Wie umgehen mit den Gefühlen?

Autor:  Iris Lein-Köhler, Barbara Grießmeier, Zuletzt geändert: 03.07.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e227285

Mit Gefühlen umgehen heißt zunächst, sie einfach zu fühlen und wahrzunehmen. Auch wenn Gefühle sehr heftig und unangenehm sein können – sie stellen keine Bedrohung dar. Gefühle sind als Begleiter zu verstehen oder als Besucher, die Wege eröffnen, auf nächste Schritte hinweisen – sie werden nicht bleiben.

Auch wenn die emotionalen Reaktionen nach der Diagnose schwer auszuhalten und sehr intensiv sein können, werden sie sich mit dem Vertrautwerden in der Klinik verändern. Die heftigen Schwankungen lassen allmählich nach und Sie werden künftig mit den dann schon bekannten Situationen viel gelassener umgehen können und sich auf alles Neue, Fremde einstellen.

Die eigenen Emotionen wahrzunehmen, zuzulassen, zu erkennen und zu erkunden sind wichtige Schritte, um freundlich mit sich selbst umzugehen und das innere Gleichgewicht bald zurückzugewinnen. Es braucht einigen Mut, sich den eigenen Gefühlen zuzuwenden, sie einerseits nicht abzuwerten und andererseits nicht alles davon bestimmen zu lassen.

Mit intensiven Gefühlen umgehen

Der Umgang mit Gefühlen ist eigentlich relativ einfach: Sie wollen gefühlt werden. Nicht mehr und nicht weniger. Ob sie schön sind oder nicht, ist dabei nebensächlich. Sind sie sehr stark, ist das ein Zeichen für einen sehr intensiven Moment. Und doch begegnet jeder Mensch schwierigen Situationen in seiner Weise, mit allen Stärken, Schwächen und Erfahrungen des bisherigen Lebens. Hier finden Sie einige Tipps, wie Sie schneller den Boden unter den Füßen zurückgewinnen können:

Das heißt nicht, dass man etwas gut findet, was in Wahrheit schwierig, beängstigend oder traurig ist. Es geht darum, zu erkennen, was gerade Fakt ist und nicht zu ändern. Wenn man einem Gefühl erlaubt, zu sein, wie es ist, beginnt es schon weniger belastend zu sein und kann langsam abklingen.

Schon nach einer kurzen Weile aufmerksamen Beobachtens der eigenen Emotionen sinkt der Erregungspegel.

Verwenden Sie Vergleiche, Adjektive, Bilder, Farben, gegebenenfalls auch Schimpfworte, um Ihre Gefühle besser kennenzulernen („Aha, ich bin gerade…“).

Wenn Sie sich auf das Ausatmen konzentrieren und länger aus- als einatmen, können Sie sich etwas beruhigen.

Erinnern Sie sich daran, was Ihnen bisher geholfen hat, wenn Sie aufgeregt waren. Vielleicht haben Sie schon einmal geglaubt, etwas nicht zu schaffen und dann doch die Kraft dafür aufgebracht.

Es kostet viel Kraft, mit aufwühlenden Emotionen allein zurechtzukommen. Nicht, dass Sie das nicht schaffen könnten, aber Sie brauchen Ihre Kraft für die Begleitung Ihrer Tochter/Ihres Sohnes Lassen Sie sich also vom Behandlungsteam unterstützen. Die Psychologin beispielsweise kann Ihnen dabei helfen, Ihre Gefühle zu ordnen und den Blick nach vorn zu richten.

Grenzen Sie sich von den Emotionen in Ihrem Umfeld ab und konzentrieren Sie sich auf sich selbst und Ihr Kind.

Probieren Sie aus, ob Ihnen Tagebuchschreiben Erleichterung bringt oder eine feste und begrenzte Zeit im Tagesablauf, in der Sie Ihren Gefühlen und Gedanken volle Aufmerksamkeit widmen.

Gefühle mit anderen zu teilen, sich Menschen zugehörig zu fühlen, die durch schwierige Zeiten tragen und Ihnen zuhören, kann erleichternd sein.

Bewegung hilft beim Abbau von Anspannung und ermöglicht dem Körper, Stresshormone abzubauen.

