Vinblastin (VBL)
Der folgende Text informiert über Anwendung, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen des Vinblastins sowie darüber, welche Wechselwirkungen mit anderen Substanzen auftreten können und in welchen Fällen Vinblastin nicht oder nur eingeschränkt verabreicht werden darf.
Autor: Julia Dobke, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 30.07.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e286046
Inhaltsverzeichnis
- Anwendung: Wie wird Vinblastin angewendet?
- Wirkung: Wie wirkt Vincristin?
- Nebenwirkungen: Welche Begleiterscheinungen können während oder nach der Behandlung mit Vinblastin auftreten?
- Wechselwirkungen: Mit welchen anderen Medikamenten / Substanzen kann Vinblastin interagieren?
- Gegenanzeigen: Wann darf Vinblastin nicht angewendet werden?
Anwendung: Wie wird Vinblastin angewendet?
Vinblastin wird, zum Teil in Kombination mit weiteren gegen Krebs wirksamen Arzneimitteln, bei der Behandlung des Anaplastisch großzelligen Lymphoms (ALCL), der Langerhanszell-Histiozytose (LCH) und Tumoren verwendet. Es wird ausschließlich als Kurzinfusion [siehe Infusion] in eine Vene (intravenös, i.v.) verabreicht.
Achtung: Die intrathekale Verabreichung von Vinblastin hat tödliche neurotoxische Wirkungen zur Folge.
Wirkung: Wie wirkt Vincristin?
Vinblastin gehört zu der Substanzgruppe der Vincaalkaloide. Vincaalkaloide kommen in immergrünen Pflanzen vor und verhindern, dass sich bei der Zellteilung der Spindelapparat funktionsfähig aufbaut. Dadurch kann sich das bereits verdoppelte Erbmaterial nicht mehr auf die beiden neu entstandenen Zellen verteilen und die Ursprungszelle stirbt ab, ohne sich erfolgreich geteilt zu haben. Heute werden Vincaalkaloide hauptsächlich synthetisch hergestellt.
Vinblastin wird in der Leber verstoffwechselt. Bei eingeschränkter Leberfunktion muss die Dosis eventuell veringert werden.
Nebenwirkungen: Welche Begleiterscheinungen können während oder nach der Behandlung mit Vinblastin auftreten?
Im Folgenden sind nur die sehr häufig bis häufig und gelegentlich auftretenden Nebenwirkungen dargestellt. (Definition: aufgetretene Fälle pro Anzahl der Behandelten)
Sehr häufig: mehr als 1 von 10; häufig: mehr als 1 von 100; gelegentlich: mehr als 1 von 1000; selten: mehr als 1 von 10 000; sehr selten: weniger als 1 von 10 000.
Für mehr Informationen zu den selten bis sehr selten auftretenden Nebenwirkungen informieren Sie sich bitte in den Fach- und Gebrauchsinformationen des jeweiligen Herstellers.
Sehr häufige Nebenwirkungen
Haut
Es kommt unter der Behandlung mit Vinblastin sehr häufig zu Haarausfall (Alopezie). Das Haar wächst nach Ende der Therapie wieder nach.
Häufig auftretende Nebenwirkungen
Nervensystem
Das Nervensystem ist am häufigsten von unerwünschten Nebenwirkungen des Vinblastins betroffen, meist in Abhängigkeit von der verabreichten Dosis, der Dauer der Anwendung und vom Alter des Patienten. Eine bereits bestehende neuromuskuläre Erkrankung (z.B. vererbliche Neuropathie vom Typ Charcot-Marie-Tooth oder hereditäre motorisch-sensible Neuropathie) kann eine Gegenanzeige für die Verwendung von Vinblastin darstellen.
Zu Beginn zeigen sich diese Nebenwirkungen oft als Störungen der Hautsensibilität und als eine unangenehme, manchmal schmerzhafte Körperempfindung mit Kribbeln, Taubheit, Einschlafen der Glieder und/oder Störungen der Kälte- und Wärmewahrnehmung.
