind in Entscheidungen mit ein
Ältere Kinder möchten meistens das Gefühl haben, an wichtigen Entscheidungen über ihre medizinische Versorgung beteiligt zu sein. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Tochter/Ihr Sohn bei wichtigen Arzt-Gesprächen dabei sein kann oder alle wichtigen Informationen in Ihrem Beisein vom Behandlungsteam erhält. Das bedeutet nicht, dass Sie gelegentlich nicht auch ohne Ihr Kind mit dem Arzt sprechen können. Aber informieren Sie Ihre Tochter/Ihren Sohn zeitnah darüber, worum es in dem Gespräch ging und legen Sie Wert darauf, dass die BehandlerInnen und Ihre Tochter/Ihr Sohn direkt miteinander sprechen. Wenn in Gegenwart der Kinder und Jugendlichen über sie gesprochen wird, fühlen sie sich nicht gesehen und nicht ernst genommen.
Bereiten Sie Ihr Kind auf Untersuchungen und Behandlungen vor
Mutter und/oder Vater begleiten ihr Kind durch die Behandlung und sind die wichtigsten Ansprechpersonen für seine Fragen. Es ist deshalb enorm wichtig, dass Sie selbst gut informiert sind: nicht nur darüber, welche medizinischen Maßnahmen bevorstehen, sondern auch wann sie stattfinden und wie der konkrete Ablauf sein wird. In Vorbereitung darauf wird es immer entsprechende Arztgespräche geben: Lassen Sie sich alles genau erklären – gegebenenfalls mehrfach, damit Sie sich und Ihr Kind gut vorbereiten können.
Für alle Fragen der Vorbereitung Ihres Kindes auf medizinische Maßnahmen steht Ihnen das Psychosoziale Team mit Rat und kindgerechten Materialien zur Seite.
Wenn eine Operation notwendig ist, werden im Vorfeld sowohl die AnästhesistInnen, als auch die ChirurgInnen mit Ihnen und Ihrer Tochter/Ihrem Sohn sprechen wollen. Wenn Ihr Kind noch klein ist, klären Sie im Vorfeld, wer es beaufsichtigen kann, wenn Sie in Ruhe mit dem Arzt sprechen wollen. Bereiten Sie sich auf diese Gespräche vor, indem Sie alle Ihre Fragen notieren und möglichst eine zweite Person mitnehmen. Für die Einverständniserklärungen werden die Unterschriften beider Sorgeberechtigter benötigt.
Klären Sie mit dem Behandlungsteam, wie der OP-Tag genau ablaufen wird (wer, wann, wo, was, wie) und besprechen Sie dies dann altersentsprechend mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn oder bitten Sie das Behandlungsteam darum, dies zu tun.
Wichtig zu wissen: Eine OP hat immer drei Teile: die Narkoseeinleitung (meistens dürfen Sie bei Ihrem Kind bleiben, bis es schläft), die Operation selbst und die Narkoseausleitung (meistens dürfen Sie Ihr Kind im Aufwachraum abholen).
Je nach Dauer und Komplexität der OP kann es sein, dass Ihre Tochter/Ihr Sohn danach für eine Nacht zur sicheren Überwachung auf der Intensivstation bleibt. Klären Sie auch dafür die Gegebenheiten vor Ort, um Ihrem Kind das Ankommen dort zu erleichtern und zu wissen, wie Sie bei ihm bleiben können.
Die MitarbeiterInnen des Psychosozialen Teams kennen die in der Klinik üblichen Abläufe und unterstützen Sie dabei, sich selbst und Ihr Kind gut vorzubereiten. Hierfür können spezielle Materialien und Spielzeuge eingesetzt werden.
