Ifosfamid (Ifo)

Der folgende Text informiert über Anwendung, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen des Ifosfamids sowie darüber, welche Wechselwirkungen mit anderen Substanzen auftreten können und in welchen Fällen Ifosfamid nicht oder nur eingeschränkt verabreicht werden darf.

Autor:  Julia Dobke, Redaktion:  Maria Yiallouros, Freigabe:  Prof. (em.) Dr. med. G. Henze, Zuletzt geändert: 03.11.2017 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e137642

Anwendung: Wie wird Ifosfamid eingesetzt?

Ifosfamid wird in Kombination mit weiteren gegen Krebs wirksamen Arzneimitteln bei der Behandlung von Tumoren und Blutkrebs (Leukämien) verwendet. Es wird als Infusion in eine Vene (intravenös, i.v.) verabreicht.

Wirkung: Wie wirkt Ifosfamid?

Ifosfamid gehört zur Substanzgruppe Alkylantien, das sind künstlich hergestellte Stoffe, die das Erbmaterial verändern oder zerstören. Ifosfamid entfaltet seine zellschädigenden Eigenschaften erst nach seiner Aktivierung in der Leber. Es führt zu Quervernetzungen zwischen den DNA-Strängen und blockiert dadurch die Zellteilung.

Nebenwirkungen: Welche Begleiterscheinungen können während oder nach der Behandlung mit Ifosfamid auftreten?

Wir beschränken uns im Folgenden auf die Darstellung der sehr häufig bis häufig und gelegentlich auftretenden Nebenwirkungen. (Definition : Aufgetretene Fälle pro Anzahl der Behandelten)

Sehr häufig: mehr als 1 von 10; häufig: mehr als 1 von 100; gelegentlich: mehr als 1 von 1000; selten: mehr als 1 von 10 000; sehr selten: weniger als 1 von 10 000.

Dabei gehen wir organweise vor. Für mehr Informationen zu den selten bis sehr selten auftretenden Nebenwirkungen informieren Sie sich bitte in den Fach- und Gebrauchsinformationen des jeweiligen Herstellers.

Sehr häufige Nebenwirkungen

Knochenmark / Immunsystem

Abhängig von der Medikamenten-Dosis können unterschiedlich schwere Grade von Knochenmarkschädigung (eine so genannte Knochenmarkdepression‎ oder Myelosuppression) auftreten, die mit einem Abfall der Zahl weißer Blutkörperchen (Leukozytopenie) sowie einem Abfall der Zahl der Blutplättchen (Thrombozytopenie‎) und der roten Blutkörperchen (Blutarmut, Anämie) einhergehen.

Häufig zu rechnen ist mit einem Abfall der Zahl der weißen Blutkörperchen mit oder ohne Fieber und infolgedessen mit der Gefahr von, zum Teil lebensbedrohlichen, Infektion‎en. Ebenfalls häufig ist ein Abfall der Zahl der Blutplättchen und entsprechend die Gefahr eines erhöhten Blutungsrisikos.

Eine schwere Immunsuppression kann zu schwerwiegenden Infektionen mit manchmal tödlichem Ausgang führen. Im schwersten Fall kann es zu einer Sepsis und einem septischen Schock kommen. Zu den Infektionen, über die im Zusammenhang mit Ifosfamid berichtet wurden, zählen Lungenentzündungen (Pneumonien) sowie andere von Bakterien, Viren, Pilzen, Protozoen und Parasiten hervorgerufene Infektionen.

Harnwege

Abbauprodukte von Ifosfamid rufen nach ihrer Ausscheidung in Urin Veränderungen in den ableitenden Harnwegen und insbesondere in der Blase hervor. Als Folge kann es zu einer blutigen Blasenentzündung (hämorrhagische Zystitis) und zu Blut im Harn (Hämaturie) kommen, die eine Unterbrechung der Behandlung erfordern. Je nachdem, ob das Blut im Harn mit dem bloßen Auge sichtbar ist oder nicht, unterscheiden die Ärzte zwischen einer so genannten Mikrohämaturie und einer Makrohämaturie.

Die Blasenentzündung wird zunächst nicht durch Krankheitserreger hervorgerufen, eine spätere Besiedelung mit Krankheitskeimen kann aber erfolgen. Durch eine reichliche Zufuhr von Flüssigkeit und die Gabe des Medikaments Mesna während der Therapie kann die Gefahr der blutigen Blasenentzündung deutlich reduziert werden. Mesna ist ein Medikament, das die Abbauprodukte von Ifosfamid neutralisiert und so die inneren Wände der ableitenden Harnwege schützt.

