Bürokratie bedroht deutsche Spitzenstellung in der Kinderkrebsheilkunde

Jedes Jahr erkranken rund 2.000 Kinder und Jugendliche an Krebs, von denen heute rund 80 Prozent geheilt werden können. Mit dieser Rate nimmt Deutsch­land eine Spitzenstellung im internationalen Vergleich ein. Zu ver­danken ist dieser Erfolg einer seit 25 Jahren erfolgreich durchgeführten evidenz-basierten Medizin, die sich auf die Informationen aus klinischen Studien stützt. Die weitere Entwicklung dieser Erfolggeschichte ist nun in Gefahr. Durch die Gleichstellung klinischer Studien mit Studien der pharma­­zeutischen Industrie werden der Kinderkrebsheilkunde Lasten aufgebürdet, die eine deutliche Einschränkung der Forschungsarbeit nach sich ziehen werden. Darauf hat die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) anlässlich des Deutschen Krebskongresses aufmerksam gemacht und eine schnelle Reaktion der Politik im Sinne der erkrankten Patienten und ihrer Angehörigen gefordert.

Autor:  Michael Rausch, Zuletzt geändert: 19.03.2006 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e8916

[ Berlin , 22.03.2006 ]  Konkret geht es um die Umsetzung einer EU-Direktive und die Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG), die klinischen Studien, also auch den Therapie­optimierungsstudien in der Kinderkrebsheilkunde, finanzielle und bürokratische Lasten aufladen, die notwendigerweise Mittel aus der Forschung und der Patienten­versorgung abziehen. Therapieoptimierungsstudien in der Kinderkrebs­heilkunde, so die GPOH, dienen aber nicht der Zulassung neuer Medikamente, sondern vor allem der Weiterentwicklung von Behandlungsstandards unter kontrollierten Bedingungen. Dass Kinderkrebsärzte diese Therapieoptimierungs­studien auch wegen der Ermanglung eigens für Kinder entwickelter Medikamente einsetzen müssen, ist ein weiterer Aspekt der Lage der Kinderkrebsheilkunde in Deutschland.

Zeitgleich mit der Novellierung des AMG hat die Versicherungswirtschaft die Prämien pro Patient von bislang 20-30 Euro auf künftig 500 Euro pro Patient und damit um das zwanzigfache hoch gesetzt. Bei 2.000 Neuerkrankungen pro Jahr bedeutet dies eine Gesamtbelastung von 1. Mio. Euro, die aus knappen Spenden­­mitteln genommen werden müssen und nicht mehr für Forschung zur Verfügung stehen.

Der Vorsitzende der GPOH, Prof. Dr. Heribert Jürgens, warnte die Politik vor den Konsequenzen des AMG in seiner jetzigen Fassung: „Die neue Regierung hat Bürokratieabbau und die Beseitigung administrativer Hemmnisse versprochen. Wir können nicht verstehen, warum ausgerechnet in einem Bereich, der unge­wöhn­lich erfolgreich ist und international hoch angesehen ist, so undifferenziert vorgegangen wird.“