Spiel – und Gestaltungspädagogik

Autor:  Katharina Kolani, Diana Sellmann, Iris Lein- Köhler, Zuletzt geändert: 19.07.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e227500

Für den Bereich Spiel- und Gestaltungspädagogik sind an deutschen Kliniken ErzieherInnen und HeilpädagogInnen zuständig, in Österreich PädagogInnen. Sie bieten den Kindern und Jugendlichen viele unterschiedliche Aktivitäten an und gehen auf deren Interessen, Alter und Möglichkeiten ein.

Begegnungs- und Spielorte sind das Patientenzimmer, ein gesondertes Spielzimmer oder auch die Stationsküche. Die ErzieherInnen und HeilpädagogInnen beraten außerdem Eltern in Erziehungsfragen und zur kindlichen Entwicklung, machen Angebote für Geschwisterkinder und gestalten den Klinikalltag möglichst abwechslungsreich.

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Im Spielzimmer wird der Klinikalltag bunt.

Unterstützung der Kinder und Jugendlichen

Um Kindern im Krankenhaus möglichst viel Normalität zu bieten, nimmt das Spielen als ihre altersgemäß wichtigste Alltagsbeschäftigung großen Raum ein. Nicht nur, weil Spielen Spaß macht, sondern vor allem, weil es die Entwicklung verschiedener Fähigkeiten und Fertigkeiten auf vielfältige Weise vorantreibt. Spielen bedeutet immer auch, zu lernen, wie man mit Herausforderungen des Lebens umgehen kann. Kinder brauchen das freie Spiel auch, um Erlebtes zu verarbeiten, da ihnen andere Möglichkeiten der Bewältigung noch fehlen. Auch in der Krankenhaussituation sind Spielerfahrungen deshalb besonders wichtig. Sowohl Kinder als auch Jugendliche nehmen in der Regel mit Begeisterung die Spiel- und Gestaltungsangebote der Erzieherinnen wahr. Hier erfahren sie Abwechslung, Ablenkung und Freude.

Dabei wechseln sich Einzelbetreuung und Gruppenaktivitäten ab. In der Eins-zu-Eins-Situation mit der Erzieherin können die Bedürfnisse des einzelnen Kindes/Jugendlichen besonders gut berücksichtigt und ihre Entwicklung gefördert werden. Bei Gruppenangeboten genießen diese auch die sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen, die außerhalb der Klinik in der Behandlungszeit nur eingeschränkt möglich sind. Beim gemeinsamen Kochen, Backen oder bei Gesellschaftsspielen und kreativem Gestalten kommen Kinder/Jugendliche miteinander ins Gespräch, tauschen sich aus und erleben die Rückmeldung einer Gruppe.

ErzieherInnen und HeilpädagogInnen auf Kinderkrebsstationen machen darüber hinaus spezielle Angebote zur Bewältigung der Behandlungssituation:

Medizinische Rollenspiele dienen dazu, Kindern Abläufe von Untersuchungen oder Behandlungen verständlich zu machen und sie auf medizinische Maßnahmen vorzubereiten. Außerdem helfen sie den PatientInnen dabei, Behandlungssituationen nachzuspielen und so belastende Erfahrungen zu verarbeiten. Kinder erkunden ihre Umwelt im Spiel ausgiebig, verstehen Zusammenhänge so besser als durch Erklärungen und können ihre Gefühle zum Ausdruck bringen.

Der Umgang mit Materialien, die sonst nur ÄrztInnen und Pflegefachkräfte verwenden dürfen, nimmt Ängste und erschließt Einflussmöglichkeiten auf Behandlungssituationen. Auch der Perspektivenwechsel (selbst Arzt/Ärztin für ein Kuscheltier oder eine Puppe zu sein) bereitet nicht nur jüngeren PatientInnen Freude und stärkt das Selbstbewusstsein.

Um Ihre Tochter/Ihren Sohn auf anstehende medizinische Maßnahmen vorzubereiten, können spezielle Spielmaterialien, Kindersachbücher und medizinische Rollenspiele genutzt werden.