Wenn Hirnnerven betroffen sind, kann es zu einer Schwäche der Kehlkopfmuskulatur, Heiserkeit und Stimmbandlähmung kommen. Es können Gesichtslähmungen (hängender Mundwinkel) oder Sehstörungen (verschwommenes Sehen, Doppelbilder) auftreten.
Als Folge der Nervenschädigung, die auch die Nerven des Darms betreffen kann, kommt es häufig zu Verstopfungen. Während der Therapie mit Vinblastins ist unbedingt auf regelmäßigen – das heißt täglichen –Stuhlgang zu achten. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Darmverschluss (paralytischer Ileus), insbesondere bei jüngeren Kindern.
Sind Nerven der Blasenmuskulatur betroffen, kann es zu Störungen bei der Harnentleerung kommen; dies ist bei Kindern allerdings extrem selten (siehe auch Abschnitt "Harnwege")
Bei den meisten Patienten bilden sich die neurologischen Nebenwirkungen nach Ende der Vinblastin-Therapie wieder zurück.
Magen-Darmtrakt
Häufig kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung (siehe Nervensystem) und Bauchschmerzen.
Geschlechtsdrüsen / Zeugungsfähigkeit (Fertilität)
Bei männlichen Patienten: Wenn Vinblastin zusammen mit anderen Zytostatika wie Prednison, Cyclophosphamid oder Procarbazin verabreicht wird, ist damit zu rechnen, dass Störungen der Samenbildung auftreten, die mit einer anhaltend verminderten Spermienzahl (Oligospermie) oder einem gänzlichen Fehlen von Spermien in der Samenflüssigkeit (Azoospermie) einhergehen.
Zum Teil lassen sich diese Störungen nicht mehr rückgängig machen. Männliche Jugendliche sollten sich daher, wenn möglich, vor Beginn der Therapie über die Möglichkeit einer Spermakonservierung beraten lassen. Weitere Informationen zu therapiebedingten Fruchtbarkeitsstörungen finden Sie hier.
Gelegentlich auftretende Nebenwirkungen
Knochenmark
Nach der Gabe von Vinblastin kommt es nur gelegentlich zu schweren Knochenmarkstörungen (Knochenmarkdepression), die eine Blutarmut (Anämie), einen Mangel an weißen Blutkörperchen (Leukozytopenie, Neutrozytopenie) und einen Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) zur Folge haben können. Eine Leukozytopenie ist mit einer erhöhten Infektanfälligkeit, eine Thrombozytopenie mit einer Neigung zu blauen Flecken und Blutungen verbunden.
Wenn die Leukozyten einen bestimmten wert unterschreiten, sollte die Therapie deswegen verschoben werden, bis der Wert sich erholt hat,um schwerwiegenden Infektionen vorzubeugen.
Harnwege
Vinblastin kann gelegentlich zu Schwierigkeiten bei der Entleerung der Harnblase führen (schmerzhaftes, häufiges oder erschwertes Wasserlassen). Ursache hierfür ist eine Nervenschädigung (siehe Nervensystem).
Magen-Darmtrakt
Durch die Behandlung mit Vinblastin kann es gelegentlich zu Appetitlosigkeit (Anorexie), Gewichtsabfall, Durchfall (Diarrhö) und verminderter Darmfunktion aufgrund einer Lähmung kommen (paralytischer Ileus, siehe Nervensystem oben ), insbesondere bei jüngeren Kindern.
Gehör
Es ist gelegentlich zu Taubheit nach der Therapie mit Vinblastin gekommen.
Nervensystem
Vereinzelt wurde bei Kindern nach der Gabe von Vinblastin über das Auftreten von Krampfanfällen mit anschließendem Koma berichtet.
