Spätfolgen an den Nieren
Dieser Text bietet Informationen zu Spätfolgen an den Nieren, die durch eine Krebstherapie im Kindes- und Jugendalter auftreten können. Thematisiert werden u.a. Ursachen und Symptome dieser Langzeitfolgen, Krankheitsbilder, Nachsorgeempfehlungen und -untersuchungen sowie mögliche Vorsorge- und Behandlungsmaßnahmen.
Autor: Christine Vetter†, Maria Yiallouros, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. Thorsten Langer, Zuletzt geändert: 27.05.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e131789
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Mögliche Ursachen von Spätfolgen
- Krankheitsbilder
- Symptome einer Nierenschädigung
- Risikofaktoren auf einen Blick
- Bei welchen Krebskrankheiten können therapiebedingt Spätfolgen an den Nieren auftreten?
- Nachsorgeempfehlungen und -untersuchungen
- Vorsorgemaßnahmen für den Erhalt der Nierengesundheit
- Behandlung von Spätfolgen an den Nieren
Überlebende einer Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter haben, je nach Erkrankung und Behandlung, ein lebenslang erhöhtes Risiko für Erkrankungen der Niere sowie der ableitenden Harnwege, insbesondere nach einer Behandlung von Tumoren in der Bauchregion mit so genannten multimodalen Behandlungen.
Einleitung
Der Mensch besitzt im Normalfall zwei Nieren. Sie liegen links und rechts der Wirbelsäule im hinteren Bauchraum. Zu den Hauptaufgaben der Nieren gehört es, das Blut zu filtern. Sie kontrollieren dabei zum einen den Wasser- und Mineralstoffhaushalt des Körpers, zum anderen bringen sie Abfallprodukte des Stoffwechsels mit dem Urin (Harn) zur Ausscheidung.
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, besitzt jede Niere etwa eine Million Nephrone. Jedes Nephron besteht aus einem Filterelement, dem so genannten Nierenkörperchen, und einem sich daran anschließenden Kanalsystem, dem Nierenkanälchen (Tubulus).

(© 7activestudio - Fotolia.com)
Nephron, bestehend aus Nierenkörperchen und Nierenkanälchen
Im Bereich des Nierenkörperchens – es setzt sich aus einem Knäuel feiner Blutgefäße (Kapillaren), dem so genannten Glomerulus, und einer umgebenden schalenförmigen Struktur (Bowman-Kapsel) zusammen – wird kontinuierlich der Primärharn aus dem Blut gefiltert. Beide Strukturen bilden gemeinsam die Blut-Harn-Schranke.
Der Primärharn besteht vor allem aus Wasser und darin gelösten kleinen Molekülen (zum Beispiel Elektrolyten, Aminosäuren, Glukose, Harnstoff) und entspricht damit in seiner Zusammensetzung ungefähr dem Blutplasma. Große Moleküle (wie Blutkörperchen und Proteine) können den Filter, das heißt, die Blut-Harn-Schranke, nicht passieren.
Auf dem Weg durch die Nierenkanälchen werden bestimmte, für den Körper wertvolle Stoffe aus diesem Primärharn wieder in den Blutkreislauf zurückgeholt, darunter Nährstoffe (wie Aminosäuren, Glukose, Elektrolyte) und der größte Teil (99 %) des Wassers und der Salze. Gleichzeitig werden nicht mehr benötigte oder giftige Substanzen (Stoffwechselendprodukte wie Harnsäure, Harnstoff, Medikamente) direkt vom Blut ins Filtrat abgegeben. Auf diese Weise entsteht der eigentliche Harn (auch Sekundär- oder Endharn genannt). Er sammelt sich im Nierenbecken und wird über den Harnleiter zur Harnblase geleitet.
Die Nieren bilden bei Erwachsenen täglich etwa 180 Liter Primärharn. Nur etwa ein Prozent davon (1,5 Liter) gelangt als Sekundärharn in die Harnblase und wird als Urin ausgeschieden. Ein wichtiger Wert zur Abschätzung der Nierenfunktion ist die so genannte glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Sie gibt die Blutmenge an, die pro Zeiteinheit durch die Gesamtheit der Glomeruli der vorhandenen Nieren gefiltert wird und entspricht damit der Bildungsrate des Primärharns. Auch der Proteingehalt im Urin kann Hinweise auf eine beeinträchtigte Nierenfunktion bieten.