Oft stellen die Kinder und Jugendlichen im Spiel oder bei kreativen Tätigkeiten Fragen zu ihrer Situation oder erzählen, wie es ihnen gerade geht und was sie beschäftigt. Die PädagogInnen hören zu und suchen mit den Kindern nach Antworten.

ErzieherInnen vertreten die Interessen der Kinder und Jugendlichen gegebenenfalls auch bei Eltern und im Behandlungsteam oder leiten dazu an, Fragen selbst an die Erwachsenen zu stellen und Bedürfnisse zu benennen.

ErzieherInnen und HeilpädagogInnen wirken oft als Schnittstelle zwischen Kindern/Jugendlichen, ÄrztInnen, Pflegfachpersonen, Eltern und dem übrigen Psychosozialen Team.

Während der langen Behandlungszeit ist es insbesondere für jüngere Kinder, deren Zeitverständnis noch nicht ausreichend entwickelt ist, eine große Hilfe, zu sehen, wie sie vorankommen und was sie schon alles geschafft haben. In vielen Kliniken gibt es dafür spezielle Angebote wie die „Mutperlenkette“ (für jede medizinische Maßnahme, für jeden Therapiefortschritt gibt es eine besondere Perle zum Auffädeln auf die immer länger und bunter werdende Kette), Therapietagebücher oder -kalender. Diese dienen den Familien auch in der Nachsorge als Erinnerung an den Behandlungsverlauf.

Die Deutsche Kinderkrebsstiftung fördert das Mutperlen-Projekt. Das Motto der Mutperlen lautet: Belohnen und erinnern.

Besprechen Sie mit den Erzieherinnen, welche Möglichkeiten es gibt, die Behandlungsfortschritte Ihrer Tochter/Ihres Sohnes anschaulich und kindgerecht zu dokumentieren.

ErzieherInnen und HeilpädagogInnen sind dafür ausgebildet, genau zu erkennen, an welchem Punkt seiner sprachlichen, motorischen, kognitiven, sozialen oder emotionalen Entwicklung sich Ihr Kind gerade befindet und wie es in diesen Bereichen gefördert werden kann. Sie machen den Kindern passende Angebote und leiten Eltern dazu an, wie sie ihre Tochter/ihren Sohn durch Beschäftigungen und Spiel in ihrer/seiner Entwicklung unterstützen können.

Nutzen Sie die von den ErzieherInnen/HeilpädagogInnen angebotenen Gelegenheiten, Ihre Tochter/Ihren Sohn in ihrer/seiner Entwicklung voranzubringen.

Im Spielzimmer stehen viele Materialien zur Beschäftigung, zum Spielen und Basteln zur Verfügung, die es den Kindern und Jugendlichen ermöglichen, sich von der anstrengenden Behandlung zu erholen, aufzutanken und fröhliche, entspannte Zeiten zu erleben.

Lassen Sie sich von den ErzieherInnen Spiele und Materialien empfehlen und nutzen Sie diese gemeinsam mit Ihrem Kind auch im Patientenzimmer, abends oder daheim.

Unterstützung der Eltern

Eltern verbringen auf der Station mehr Zeit mit ihren Kindern als daheim üblich. Diese Intensität kann als neue Erfahrung gemeinsamen Erlebens empfunden werden, aber auch als Belastung. Auch oder gerade weil an vielen Tagen in der Klinik nichts Aufregendes geschieht, ist das sehr anstrengend. Oft gönnen sich Eltern zu wenig Pausen, schlafen schlecht und lernen erst nach und nach, wie viel mütterliche oder väterliche Aufmerksamkeit das Kind gerade braucht und wie sie das mit den eigenen Grundbedürfnissen in Einklang bringen können.

ErzieherInnen bieten folgende Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern an:

Gerade bei längeren stationären Aufenthalten brauchen Eltern auch Freiraum für sich selbst oder Zeit, um verschiedene Dinge zu organisieren. Wenn Eltern in Ruhe telefonieren wollen, eine Auszeit brauchen (Kaffee trinken, Spazierengehen, Abschalten), übernehmen die ErzieherInnen gern die Betreuung der Kinder/Jugendlichen im Patientenzimmer oder im Spielzimmer. Die Zeiten, wenn die Kinder und Jugendlichen mit der Erzieherin beschäftigt sind, können auch für die Wahrnehmung von Gesprächsterminen mit ÄrztInnen, PsychologInnen oder der Sozialberatung genutzt werden. Den meisten Kindern tun „elternfreie“ Zeiten gut, denn die ständige Anwesenheit eines Elternteils ist für sie ungewohnt.