Nieren

Schädigungen in den Nieren selbst kommen seltener vor und überwiegend nach Gabe sehr hoher Dosen von Ifosfamid. Es kann die Zellen der Nierenkanälchen (Tubuli) langfristig schädigen, wodurch diese ihre Aufgaben bei der Rückgewinnung wichtiger Nährstoffe aus dem Primärharn nicht mehr wahrnehmen können.

Risikofaktoren für eine Nierenfunktionsstörung sind das Vorhandensein nur noch einer funktionstüchtigen Niere, die zusätzliche Behandlung mit platinhaltigen Zytostatika oder eine begleitende Bestrahlung des Bauchraumes unter Einschluss der Nieren beziehungsweise der verbliebenen Niere.

Bei Kindern unter drei Jahren erhöht sich das Risiko einer bleibenden Nierenschädigung. Informationen zu Aufbau und Funktion der Nieren und möglichen therapiebedingten Schädigungen erhalten Sie hier.

Zentrales Nervensystem / Gehirn

Bei 10 bis 20 von 100 Behandelten kommt es zu einer Funktionsstörung des Gehirns (Enzephalopathie). Schläfrigkeit ist das häufigste Symptom der Enzephalopathie. Sie kann bis zu Benommenheit (Somnolenz) und Koma fortschreiten. Weitere mögliche Beschwerden sind Schwäche, Vergesslichkeit, depressive Psychosen, Halluzinationen, Krampfanfälle und andere psychische und nervliche Störungen.

Die Beschwerden klingen normalerweise wenige Tage nach der letzten Ifosfamidgabe ab. Das Risiko an einer Enzephalopathie zu erkranken steigt, wenn gleichzeitig die Nieren und / oder die Leber nur eingeschränkt arbeiten.

Magen-Darmtrakt

Das Auftreten von Übelkeit und Erbrechen ist abhängig von der verabreichten Dosis. Leichte bis schwere Formen kommen in etwa der Hälfte der Fälle vor. Durch die frühe Gabe von Medikamenten (Antiemetika) können Übelkeit und Erbrechen häufig vermieden oder gebessert werden.

Haut / Haare

In Abhängigkeit von der Dosierung kommt es zu Haarausfall. Nach Beendigung der Therapie wächst das Haar wieder nach.

Häufig und gelegentlich auftretende Nebenwirkungen

Verdauungstrakt

Die Behandlung mit Ifosfamid kann gelegentlich zu Appetitlosigkeit (Anorexie), Durchfall (Diarrhoe) und Verstopfung (Obstipation) sowie zu Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis, Mukositis) führen.

Geschlechtsdrüsen / Zeugungsfähigkeit (Fertilität)

Auf Grund des Wirkprinzips von Ifosfamid ist davon auszugehen, dass beim Mann zum Teil nicht rückgängig zu machende Störungen der Samenbildung auftreten können, die dazu führen, dass Spermien in der Samenflüssigkeit entweder vollständig fehlen (Azoospermie) oder anhaltend vermindert sind (Oligospermie).

Jungen Männern, die mit Ifosfamid behandelt werden, wird daher empfohlen, sich vor Therapiebeginn über eine Spermakonservierung beraten zu lassen.

Seltener treten bei Frauen Störungen der Ovulation auf, das heißt, es findet kein Eisprung statt, mit daraus resultierendem Ausbleiben der monatlichen Regelblutung (Amenorrhoe) und erniedrigtem Spiegel weiblicher Sexualhormone. Auch diese Störungen lassen sich nicht immer rückgängig machen.

Weitere Informationen zu therapiebedingten Fruchtbarkeitsstörungen finden Sie hier.

Schwangerschaft / Stillzeit

Die Behandlung mit Ifosfamid kann bei Frauen und Männern erbgutschädigend wirken. Während der Behandlung mit Ifosfamid dürfen daher Frauen nicht schwanger werden und Männer keine Kinder zeugen. Tritt während der Behandlung dennoch eine Schwangerschaft ein, so ist die Möglichkeit einer genetischen Beratung zu nutzen.

Da Ifosfamid in die Muttermilch übertritt, darf während der Behandlung nicht gestillt werden.