Gut zu wissen: Die Nieren haben – neben ihrer Ausscheidungsfunktion und ihrer Rolle bei der Aufrechterhaltung des Wasser- und Salzhaushalts – vielfältige weitere Aufgaben. Sie bilden zum Beispiel Hormone, die dafür sorgen, dass der Blutdruck reguliert wird und dass rote Blutzellen im Knochenmark gebildet werden. Auch am Knochenstoffwechsel sind die Nieren (durch die Aktivierung von Vitamin D) beteiligt.
Aufgaben der Nieren im Überblick
- Ausscheidung von Endprodukten des Stoffwechsels (so genannte harnpflichtige Substanzen wie Harnsäure, Harnstoff, Kreatinin) und von Giftstoffen (zum Beispiel Medikamente) durch Bildung des Harns, der schließlich über die Harnwege aus dem Körper ausgeschieden wird
- Regulierung des Wasserhaushalts im Körpers und dadurch Beeinflussung des Blutdrucks
- Regulierung des Mineralstoffhaushalts im Körper und des Säure-Basen-Haushalts (durch Kontrolle der Zusammensetzung des Harns)
- Bildung von Hormonen, zum Beispiel Erythropoetin für die Blutbildung; Renin für die Regulierung des Blutdrucks
- Abbauort von Peptidhormonen
Mögliche Ursachen von Spätfolgen
Sowohl eine Chemotherapie mit bestimmten Medikamenten als auch eine Strahlentherapie im Nierenbereich können die Niere schädigen. Wenn beide Therapieformen in Kombination eingesetzt werden, erhöht sich das Risiko einer Nierenschädigung. Auch eine tumorbedingte Operation im Bereich der Niere, vor allem eine Nierenentfernung, kann langfristig, das heißt über Jahrzehnte, zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen.
Chemotherapie
Bestimmte Medikamente, die bei der Chemotherapie eingesetzt werden, können sowohl die Nierenkörperchen (mit ihren Glomeruli) als auch die Nierenkanälchen schädigen. Das Filtersystem der Niere kann dadurch so gestört sein, dass Stoffe, die eigentlich im Körper noch gebraucht werden, mit dem Urin ausgeschieden werden, während andererseits Substanzen, die zur Ausscheidung gelangen sollten (wie Abfallprodukte und Giftstoffe), im Körper bleiben und dort Schaden anrichten (siehe auch Abschnitt "Krankheitsbilder")
Zu den wichtigsten nierenschädigenden Zytostatika zählen platinhaltige Medikamente (Cisplatin, Carboplatin) und Ifosfamid.
Platinderivate wirken sich vor allem auf die Nierenkörperchen (Glomeruli) aus. Sie beeinträchtigen deren Filtrationsleistung und so die Bildung des Primärharns; eine verringerte glomeruläre Filtrationsleistung (GFR) kann als Hinweis dienen (siehe auch vorheriges Kapitel). Cisplatin wirkt insgesamt toxischer als Carboplatin. Daher versucht man, Cisplatin zunehmend durch Carboplatin zu ersetzen, wenn dadurch der Therapieerfolg nicht beeinträchtigt wird.
Ifosfamid schädigt hingegen vorwiegend die Zellen der Nierenkanälchen (Tubuli), wodurch diese ihre Aufgaben bei der Rückgewinnung wichtiger Nährstoffe nicht mehr wahrnehmen können. Nierenfunktionsstörungen nach Ifosfamid-Behandlung können von leichten Funktionsstörungen (Tubulopathien) bis hin zum Vollbild eines so genannten Fanconi-Syndroms reichen, bei dem der Körper über den Urin übermäßig viele Nährstoffe und Mineralien (wie Glukose, Eiweiße, Phosphat, Bikarbonat) verliert.
Neben den oben genannten Medikamenten können auch einzelne andere Zytostatika (wie Cyclophosphamid, Methotrexat, Melphalan, Lomustin und Temozolomid) zu Nierenfunktionsstörungen führen. Das gilt vor allem dann, wenn sie in hoher Dosierung verabreicht werden, beispielsweise im Rahmen einer Hochdosis-Chemotherapie und/oder bei der Behandlung eines Krankheitsrückfalls. Auch manche Antibiotika sowie Medikamente, die zur Behandlung von Abstoßungsreaktionen eingesetzt werden, können die Nierenfunktion beeinträchtigen.
