"Krebs bei Kindern heilt man nicht mit Vitaminen" - Schulmedizin heilt heute 75 Prozent der erkrankten Kinder

"Krebs bei Kindern lässt sich nicht mit Vitaminen heilen", so Prof. Dr. Günter Henze, Sprecher des Kompetenznetzes Pädiatrische Onko­logie und Hämatologie, zur Diskussion um einen aktuellen Fall, der von "Bild am Sonntag" bis "Mona Lisa" (ZDF) in den Medien behandelt wird. "Immer wieder", so Prof. Henze, "wenden sich verzweifelte Eltern in ihrer großen Not an vermeintliche Wunderheiler, die mit pseudowissenschaftlichen Begründungen das sprichwörtliche 'Blaue vom Himmel' versprechen, es aber nie halten können."

Autor:  Dr. med. Ralf Herold, Zuletzt geändert: 11.04.2006 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e6305

[ Berlin , 10.02.2004 ]  Prof. Henze spielt damit auf einen Fall an, der in und um Münster und zunehmend bundesweit für Aufsehen sorgt. Eine medial bekannte Persön­lich­keit, ein Mediziner, behauptet in Flugblättern, ein 14-jähriges, an einem Osteosarkom erkranktes Kind durch Vitamine geheilt zu haben. Die Persönlichkeit führt bereits seit Jahren einen Kampf gegen die Schulmedizin und gegen das "Pharmakartell" und empfiehlt als Alternative die von seinem Unternehmen aus Holland vertriebenen Vitaminpillen. Darüber, dass diesem Kind, sollte ihm weiter die schulmedizinische Behandlung verweigert werden, kaum Überlebenschancen gegeben werden können, herrscht Einigkeit unter Experten.

Prof. Henze, seinerzeit Gutachter im Fall "Olivia" (das Mädchen ist heute 15 Jahre alt und lebt gesund bei seinen Eltern, muss lediglich zwei Mal im Jahr zu Kontrolluntersuchungen), appellierte nachdrücklich an die Eltern von an Krebs erkrankten Kindern, sich der Schulmedizin anzuvertrauen, die in den letzten Jahren überragende Erfolge erzielt hat. Jedes Jahr, so führte Prof. Henze aus, erkranken ca. 1.800 Kinder und Jugendliche an Krebs.

"Schulmedizin", so führte Prof. Henze weiter aus, "ist mehr als Pillen geben und Spritzen setzen." Der Klinikdirektor an der Charité Berlin verwies unter anderem auf die psychosoziale Betreuung und das altersgerechte Umfeld zum Beispiel an der Charité Berlin, aber auch weiteren rund 40 auf die Behandlung von Krebs bei Kindern spezialisierten Kliniken in Deutschland. Die Behandlung von kranken Kindern geschieht in engem Kontakt zwischen Ärzten und Eltern, es gibt eine gemeinsame Entscheidungskompetenz. Prof. Henze verwies darauf, dass die Schulmedizin mit soliden Statistiken und nicht mit Einzelschicksalen arbeite. Und diese zeigen an tausenden Kindern (inzwischen leben in Deutschland etwa 25.000-30.000 junge Erwachsene, die als Kind wegen einer Krebskrankheit behandelt worden sind), dass die meisten Kinder mit Krebserkrankungen heute sehr gute Aussichten haben, von ihrer Krankheit geheilt zu werden.

Noch Anfang der 70er Jahre war dies ganz anders. Damals überlebten nur wenige Kinder mit Leukämien. Patienten mit soliden Tumoren hatten fast nur dann Aussichten auf Heilung, wenn es sich um einen kleinen begrenzten Tumor handelte, der mit alleiniger Operation behandelt werden konnte. Heute dagegen überleben 75% aller Kinder mit Krebserkrankungen. Dieser Erfolg ist der Zusammenarbeit von Pädiatrischen Onkologen, Chirurgen, Radiotherapeuten und den Vertretern der diagnostischen Fächer zu verdanken. Den Heilungskonzepten liegt die Kombination einer intensivierten, systemisch wirkenden Polychemotherapie mit einer stetig verbesserten lokalen operativen und/oder strahlen­therapeutischen Behandlung zugrunde. Fast alle malignen Tumoren und hämatologischen Systemerkrankungen im Kindesalter sprechen auf eine Behandlung mit Zytostatika an. Aus diesem Grund steht die Chemotherapie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im Mittelpunkt bzw. sie ist wesentlicher Bestandteil der kombinierten Behandlungsstrategie. Mit der Chemotherapie wird die Vernichtung der in den meisten Fällen bereits zum Zeitpunkt der Diagnose vorhandenen Mikrometastasen angestrebt. Die lokale Behandlung des Tumors erfolgt durch Operation und Strahlen­therapie.

Ursachen einer Krebserkrankung bei Kindern

Krebserkrankungen bei Kindern sind im Gegensatz zu Erwachsenen häufig schon vor der Geburt angelegt. Das bedeutet, dass Veränderungen in Körperzellen schon im Embryo eingetreten sind. Diese betreffen genetische Faktoren, die das Wachstum der Zellen kontrollieren. Tumorerkrankungen können durch eine unkontrollierte Zellvermehrung bedingt sein, aber auch durch das Ausbleiben des natürlichen Zelltodes. Genetische Veränderungen (Mutationen) kommen regelmäßig im menschlichen Körper vor, aber nur wenige Mutationen an bestimmten Genen können zu bösartigen Erkrankungen führen. Äußere Einflüsse wie Strahlen (z.B. UV-Strahlen, Röntgenstrahlen, Radioaktivität), chemische Substanzen, Gifte oder Infektionen, die Mutationen begünstigen können, spielen für die Krebserkrankung bei Kindern eine untergeordnete Rolle (aber möglicherweise in der Schwangerschaft). Prinzipiell kann eine Tumorerkrankung in jedem Organ oder Gewebe des Körpers entstehen.
Das Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (KPOH) vernetzt das Wissen von rund 250 Experten an allein 12 Krebszentren sowie 12 kinderkrebsheilkundlichen Zentren. Es erfährt große Unterstützung durch die Deutsche Krebshilfe, die Kinderkrebsstiftung und das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Unternehmen der Pharmaindustrie gehören nicht zu den Unterstützern des KPOH.