Zweittumoren (Zweitmalignome)

Wie generell bei chemotherapeutischer Therapie besteht auch nach einer Ifosfamid-Gabe das Risiko, dass als Spätfolge der Therapie Zweittumoren oder ihre Vorstufen auftreten können. Ein erhöhtes Risiko besteht zum Beispiel für die Entwicklung von Harnblasenkrebs (Harnblasenkarzinomen) sowie für Knochenmark-Veränderungen bis hin zu Blutkrebs (akute Leukämie). Mehr zu therapiebedingten Zweittumoren erfahren Sie hier.

Das Deutsche Kinderkrebsregister erfasst alle Zweiterkrankungen bei Kindern, die im Alter von unter 15 beziehungsweise 18 Jahren zum ersten Mal an Krebs erkrankt sind. Dort finden Sie auch nähere Informationen.

Wechselwirkungen: Mit welchen anderen Medikamenten / Substanzen kann Ifosfamid interagieren?

Ifosfamid kann mit anderen, im Rahmen der Therapie eingesetzten Substanzen in Wechselwirkung treten und unerwünschte Folgen haben, die bei der Behandlung entsprechend berücksichtigt werden müssen. Die wichtigsten (in der Kinderheilkunde anwendbaren) Substanzen und ihre Wechselwirkungen mit Ifosfamid sind im Folgenden aufgeführt:

  • Strahlentherapie: Ifosfamid verstärkt die Wirkung von Bestrahlungen mit radioaktiven Strahlen [siehe radioaktive Strahlung]. Wenn vor der Behandlung mit Ifosfamid eine Bestrahlung in der Nierengegend stattgefunden hat, so kann dies die unerwünschte Wirkung von Ifosfamid auf die Niere verstärken. Die Nierenwerte im Blut sollten deswegen regelmäßig kontrolliert werden
  • Andere nierenschädigende Medikamente: Die folgenden Medikamente, die auch die Nieren schädigen können, verstärken die nierenschädigende Wirkung des Ifosfamids: Platinverbindungen (wie Cisplatin, Carboplatin); Aminoglykosid-Antibiotika (zum Beispiel Gentamycin), die bei bestimmten Arten bakterieller Infektionen gegeben werden; Aciclovir, das bei schweren Herpesinfektionen gegeben wird; Amphotericin B, das bei Pilzinfektionen gegeben wird.
  • Allopurinol: Bei gleichzeitiger Gabe von Allopurinol (bei Gicht oder zur Verhinderung eines Tumorzerfallsyndroms [auch Tumorlyse-Syndrom]) kann sich die Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion (Myelosuppression) verstärken.
  • Phenytoin, Phenobarbital und Chloralhydrat: Diese Medikamente gegen Epilepsien beschleunigen den Abbau des Ifosfamid und schwächen damit seine Wirkung.
  • Sulfonylharnstoffe (Antidiabetika): Ifosfamid verstärkt die blutzuckersenkende Wirkung von Sulfonylharnstoffen.
  • Anthrazykline: Wenn die Krebserkrankung vorher bereits mit Anthrazyklinen behandelt wurde, steigt das Risiko für eine Herzschwäche, vor allem, wenn Ifosfamid in höheren Dosen verabreicht wurde.
  • Auf den Verzehr von Grapefruit oder Grapefruitsaft sollte verzichtet werden, da diese Frucht eine Substanz enthält, die Aktivierung und damit die Wirksamkeit von Ifosfamid vermindern kann.

Gegenanzeigen: Wann darf Ifosfamid nicht angewendet werden?

Der Einsatz von Ifosfamid darf nicht erfolgen bei:

  • bekannter Überempfindlichkeit gegen Ifosfamid oder einen der sonstigen Bestandteile.
  • schwerer Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion (insbesondere bei chemo- und/oder strahlentherapeutisch vorbehandelten Patienten)
  • gleichzeitiger Gabe von Sulfonylharnstoffen (bei Typ-II Diabetes) und Insulin (bei Typ-I Diabetes). Ifosfamid kann die blutzuckersenkende Wirkung von Sulfonylharnstoffen und Insulin verstärken, so dass eine erhöhte Gefahr für Unterzuckerungen besteht.
  • gleichzeitig auftretenden (stark ausgeprägten) Infektionen
  • eingeschränkter Nierenfunktion und/oder Harnabflussbehinderungen
  • Zystitis (Blasenentzündung)
  • während der Schwangerschaft
  • während der Stillzeit

Quellen: Fach- und Gebrauchsinformationen der Hersteller; Stiftung Warentest: Medikamente im Test: Krebs