Strahlentherapie
Eine Strahlentherapie im Bereich der Nieren oder im Bauchbereich sowie eine Ganzkörperbestrahlung können in manchen Fällen ebenfalls eine Nierenschädigung verursachen. Dies gilt vor allem dann, wenn (dabei) größere Nierenareale bestrahlt werden müssen und eine Strahlendosis von 20 Gray (Gy) und mehr notwendig sind. Die Strahlentherapie kann zu Zelluntergang, Gewebeentzündung und bindegewebige Verhärtung (Fibrose) führen und somit die Funktion der Nieren einschränken. Auch die Nierengefäße können, zum Beispiel durch arteriosklerotische Veränderungen, betroffen sein [siehe Arteriosklerose]. Wenn die Bestrahlung mit einer Chemotherapie kombiniert wird, können bereits geringere Strahlendosen nierenschädigend sein.
Operation / Entfernung einer Niere
Ein Nierentumor und dessen chirurgische Entfernung können – durch den Verlust von Nierengewebe – ebenfalls zu Beeinträchtigungen der Nierenfunktion führen. Im Falle eines Nephroblastoms, dem häufigsten Nierentumor im Kindes- und Jugendalter, wird in der Regel der Tumor mitsamt der (stärker) befallenen Niere komplett entfernt (so genannte Tumor-Nephrektomie). Zwar vergrößert sich die verbliebene Niere in den darauffolgenden Wochen und Monaten und übernimmt schließlich die Funktion der verlorenen Niere. Langfristig ist es jedoch besonders wichtig, dass diese Niere im Laufe des Lebens nicht ebenfalls geschädigt wird, beispielsweise durch eine chronische Entzündung. Der Verlust einer Niere stellt somit immer einen zusätzlichen Risikofaktor für die Wahrscheinlichkeit späterer Nierenprobleme dar.
Krankheitsbilder
Die Therapie kann die Nierenfunktioin auf verschiedene Weise beeinträchtigen und so zu unterschiedlichen Krankheitsbildern führen. Ort und Ausmaß der Schädigung spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Glomeruläre Dysfunktion
Eine Schädigung der Nierenkörperchen kann zur Folge haben, dass die Filter für größere Eiweiße (Proteine) oder auch rote Blutkörperchen durchlässiger werden, so dass diese nun ungehindert passieren können und dem Körper dadurch verloren gehen. Im Urin befindet sich dann zu viel Eiweiß (so genannte Proteinurie) oder Blut (Hämaturie). Zu viel Protein im Urin führt zu einem erheblichen Proteinmangel und ist zudem toxisch für die Nieren, was eine (weitere) Nierenschädigung verursachen kann. Der Verlust roter Blutkörperchen verursacht Blutarmut (Anämie); Müdigkeit und Erschöpfung können die Folge sein. Andererseits kann es sein, dass zu viel Wasser zurückgehalten und in das Gewebe eingelagert wird. Es kommt dann zur Bildung von Ödemen.
Tubuläre Dysfunktion
Wenn die Nierenkanälchen (Tubuli) geschädigt sind, kann die Rückgewinnung von lebenswichtigen Mineralstoffen (wie Magnesium oder Phosphat) sowie von Zucker und Aminosäuren aus dem Primärharn ins Blut beeinträchtigt sein. Diese Stoffe werden dann mit dem Urin ausgeschieden und stehen für ihre vielfältigen Aufgaben im Körper nicht mehr in ausreichend Menge zur Verfügung. Ist der Verlust besonders ausgeprägt, spricht man von einem Fanconi-Syndrom. Folge eines Fanconi-Syndroms können Krampfanfälle, Schwäche, Gedeihstörungen, Wachstumsverzögerung und Knochenschädigungen sein. Darüber hinaus kann die Ausscheidung von Stoffwechselendprodukten (wie Harnsäure) und Medikamenten (zum Beispiel Antibiotika) gestört sein, so dass diese sich als Gifte im Körpergewebe ansammeln und ablagern.
