Rückkehr in den beruflichen Alltag

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 28.08.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e261036

Wenn die Zeit der Therapie Ihres Kindes zu Ende ist, steht für die meisten Mütter und Väter auch die Rückkehr in den beruflichen Alltag an. Um die belastende Zeit gut meistern zu können, hatten viele Eltern beispielsweise ihre Arbeitszeit reduziert, waren freigestellt oder arbeitsunfähig. Wenn Ihre Tochter/Ihr Sohn nun Kindereinrichtung oder Schule wieder besuchen darf, überlegen Sie wahrscheinlich, wie auch für Sie der Schritt zurück in die Arbeitswelt gut gelingen kann.

Die Reaktionen Ihrer Vorgesetzten und KollegInnen auf Ihre längere Abwesenheit können sehr unterschiedlich ausgefallen sein: Viele ChefInnen waren sehr verständnisvoll, als sie den Grund Ihrer Abwesenheit erfahren haben; andere waren eher ungehalten und haben Sie vielleicht unter Druck gesetzt, Ihre Arbeitskraft möglichst schnell wieder zur Verfügung zu stellen. Vielleicht haben Sie Ihre Rückkehr ständig nach hinten verschieben müssen und wollen diese Zeit nicht länger ausdehnen.

In jedem Fall ist es sinnvoll, die Rückkehr gut zu planen und genau zu überlegen:

  • Fühlen Sie sich ausreichend belastbar, um wieder mit vollem Stundenkontingent einzusteigen oder ist vielleicht vorübergehend eine Reduktion der Arbeitszeit sinnvoll?
  • Falls Sie es bisher noch vermieden hatten, über die Erkrankung Ihrer Tochter/ihres Sohnes zu sprechen: Wie wollen Sie Ihren Vorgesetzten und KollegInnen Ihre lange Abwesenheit erklären?
  • Wie offen wollen Sie mit Details über die Krankheit Ihres Kindes und Ihren Erfahrungen damit umgehen?
  • Kann es vielleicht auch ein Schutz für Sie sein, nicht zu viel zu erzählen und so die Arbeit wieder als eigenständige Welt fern der Krankheit zu erleben?

Während Ihrer Abwesenheit haben KollegInnen zumindest Teile Ihrer Tätigkeit vertreten oder übernommen und diese freuen sich sicher über ein Zeichen Ihrer Dankbarkeit dafür. Sprechen Sie offen darüber, wenn Sie sich zunächst noch weniger belastbar fühlen und bitten Sie gegebenenfalls um Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung. Nach längerer Krankheit hat jede/r ArbeitnehmerIn Anspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung: Wenden Sie sich an die in Ihrem Betrieb dafür verantwortliche Person für berufliches Wiedereingliederungsmanagement.

Nicht alle ArbeitgeberInnen sind verständnisvoll gegenüber Ihrer langen Abwesenheit und in manchen Betrieben kann es durch den längeren Ausfall von MitarbeiterInnen zu echten Notsituationen kommen. So kann es sein, dass Ihr Arbeitsplatz nun bedroht ist und Ihnen beispielsweise eine Versetzung oder gar eine Kündigung droht. Suchen Sie dann das Gespräch mit Ihren Vorgesetzten, um eine klare Orientierung zu bekommen. Informieren Sie sich auch, welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten Sie haben, wie beispielsweise Unterstützung durch den Betriebsrat oder eine juristische Beratung bei einer Anwältin/einem Anwalt.

In seltenen Fällen waren Mütter oder Väter länger als 72 Wochen arbeitsunfähig und damit endet automatisch Ihr Anspruch auf Krankengeld. Falls Sie noch nicht wieder arbeiten können, werden Sie „ausgesteuert“ und das Jobcenter wird mit Ihnen gemeinsam das weitere Vorgehen planen. Stellen Sie unbedingt rechtzeitig die entsprechenden Anträge, damit Ihnen keine Ansprüche verloren gehen! Die MitarbeiterInnen des Psychosozialen Dienstes oder der psychosozialen Nachsorgeeinrichtung werden Sie bei Bedarf gerne dazu beraten.

Wenn Ihr Arbeitsplatz zwar rechtlich weiterhin gesichert ist, Ihre Vorgesetzten aber sehr unzufrieden mit Ihrer langen Abwesenheit sind, bitten Sie um ein direktes Gespräch und fragen Sie nach, welche Erwartungen an Sie gestellt werden und wie Sie vielleicht verlorengegangenes Vertrauen wieder herstellen können. Sollte es zu anhaltenden Konflikten kommen, bitten Sie um die Vermittlung einer Vertrauensperson wie etwa dem Betriebsrat. Dauerhafter „Stress“ mit der Chefin oder dem Chef wird Sie zusätzlich belasten und Ihren Neustart in das Leben nach der Erkrankung Ihres Kindes erheblich erschweren.

Manche Mütter oder Väter bewerten nach der Behandlungszeit Ihres Kindes Ihre Arbeitssituation neu: Entweder, weil Sie durch eine drohende Kündigung oder den Verlust des Arbeitsplatzes dazu gezwungen werden oder weil Sie durch die Zeit der Abwesenheit Abstand zur beruflichen Situation gewonnen haben und einige Dinge nun anders als vor der Erkrankung sehen. Manche bisher Vollzeit-berufstätige Eltern haben beispielsweise erkannt, wie wichtig es ihnen ist, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können und wollen ihre Arbeitszeit entsprechend reduzieren. Andere wollen nicht länger in beruflichen Situationen bleiben, mit denen sie im Grunde unzufrieden sind und nutzen die Gelegenheit, sich eine neue Stelle zu suchen. Wenn Kinder nach der Therapie noch einen erhöhten Betreuungsbedarf haben, kann es sein, dass Mutter oder Vater ihre/seine frühere Berufstätigkeit nicht mehr im bisherigen Umfang aufrechterhalten kann.

Und manche Eltern erleben ihre bisherige berufliche Tätigkeit unter dem Eindruck der Erkrankung ihres Kindes auch als nicht mehr sinnvoll und wollen sich gänzlich neu orientieren, hin zu einer Arbeit, die sie selbst als sinnhafter erleben. Ein solcher Schritt sollte gut überlegt werden: Lassen Sie sich Zeit für eine eventuelle berufliche Neuorientierung! Im besten Fall kann ein solcher Neustart zu einem beruflichen Alltag mit weniger Stress und mehr Arbeitszufriedenheit führen – aber Sie brauchen dafür auch ausreichend Energie und Aufnahmebereitschaft für Neues.