Ungünstiger Umgang mit unangenehmen Gefühlen

Wir haben im Laufe des Lebens auch gelernt, dass der freie Ausdruck von Gefühlen nicht immer passend oder erwünscht ist und Strategien entwickelt, wie wir sie vor anderen verbergen können. Unangenehme Gefühle wollen wir schnellstmöglich loswerden und ihnen ungern Aufmerksamkeit schenken. Gefühle die wir loswerden wollen, nehmen uns allerdings meistens erst recht in Beschlag.

Einige Beispiele für einen eher ungünstigen Umgang mit unangenehmen Gefühlen:

  • unterdrücken durch Aktivitäten oder Ablenkung
  • betäuben mit Mitteln wie Alkohol, Medikamenten oder Drogen
  • Rückzug von anderen, damit niemand sieht, wie es einem geht
  • übertriebenes Sicherheitsverhalten, um Angst zu kontrollieren
  • verdrängen und vermeiden
  • dagegen ankämpfen erzeugt Anspannung und Unruhe
  • sich in den Gefühlen verlieren, sich hineinsteigern durch Fantasien über das, was kommen könnte und Gedankenkreisen, Grübeln
  • Angst vor Gefühlen aus Sorge, sie nicht auszuhalten oder davor, die Fassung zu verlieren

Darf mein Kind merken, wie es mir geht?

Manche Eltern glauben, sie könnten ihre Gefühle vor ihrem Kind verbergen. Das ist eine Illusion. Ihr Kind kennt Sie so gut, dass es in jedem Fall spürt, wie es Ihnen geht. Leben Sie vor, wie man sich beruhigen und unangenehme Empfindungen vorübergehen lassen kann. Benennen Sie ihre und die Empfindungen Ihres Kindes wahrheitsgemäß. So kann Ihre Tochter/Ihr Sohn einerseits viel über die verschiedenen Emotionen lernen, seine eigenen Gefühle besser verstehen und erfahren, dass es erleichternd sein kann, sie auf verschiedene Weise auszudrücken: im Gespräch, im Spiel, bei kreativen Beschäftigungen. Kinder beobachten ihre Eltern genau: Sie sind Ihrer Tochter/Ihrem Sohn Vorbild und Orientierungshilfe im Umgang mit krisenhaften Situationen und den damit verbundenen Emotionen.

Am Bett Ihres Kindes sollten Sie allerdings den Gefühlen nicht unbedingt freien Lauf lassen. Wenn Ihnen die Tränen kommen, erklären Sie, was gerade los ist und dass es Ihnen bald wieder bessergehen wird. Suchen Sie sich einen geschützten Ort, um sich Ihren Gefühlen zu stellen und sich zu beruhigen. Erinnern Sie sich daran, was Ihnen schon immer in angespannten oder aufregenden Situationen geholfen hat: eine kleine Auszeit, ein Schluck zu trinken, ein paar Schritte an der frischen Luft, tiefes Atmen, die Konzentration darauf, was jetzt gerade wichtig ist.

Kinder können Schuldgefühle entwickeln, wenn sie glauben, dass es ihren Eltern „ihretwegen und wegen ihrer Krankheit“ schlecht geht. Zeigen Sie Ihrer Tochter/Ihrem Sohn, dass Sie klarkommen und nach einer kleinen Auszeit zur Selbstberuhigung wieder ganz für sie/ihn da sind.

Wie kann mein Kind mit seinen Gefühlen zurechtkommen?

Sich zu beherrschen und Emotionen nicht offen zu zeigen, gilt allgemein als erstrebenswert. Kinder brauchen es für ihre emotionale Entwicklung, dass sie alle Emotionen zum Ausdruck bringen dürfen. Sie können noch nicht vorhersehen, dass der Moment und das intensive Gefühl vorbeigehen. Eltern sind Halt, Trost und Schutz, wenn heftige Gefühle erlebt werden. Helfen Sie Ihrer Tochter/Ihrem Sohn dabei, ihre/seine Gefühle kennenzulernen und sie vorübergehen zu lassen.

Benennen Sie, welche Gefühle Sie bei Ihrem Kind wahrnehmen, regen Sie dazu an, sie auszudrücken und setzen Sie aber auch Grenzen, wenn beispielsweise Wut in Schlagen mündet. Machen Sie Ihrem Kind Mut und versichern Sie ihm, dass Sie ihm beistehen. Das Psychosoziale Team wird Sie dazu beraten, wie Sie Ihr Kind am besten unterstützen können. Es gibt eine Fülle therapeutischer Materialien, die Kinder dabei unterstützen, ihre Gefühle besser kennenzulernen und zu regulieren