Unabhängig davon, welche Funktionsstörungen im Einzelnen vorliegen: Die Zerstörung von Nierengewebe und der damit einhergehende Leistungsverlust der Nieren (Niereninsuffizienz) kann letztlich zum Nierenversagen führen. Die Ärzte unterscheiden zwischen akutem und chronischem Nierenversagen. Während das akute Nierenversagen plötzlich auftritt, entwickelt sich ein chronisches Nierenversagen über Monate und Jahre hinweg. Beide Formen sind lebensbedrohlich für den Patienten und müssen daher behandelt werden.
Eine schwere Nierenschädigung kann außerdem Bluthochdruck, Vitamin-D-Mangel und Blutarmut (Anämie) verursachen und infolgedessen mit weiteren Organschäden verbunden sein.
Symptome einer Nierenschädigung
Nierenerkrankungen bereiten oft über lange Zeit keine Beschwerden. Mit zunehmendem Funktionsausfall der Nieren können sich folgende Symptome zeigen.
- Veränderungen beim Wasserlassen: Bei einer Nierenschwäche können sich die Menge und/oder die Konsistenz (das Aussehen) des Urins verändern: Die Harnausscheidung kann abnehmen oder ganz aufhören. Der wenige, noch ausgeschiedene Urin ist dann sehr hell, weil die Nieren den Harn nicht mehr konzentrieren können. Wenn der Urin schaumig aussieht, kann dies auf zu viel Eiweiß im Urin (Proteinurie) hinweisen. Eine rote oder rotbraune Färbung des Urins kann bedeuten, dass sich Blut im Urin befindet (Hämaturie).
- Flüssigkeitsansammlungen im Körper: Die Nieren regulieren die Menge der Flüssigkeit im Körper. Eine Störung der Nierenfunktion kann dazu führen, dass überschüssiges Wasser nicht mehr ausgeschieden wird (siehe oben), sondern sich im Gewebe ablagert. Dadurch kommt es an unterschiedlichen Körperstellen zu Schwellungen (Ödemen), zum Beispiel im Bereich der Fußgelenke, Füße, Unterschenkel, Hände und Augenlider sowie im Gesicht. Eventuell tritt auch Atemnot durch Wassereinlagerungen in der Lunge (Lungenödem) auf.
- Hoher Blutdruck: Die kranke Niere kann ihre Rolle bei der Regulation des Blutdrucks nicht mehr wahrnehmen, so dass sich mit fortschreitender Erkrankung ein Bluthochdruck entwickelt. Herz-Rhythmus-Störungen können die Folge eines gestörten Mineralstoffhaushalts (mit Anstieg des Kaliumsspiegels im Blut) sein.
- Allgemeine Erschöpfung, Abgeschlagenheit, Müdigkeit: In gesundem Zustand produzieren die Nieren das Hormon Erythropoetin (EPO), das die Bildung der roten Blutkörperchen anregt. Diese wiederum versorgen den Körper (vor allem Gehirn und Muskeln) mit Sauerstoff. Ein Nierenschaden kann dazu führen, dass weniger oder gar kein EPO mehr gebildet wird. Dies führt rasch zu einer Blutarmut (Anämie) und dadurch zu Müdigkeit und Erschöpfung. Ähnliche Symptome entstehen, wenn sich Abbauprodukte und Gifte, die normalerweise mit dem Urin ausgeschieden werden, im Körper ansammeln.
- Appetitlosigkeit, Übelkeit: (zum Teil mit Erbrechen und Durchfall), können infolge unbeseitigter Abfallstoffe im Körper hervorgerufen werden.
- Juckreiz, Veränderung der Hautfarbe, Blutergüsse: Ausschläge und Reizungen der Haut treten (durch die Verunreinigung des Blutes) ebenfalls häufig bei ungesunden Nieren auf. Da die hohe Giftkonzentration im Blut zu einer Funktionsstörung der Blutplättchen führt, kommt es leicht zu Blutergüssen.
- Schlechtes Wachstum im Kindesalter: Ein Funktionsverlust der Niere kann (aufgrund einer Vergiftung des Blutes mit nierenpflichtigen Substanzen wie Kreatinin oder Harnstoff; Urämie) mit einer Störung des Calciumhaushaltes einhergehen, die einen Knochenum- und -abbau bewirkt. Das Knochenwachstum eines Kindes ist dadurch in besonderem Maße beeinträchtigt.