Wahrscheinlich haben Sie nach der Diagnose einen Therapieplan bekommen und wurden über die zu erwartenden Nebenwirkungen aufgeklärt. Erkundigen Sie sich beim Behandlungsteam nach dem jeweils nächsten Schritt und den zu erwartenden Wirkungen und Nebenwirkungen. Besprechen Sie mit den Psychosozialen MitarbeiterInnen, wie Sie Ihre Tochter/Ihren Sohn am besten vorbereiten und bei auftretenden Nebenwirkungen unterstützen können. Je jünger Ihr Kind ist, desto wichtiger ist es, dass Sie selbst alles gut verstanden haben und sich besonders in den ambulanten Zeiten verlässlich um Medikamenteneinnahme, Fiebermessen, Mundpflege und ähnliches kümmern können.
Wenn eine Strahlentherapie notwendig ist, werden Sie Ihre Tochter/Ihren Sohn in der Regel dorthin begleiten können. Während der Bestrahlung selbst sind Sie in einem separaten Raum, können aber mit Ihrem Kind über eine Mikrofonanlage sprechen.
Meist findet zuerst eine Planungs-Bildgebung statt, um die Bestrahlung ganz gezielt und richtig dosiert an die Stellen zu bringen, wo sie wirken soll. Nähere Informationen zur Strahlentherapie selbst finden Sie hier.
Viele Kliniken nutzen Programme zur Strahlentherapievorbereitung, die auf der Grundlage einer engen Zusammenarbeit zwischen StrahlentherapeutInnen und dem Psychosozialen Team folgende Punkte umfassen:
- Begleitung zum Strahlentherapie-Gespräch
- Besichtigung der Räumlichkeiten
- Psychoedukation zu allen Fragen der Bestrahlung mit entsprechenden Materialien
- Begleitung zur Maskenanpassung (bei Kopfbestrahlung)
- Übungseinheiten vor Ort oder auf der Station, um das Stillliegen zu erproben
- Erarbeiten von Beschäftigungs- oder Entspannungsmöglichkeiten während der Zeit der Bestrahlung
- Begleitung zu den Terminen
- Anerkennung des Geleisteten mit Urkunde oder Ähnlichem
Besprechen Sie mit den MitarbeiterInnen des Psychosozialen Teams die genauen Abläufe an der Klinik, die Ihre Tochter/Ihren Sohn behandelt.
Wenn Ihre Tochter/Ihr Sohn alt genug und dazu bereit ist, können manche Untersuchungen (wie MRT oder Computertomographie (CT) im Behandlungsverlauf auch ohne Narkose/Sedierung stattfinden. Wenden Sie sich an die MitarbeiterInnen des Psychosozialen Teams, die Ihrer Tochter/Ihrem Sohn dabei helfen, sich darauf vorzubereiten, das Stillliegen zu üben und gut gerüstet in diese Herausforderung zu gehen. Sie dürfen Ihr Kind begleiten und je nach örtlichen Gegebenheiten kann Sie ein/e psychosozialer MitarbeiterIn dabei unterstützen und mit vor Ort sein.
Im Verlauf der Behandlung wird Ihre Tochter/Ihr Sohn immer wieder mit Schmerzen konfrontiert sein. Die medizinische Schmerztherapie kann hier effektiv helfen, aber dazu ist insbesondere bei jungen Kindern Ihre Mithilfe erforderlich. Sie kennen Ihr Kind am besten und bemerken zuerst, wenn es unruhig ist, weil es Schmerzen erleidet. Zögern Sie nicht, dies dem behandelnden Team mitzuteilen, damit die Schmerztherapie angepasst werden kann (beispielsweise Schmerzmittelgabe vor dem Essen bei Mukositis). Aber nicht nur Medikamente helfen bei Schmerzen, sondern auch Körperkontakt, ablenkende Beschäftigungen und Zuwendung (beispielweise durch Vorlesen) können dazu beitragen, das Schmerzempfinden zu verringern.
Erschöpfung, Ängste und Kontrollverlust wirken sich ungünstig auf das Schmerzempfinden aus. Deshalb kann psychologische Schmerztherapie unterstützend wirksam sein: Besprechen Sie mit der Psychologin/dem Psychologen der Station, welche Möglichkeiten dafür angeboten werden.