Zweittumoren (Zweitmalignome)
Nach der Behandlung mit Vinblastin in Kombination mit anderen Zytostatika kann es auch viele Jahre nach der Behandlung zum Auftreten von Zweittumoren kommen. Mehr zu therapiebedingten Zweittumoren erfahren Sie hier.
Das Deutsche Kinderkrebsregister erfasst alle Zweiterkrankungen bei Kindern, die im Alter von unter 15 beziehungsweise 18 Jahren zum ersten Mal an Krebs erkrankt sind. Dort finden Sie auch nähere Informationen.
Wechselwirkungen: Mit welchen anderen Medikamenten / Substanzen kann Vinblastin interagieren?
Vinblastin kann mit anderen, im Rahmen der Therapie eingesetzten Substanzen in Wechselwirkung treten und unerwünschte Folgen haben, die bei der Behandlung entsprechend berücksichtigt werden müssen. Die wichtigsten Substanzen und ihre Wechselwirkungen mit Vinblastin sind im Folgenden aufgeführt. Die Erläuterung der Wechselwirkungen beschränkt sich auf Substanzen, die in der Kinderheilkunde angewendet werden können:
- Erythromycin, Itraconazol (Sempera) und Cyclosporin: Diese Medikamente können aufgrund ihrer Wirkweise eine langsamere Verstoffwechselung von Vinblastin im Körper bewirken. Das kann zu einer Verstärkung der Nebenwirkungen führen.
- Phenytoin: Die Krampfanfallvorbeugung mit dem Medikament Phenytoin wird bei gleichzeitiger Gabe von Vinblastin beeinträchtigt. Deswegen wird empfohlen, diese Kombination zu vermeiden beziehungsweise eine regelmäßige Kontrolle des Phenytoinspiegels im Blut durchzuführen.
- Asparaginase sollte mindestens 12 bis 24 Stunden vor Vinblastin gegeben werden, da die Leber sonst nicht in der Lage ist, das Vincristin ausreichend schnell abzubauen.
- Digoxin: Bei gleichzeitiger Gabe von Digoxin (zum Beispiel bei chronischer Herzschwäche) kann der Digoxinspiegel im Blut vermindert werden. Eine Anpassung der Digoxindosis kann daher notwendig sein.
- Bestrahlung: Eine gleichzeitig stattfindende Strahlentherapie kann die neurologischen Nebenwirkungen des Vinblastins verstärken.
- Andere Zytostatika: Bei gleichzeitiger Anwendung von Vincristin und anderen Zytostatika (Kombinations-Chemotherapie) muss mit einer Wirkungsverstärkung sowie mit verstärkten Nebenwirkungen gerechnet werden.
Gegenanzeigen: Wann darf Vinblastin nicht angewendet werden?
Vinblastin darf nicht angewendet werden:
- bei bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einer seiner sonstigen Bestandteile.
- bei bestehender nervenbedingter Muskelerkrankung (zum Beispiel Myasthenia gravis, Spastik).
- bei ausgeprägter Knochenmarkdepression (nach Erholung kann die Therapie fortgesetzt werden).
- bei einer bestehenden schweren Verstopfung oder bei Vorliegen eines Darmverschlusses.
- bei Patienten, die eine Strahlentherapie unter Einbeziehung der Leber erhalten.
- bei einer bestehenden Schwangerschaft, denn Vinblastin kann erbgut- und fruchtschädigend wirken. Bei lebensnotwendiger Indikation zur Behandlung einer schwangeren Frau sollte eine medizinische Beratung über das mit der Behandlung verbundene Risiko einer schädigenden Wirkung auf das Kind erfolgen. Männern und Frauen wird empfohlen, während und bis zu sechs Monate nach der Behandlung kein Kind zu zeugen beziehungsweise nicht schwanger zu werden.
Quellen: Fach- und Gebrauchsinformationen der Hersteller; Stiftung Warentest: Medikamente im Test: Krebs