Wenn Sie eines oder mehrere der oben genannten Symptome an Ihrem Kind feststellen, sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt konsultieren, um die Ursache zu klären. Je früher eine Nierenschädigung erkannt wird, umso besser lässt sie sich behandeln beziehungsweise aufhalten.
Risikofaktoren auf einen Blick
Wie hoch das Risiko einer Nierenschädigung als Folge der Krebstherapie ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein erhöhtes Risiko besteht zum Beispiel:
- bei einer Chemotherapie mit folgenden Zytostatika: Cisplatin, Carboplatin, Ifosfamid, Cyclophosphamid, Methotrexat, Melphalan, Lomustin (CCNU) und Temozolomid
- bei einer hohen Dosierung dieser Zytostatika
- bei einer Strahlentherapie im Bereich der Nieren (ab 20 Gy)
- bei Patienten, die bei der Tumorbehandlung unter fünf Jahre alt sind
- wenn bereits vor der Therapie Nierenfunktionsstörungen bestanden haben
- wenn eine oder beide Nieren durch den Tumor direkt betroffen sind (Beispiel Nephroblastom) / eine Niere entfernt werden muss (Nephrektomie)
- innerhalb der ersten drei Jahren nach Therapieende
Darüber hinaus können auch Bluthochdruck, eine Zuckererkrankung (Diabetes mellitus), frühere Harnwegserkrankungen oder eine operative Entfernung der Harnblase das Risiko für Nierenprobleme erhöhen.
Bei welchen Krebskrankheiten können therapiebedingt Spätfolgen an den Nieren auftreten?
Patienten, die im Rahmen ihrer Krebsbehandlung eine Chemotherapie mit den genannten Medikamenten und/oder eine Strahlentherapie im Bereich der Nieren erhalten, müssen auf lange Sicht unter Umständen mit einer Nierenschädigung rechnen. Dies gilt auch für Patienten, bei denen tumorbedingt eine Niere entfernt werden muss. Die genannten Therapien werden derzeit vor allem bei den folgenden Krebserkrankungen angewandt:
- akute lymphoblastische Leukämie (Ifosfamid, Cyclophosphamid, Methotrexat; bei Stammzelltransplantation (SZT) auch Melphalan)
- akute myeloische Leukämie (Cyclophosphamid bei SZT)
- Hodgkin-Lymphom (Cyclophosphamid; Melphalan und Ifosfamid bei SZT; unter Umständen Bestrahlungen im Nierenbereich)
- Non-Hodgkin-Lymphom (Ifosfamid, Cyclophosphamid, Methotrexat; Melphalan bei autologer SZT)
- niedrigmaligne Gliome (Cisplatin und Carboplatin; Cyclophosphamid )
- hochmaligne Gliome (Cisplatin, Carboplatin, Ifosfamid, Lomustin, Methotrexat, Temezolomid)
- Medulloblastom / Pineoblastom (Cisplatin, Carboplatin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Lomustin)
- Ependymom (Cisplatin, Carboplatin, Methotrexat)
- Osteosarkom (Cisplatin, Carboplatin, Methotrexat, Ifosfamid; Strahlentherapie spielt keine nennenswerte Rolle, da i.d.R. nur palliativ)
- Ewing-Sarkom (Ifosfamid, Cisplatin, Cyclophosphamid; bei Hochdosistherapie mit Melphalan; unter Umständen Strahlentherapie)
- Weichgewebesarkome und Weichgewebetumoren (Ifosfamid, Carboplatin – je nach Risikogruppe und Tumorart; gegebenenfalls Strahlentherapie im Bereich der Nieren)
- Neuroblastom (Carboplatin, Cisplatin, Ifosfamid, Cyclophosphamid, unter Umständen Strahlentherapie)
- Wilms-Tumor (Carboplatin und Cyclophosphamid bei besonders bösartigen Tumoren und fortgeschrittenen Krankheitsstadien; Strahlentherapie; Operation/Nierenentfernung)
- Keimzelltumoren (Cisplatin, Ifosfamid)
- Hepatoblastom (Cisplatin, Carboplatin, Ifosfamid)
- Retinoblastom (Carboplatin)
Wichtig zu wissen: Jeder Patient wird individuell behandelt. Das heißt, selbst wenn Sie oder Ihr Kind an einer der oben genannten Krankheiten leiden, muss das nicht bedeuten, dass in jedem Fall eines der erwähnten Medikamente eingesetzt wird oder eine Bestrahlung der Niere erfolgt. Denn die Art der Therapie richtet sich stets auch nach Typ, Stadium und Verlauf einer Erkrankung und/oder der Lage eines Tumors. Auch führt nicht jede derartige Behandlung notgedrungen zu Spätfolgen. Die Höhe der Medikamenten- und Strahlendosis spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ebenso können die persönliche Konstitution und Veranlagung des Patienten von Bedeutung sein.
