Wenn Geschwister Ängste entwickeln

Autor:  Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 28.08.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e261098

Auch Geschwister können – ebenso wie die erkrankten Kinder – nach dem Ende der intensiven Behandlungszeit starke Ängste entwickeln, die je nach Alter unterschiedliche Bereiche betreffen können:

  • Angst vor erneuter längerer Trennung
  • Angst, dass auch sie selbst oder andere Familienmitglieder schwer krank werden können
  • Angst davor, dass die Schwester/der Bruder erneut krank wird oder gar sterben muss
  • Angst vor sonstigen Katastrophen
  • „irrationale“ Ängste beispielsweise vor Monstern und Gespenstern

Häufig machen sich solche Ängste gerade dann bemerkbar, wenn eigentlich alles wieder „gut“ und die harte, anstrengende Zeit der Therapie vorbei ist. Erst dann wird es möglich, dass auch Geschwister nicht mehr in erster Linie „funktionieren“ müssen und die ganze Familie irgendwie die Therapie hinter sich bringen will, sondern auch Raum entsteht für das, was die Krankheit an innerer Erschütterung und Bewegung ausgelöst hat. Diese Erschütterung betrifft die Geschwister ebenso wie die Eltern und das kranke Kind und ist einerseits Ausdruck der existentiellen Verunsicherung, die eine Krebserkrankung mit sich gebracht hat und andererseits ein Zeichen der Verbundenheit aller Familienmitglieder. In den meisten Fällen ist es dann nicht hilfreich, einfach nach dem „Warum“ hinter der Angst zu fragen, sondern eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und geduldig abzuwarten, bis die Kinder sich öffnen können. Auch wenn jüngere Kinder die „großen“ Fragen nach Leben und Tod oder nach dem Sinn des Lebens so noch nicht stellen (können), so weisen Ängste möglicherweise auf die Beschäftigung mit diesen Fragen hin.

Wenn solche Ängste bei den Kindern auftreten, sind Eltern oft doppelt verunsichert: Einerseits machen sie sich Sorgen darum, dass es den Kindern nicht gut geht – und andererseits spiegeln sich in den Ängsten der Kinder ja oft auch die Ängste der Eltern. Und so gerne Eltern ihre Kinder auch beruhigen möchten mit Aussagen wie „mach dir keine Sorgen, dass passiert schon nicht…“, so gut wissen sie doch auch, dass es diese Sicherheiten im Leben eben nicht (mehr) gibt.

Zunächst sollten Eltern sich Zeit nehmen, um mit ihren Kindern zu sprechen und sich genau erzählen zu lassen, wovor das Kind Angst hat. Die Angst sollte ernstgenommen werden. Eltern können gemeinsam mit ihrem Kind überlegen, wie die Familie die zurückliegenden Herausforderungen gemeistert, welche Stärken jede/r entwickelt hat und woher Hilfe und Unterstützung gekommen ist. Häufig ist der Kern solcher Ängste ja darin zu suchen, dass das Kind Angst hat, in einer Krise alleine zu sein/alleine gelassen zu werden. Wichtig ist es also darauf hinzuweisen, dass Unglück geschehen kann - dass die Familie aber trotzdem zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen wird, was auch immer geschehen kann.