Bei schmerzhaften Untersuchungen können die Kinder mehr Kontrolle über die Situation (wie Blutabnahmen) gewinnen, wenn sie den Ablauf in gewissem Maß mitbestimmen können oder selbst mithelfen, indem sie vielleicht bei einer Injektion die Einstichstelle säubern helfen.
Sie können für Ihr Kind in schmerzhaften Situationen eine große Hilfe sein, indem Sie:
- ehrlich sind und nicht verschweigen, dass die bevorstehende Prozedur unangenehm wird, aber schaffbar ist – Ihr Kind wird Ihnen künftig mehr vertrauen, wenn auf Ihre Ankündigungen Verlass ist
- zeigen, dass Sie selbst Vertrauen zum Behandlungsteam haben und Sie die Behandlung für sinnvoll und notwendig halten
- Ihr Kind immer loben, wenn es eine schmerzhafte Situation bewältigt hat und ihm helfen, sich so zu verhalten, dass es die Schmerzen so wenig wie möglich spürt
- möglichst bei Ihrem Kind bleiben, damit es sich sicherer fühlt und während der Untersuchung Blickkontakt halten kann
- die Hand halten und Ihr Kind streicheln (Berührung beruhigt) oder Ihr Kind dazu auffordern, Ihre Hand fest zu drücken
Im Behandlungsverlauf werden immer wieder Zeiten auf Sie und Ihr Kind zukommen, in denen Sie auf Untersuchungen, Behandlungen oder Untersuchungsergebnisse warten müssen. Auch wenn Sie sich noch so sehr anstrengen oder Spekulationen darüber anstellen, wann es wohl endlich losgeht, vorbei ist oder Klarheit gibt – sie werden den Nebel der Ungewissheit nicht durchdringen können. Überlegen Sie also bereits im Vorfeld, wie Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Wartezeiten meistern, womit Sie sich beschäftigen wollen während Sie warten und was Ihnen hilft, sich abzulenken und zu entspannen.
Manche Teile der Behandlung (beispielsweise Protonen-Therapie, Stammzelltransplantation, spezielle Operationen) werden an einer anderen Klinik durchgeführt, weil ihre „Heimatklinik“ sie nicht anbietet. Meist werden Sie gemeinsam mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn einen Vorstellungstermin dort erhalten, bei dem Sie erfahren, welche vorbereitenden Untersuchungen nötig sind und wie alles ablaufen wird.
Ihre Heimatklinik kooperiert eng mit der weiterbehandelnden Klinik und so können Sie schon vorher erfahren, wie Sie den Aufenthalt dort am besten organisieren können. Sprechen Sie mit dem Behandlungsteam über alle Fragen, die Sie diesbezüglich bewegen: Fahrkostenerstattung, Unterbringung, Ansprechpersonen vor Ort.
Wenn Sie das wünschen und Sie Ihr Einverständnis dazu geben, können die MitarbeiterInnen des Psychosozialen Teams Ihrer Heimatklinik Sie in der neuen Klinik schon ankündigen und Ihnen den Start dort erleichtern, indem sie für Sie wichtige Fragen mit den KollegInnen im Vorfeld besprechen.
- Eva Morent-Gran, Danielle Willert „Camillo Pastillo“ Bilderhandbuch zu Wirkungen und Nebenwirkungen der Chemotherapie; Edition besser leben – für Schulkinder
Bilderbücher der Deutschen Kinderkrebsstiftung zu den Themen Chemotherapie und Strahlentherapie
- „Der Chemo-Kasper und seine Jagd auf die bösen Krebszellen“; Deutsche Kinderkrebsstiftung - in verschiedenen Sprachen erhältlich
- „Prinzessin Luzie und die Chemoritter“; Deutsche Kinderkrebsstiftung
- „Radio-Robby und sein Kampf gegen die bösen Krebszellen“; Deutsche Kinderkrebsstiftung
„Ich gehe zur Bestrahlung“ Strahlentherapie-Broschüre für Kinder; Universitätsklinikum Heidelberg
Broschüre „Weniger Schmerzen bei Krebserkrankungen“ Informationen für Eltern, Deutsche Kinderkrebsstiftung