Fragen Sie Ihr Behandlungsteam, ob bei Ihnen beziehungsweise Ihrem Kind durch die Therapie ein erhöhtes Risiko für eine Nierenschädigung besteht!
Nachsorgeempfehlungen und -untersuchungen
Damit eine eventuelle Nierenschädigung rechtzeitig erkannt wird, empfehlen die Experten, je nach Krebserkrankung und Behandlung, eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion. Dazu sollte in den ersten drei Jahren nach Ende der Behandlung mindestens einmal jährlich eine Blut- und Urinuntersuchung erfolgen. Überprüft werden zum Beispiel Hämoglobin- und Hämatokrit-Werte, der Urinstatus, Harnstoff und/oder Kreatinin sowie Elektrolyt wie Phosphat und Bicarbonat überprüft. Gegebenenfalls kann, mittels der so genannten Kreatinin-Clearance, die glomeruläre Filtrationsrage (GFR) abgeschätzt werden.
Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung achtet der Arzt darüber hinaus auf den Blutdruck sowie das Gewicht und die Körperhöhe des ehemaligen Patienten, um einen erhöhten Blutdruck beziehungsweise Wachstums- und/oder Gedeihstörungen infolge einer möglichen Nierenfunktionsstörung auszuschließen.
Die Termine für die jährlichen Kontrolluntersuchungen sollten unbedingt eingehalten werden, auch dann, wenn es keine körperlichen Anzeichen einer Nierenschädigung gibt. Veränderungen der Niere können oft lange unbemerkt bleiben. Denn die enorm große Zahl an Nephronen kann Schädigungen über einen langen Zeitraum hinweg „vertuschen“. Sind die Untersuchungsergebnisse nach Ablauf der ersten drei Jahren unauffällig, kann auf weitere Kontrollen verzichtet werden.
Wird eine Nierenfunktionsstörung festgestellt oder liegen spezielle Risiken für eine Nierenerkrankung vor (zum Beispiel eine entfernte Niere oder Blase, hoher Blutdruck, Diabetes mellitus oder frühere Harnwegserkrankungen), erfolgen in Zusammenarbeit mit einem (Kinder-)Nephrologen weiterhin mindestens einmal jährlich körperliche Kontrolluntersuchungen sowie Urin- und Blutuntersuchungen. Die genaue Art der Untersuchung richtet sich nach Art und Ausmaß der zuvor festgestellten Nierenstörung und der Gesamtsituation des Patienten.
Achten Sie auf die Einhaltung der empfohlenen Kontrolltermine in den ersten drei Jahren:
1 x jährlich Blut und Urin untersuchen lassen!
Vorsorgemaßnahmen für den Erhalt der Nierengesundheit
Um die Nierengesundheit zu fördern, können ehemalige Krebspatienten durch die allgemeine Lebensführung dazu beitragen, die Nierengesundheit zu fördern. Wichtig ist es zum Beispiel, ausreichend zu trinken, vor allem bei Hitze oder bei sportlichen Aktivitäten.
Darüber hinaus sollte eine Einnahme von Schmerzmitteln, insbesondere wenn es sich um so genannte nichtsteroidale Entzündungshemmer (wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen) handelt, mit Vorsicht und gegebenenfalls in Absprache mit dem Arzt erfolgen, denn diese Medikamente können Nierenschädigungen verursachen. Bei Beschwerden, die auf eine Harnwegsinfektion hinweisen – zum Beispiel Brennen beim Wasserlassen, ein starker Harndrang und/oder ein häufigeres Wasserlassen als gewöhnlich – sollte frühzeitig ein Arzt aufgesucht werden.