Schaffen Sie sich Freiräume und gewähren Sie Ihrem Kind „elternfreie“ Zeit: Nutzen Sie das Angebot der ErzieherInnen, Sie bei der Betreuung Ihres Kindes zu unterstützen.

Dass sich Eltern und Kinder jeder für sich mit ihrem Tablet oder Handy beschäftigen, ist nur eine von vielen Möglichkeiten, damit die Zeit im Krankenhaus schneller vergeht. Der Klinikalltag wird lebendig und bunt, wenn sie gemeinsam mit ihren Kindern neue Spiele ausprobieren, Geschichten lesen, Musik hören oder Bastelprojekte verwirklichen.

Sie können von den ErzieherInnen Spiele, Bücher, Bastelmaterialien und Anregungen erhalten und so die Zeit auf der Station mit angenehmen, gemeinsamen Aktivitäten füllen.

Oft gibt es Unsicherheiten, inwieweit beispielsweise Familienregeln trotz Krankheit aufrechterhalten werden sollten. Eltern fragen sich, was sie Ihrem erkrankten Kind zumuten dürfen und sollten oder wie sie mit Geschwisterrivalitäten umgehen können. Als pädagogische Fachkräfte werden die ErzieherInnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, Literatur empfehlen und gegebenenfalls den Kontakt zum Psychologen oder zur Psychologin herstellen.

Die psychosozialen MitarbeiterInnen stehen Ihnen bei Fragen zur Erziehung gerne beratend zur Verfügung.

Unterstützung der Geschwister

Wenn der Besuch von Geschwistern auf der Station erlaubt ist, werden sie von den Erzieherinnen in die pädagogischen Angebote soweit wie möglich eingebunden. Das stärkt nicht nur die Geschwisterbeziehung, sondern stellt eine Wertschätzung für das Geschwisterkind dar, das als gesundes Kind in den Hintergrund geraten kann. Auch für Fragen der Geschwister zu den Abläufen im Krankenhaus, den Untersuchungen und nicht zuletzt der Erkrankung ihrer Schwester/ihres Bruders sind die psychosozialen MitarbeiterInnen ansprechbar.

Geschwister werden in die Angebote im Spielzimmer eingebunden, in ihren Bedürfnissen wahrgenommen und können die Abläufe im Krankenhaus kennenlernen.

Organisatorische Aufgaben im Stationsalltag

ErzieherInnen und HeilpädagogInnen sind für die Gestaltung eines kinderfreundlichen Stationsalltags verantwortlich, kümmern sich um die Beschaffung von Spiel- und Bastelzubehör, sorgen für die Einhaltung der Hygienestandards für alle Materialien und organisieren besondere Ereignisse.

Sie planen ihre Angebote im Jahreskreislauf: Besondere Feste (wie Halloween, Weihnachten, Fasching, Ostern) werden auf der Station gebührend gefeiert. Dazu basteln die Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit den ErzieherInnen und schmücken Wände, Türen und Fenster im Spielzimmer, auf der Station und im Patientenzimmer. So sorgen sie für die entsprechende Stimmung und bereiten häufig besondere Aktivitäten oder passende Leckereien für die Feiern vor.

Manchmal werden besondere Gäste eingeladen (Zauberkünstler, Nikolaus, Karnevalsverein) oder Events vorbereitet (Kinderschminken, Puppentheater). Diese besonderen Tage sind eine willkommene Abwechslung für alle. Auch wenn die Station beispielsweise Besuch von Prominenten bekommt, sind meist die ErzieherInnen mit der Vorbereitung betraut.

Besondere Anlässe werden gemeinsam mit den Kindern/Jugendlichen vorbereitet und begangen.