Behandlung von Spätfolgen an den Nieren
Die Behandlung von Spätfolgen an den Nieren richtet sich nach Art und Ausmaß der Nierenschädigung.
Therapiemöglichen bei glomerulärer Dysfunktion
Patienten, bei denen eine glomeruläre Dysfunktion (also eine chronische Niereninsuffizienz) vorliegt, kann – wenn ein erhöhter Proteinwert im Urin (Proteinurie) festgestellt wird – eine proteinarme Ernährung angezeigt sein. Auch Medikamente gegen Proteinurie können zum Einsatz kommen. Wenn zu viel Wasser im Gewebe eingelagert ist (Ödeme) oder ein Bluthochdruck besteht, können Medikamente in Frage kommen, die die Harnausscheidung (und somit die Ausscheidung von Wasser und Salzen) fördern (so genannte Diuretika).
Sowohl eine proteinarme Ernährung als auch der Einsatz von Diuretika wirken allerdings nur kompensierend, das heißt, sie können die Nierenfunktion nicht verbessern und sind daher für die Behandlung eines fortschreitenden Nierenversagens nicht geeignet. Bei einer fortgeschrittenen chronischen Niereninsuffizienz oder dem Verlust beider Nieren ist in der Regel eine künstliche Blutwäsche (Dialyse) oder eine Nierentransplantation erforderlich; in beiden Fällen spricht man von einer Nierenersatztherapie.
Bei der Dialyse wird das Blut von giftigen Stoffen (harnpflichtige Substanzen wie zum Beispiel Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin) gereinigt. Dies ist notwendig, weil diese Stoffe sich sonst im Körper anreichern und innerhalb weniger Tage lebensbedrohlich werden können. Die Dialyse muss in diesem Fall langfristig, das heißt, in der Regel lebenslang und in regelmäßigem Abstand (zum Beispiel jeden zweiten Tag) erfolgen.
Bei einer Nierentransplantation erhält der Patient im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs die Niere eines Spenders. Da eine Nierentransplantation die körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität des Patienten meist deutlich besser wiederherstellen kann als eine Dialyse, ist sie oft die erstrebenswertere Alternative – sofern sie gewünscht und möglich ist. Eine Nierentransplantation erfordert unter anderem eine passende Spenderniere.
Therapiemöglichen bei tubulärer Dysfunktion
Patienten, bei denen eine Erkrankung/Schädigung der Niere im Bereich der Nierenkanälchen (Tubulopathie) vorliegt, erhalten eine Ersatztherapie (Substitution) mit jenen Substanzen, die dem Körper aufgrund der Funktionsstörung nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen (siehe Kapitel „Krankheitsbilder“). Zu diesen Substanzen gehören beispielsweise Phosphat, Magnesium, Bikarbonat und gegebenenfalls Vitamin D.
Literatur 
- Gebauer J, Langer T et al.: S2k-Leitlinie "Langzeit-Nachsorge von krebskranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Vermeiden, Erkennen und Behandeln von Spätfolgen". AWMF online 2025 [URI: https://register.awmf.org/ assets/ guidelines/ 025-003l_S2k_Langzeit-Nachsorge-krebskranke-Kinder-Jugendliche%E2%80%93Vermeiden-Erkennen-Behandeln-Spaetfolgen_2025-05.pdf]
- Langer T, Zolk O, Beck, J-D: Langzeitnachbeobachtung, Spätfolgen, in: Niemeyer C, Eggert A (Hrsg.): Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Springer-Verlag GmbH Deutschland 2. vollständig überarbeitete Auflage 2018, 235 [ISBN: 978-3-662-43685-1]
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- Stöhr W, Paulides M, Bielack S, Jürgens H, Koscielniak E, Rossi R, Langer T, Beck JD: Nephrotoxicity of cisplatin and carboplatin in sarcoma patients: a report from the late effects surveillance system. Pediatric blood & cancer 2007, 48: 140 [PMID: 16724313]
- Stöhr W, Paulides M, Bielack S, Jürgens H, Treuner J, Rossi R, Langer T, Beck JD: Ifosfamide-induced nephrotoxicity in 593 sarcoma patients: a report from the Late Effects Surveillance System. Pediatric blood & cancer 2007, 48: 447 [PMID: 16628552]