Cyclophosphamid (Cyclofosfamid, CPM, CP)

Der folgende Text informiert über Anwendung, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen des Cyclophosphamids sowie darüber, welche Wechselwirkungen mit anderen Substanzen auftreten können und in welchen Fällen Cyclophosphamid nicht oder nur eingeschränkt verabreicht werden darf.

Autor:  Julia Dobke, Redaktion:  Maria Yiallouros, Freigabe:  Prof. (em.) Dr. med. G. Henze, Zuletzt geändert: 17.11.2017 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e142046

Anwendung: Wie wird Cyclophosphamid eingesetzt?

Cyclophosphamid wird in Kombination mit weiteren gegen Krebs wirksamen Arzneimitteln bei der Behandlung von Tumoren und Blutkrebs (Leukämien) verwendet. Es wird als Infusion in eine Vene (intravenös, i.v.) oder als Tablette (per os) verabreicht.

Wirkung: Wie wirkt Cyclophosphamid?

Cyclophosphamid gehört zur Substanzgruppe der Alkylantien, das sind künstlich hergestellte Stoffe, die das Erbmaterial verändern oder zerstören. Cyclophosphamid entfaltet seine zellschädigenden Eigenschaften erst nach seiner Aktivierung in der Leber. Es führt zu Quervernetzungen zwischen den DNA-Strängen und blockiert dadurch die Zellteilung. Mehr zur Substanzgruppe der Alkylantien erfahren Sie hier.

Nebenwirkungen: Welche Begleiterscheinungen können während oder nach der Behandlung mit Cyclophosphamid auftreten?

Wir beschränken uns im Folgenden auf die Darstellung der sehr häufig bis häufig und gelegentlich auftretenden Nebenwirkungen. (Definition: Aufgetretene Fälle pro Anzahl der Behandelten)

Sehr häufig: mehr als 1 von 10; häufig: mehr als 1 von 100; gelegentlich: mehr als 1 von 1000; selten: mehr als 1 von 10 000; sehr selten: weniger als 1 von 10 000.

Dabei gehen wir organweise vor. Für mehr Informationen zu den selten bis sehr selten auftretenden Nebenwirkungen informieren Sie sich bitte in den Fach- und Gebrauchsinformationen des jeweiligen Herstellers.

Sehr häufige Nebenwirkungen

Knochenmark / Immunsystem

Abhängig von der Medikamenten-Dosis können unterschiedlich schwere Grade von Knochenmarkschädigung (eine so genannte Knochenmarkdepression oder Myelosuppression) auftreten, die mit einem Abfall der Zahl weißer Blutkörperchen (Leukozytopenie) sowie einem Abfall der Zahl der Blutplättchen (Thrombozytopenie‎) und der roten Blutkörperchen (Anämie) einhergehen.

Häufig zu rechnen ist mit einem Abfall der Zahl der weißen Blutkörperchen mit oder ohne Fieber und infolgedessen mit der Gefahr von Infektion‎en (siehe unten). Ebenfalls häufig ist ein Abfall der Zahl der Blutplättchen und entsprechend die Gefahr eines erhöhte Blutungsrisikos.

Eine schwere Immunsuppression kann zu schwerwiegenden Infektionen mit manchmal tödlichem Ausgang führen. Im schwersten Fall kann es zu einer Sepsis und einem septischen Schock kommen. Zu den Infektionen, über die im Zusammenhang mit Cyclophosphamid berichtet wurden, zählen Lungenentzündungen (Pneumonien) sowie andere von Bakterien, Viren, Pilzen, Protozoenen und Parasiten hervorgerufene Infektionen.

Harnwege

Abbauprodukte von Cyclophosphamid rufen nach ihrer Ausscheidung in den Urin Veränderungen in den ableitenden Harnwegen und insbesondere in der Blase hervor. Als Folge kann es zu einer blutigen Blasenentzündung (hämorrhagische Zystitis) und zu Blut im Harn (Hämaturie) kommen, die eine Unterbrechung der Behandlung erfordern. Je nachdem, ob das Blut im Harn mit dem bloßen Auge sichtbar ist oder nicht, unterscheiden die Ärzte zwischen einer so genannten Mikrohämaturie und einer Makrohämaturie.

Die Blasenentzündung wird zunächst nicht durch Krankheitserreger hervorgerufen, eine spätere Besiedelung mit Krankheitskeimen kann aber erfolgen. Durch eine reichliche Zufuhr von Flüssigkeit und die Gabe des Medikaments Mesna während der Therapie kann die Gefahr der blutigen Blasenentzündung deutlich reduziert werden. Mesna ist eine Substanz, die die Abbauprodukte von Cyclophosphamid neutralisiert und so die Innenwand der Blase schützt.

Nieren

Schädigungen in den Nieren kommen seltener vor und überwiegend nach der Gabe sehr hoher Dosen von Cyclophosphamid. Es kann die Zellen der Nierenkanälchen (Tubuli) langfristig schädigen, wodurch diese ihre Aufgaben bei der Rückgewinnung wichtiger Nährstoffe aus dem Primärharn nicht mehr wahrnehmen können. Informationen zu Aufbau und Funktion der Nieren und möglichen therapiebedingten Schädigungen erhalten Sie hier.

Haut / Haare

Über Pigmentveränderungen von Handflächen, Fingernägeln und Fußsohlen sowie Haut- und Schleimhautentzündungen wurde berichtet.

Häufig und gelegentlich auftretende Nebenwirkungen

Magen-Darmtrakt

Häufig kommt es nach der Gabe von Cyclophosphamid zu Übelkeit und Erbrechen sowie zu Schädigungen der Mund- und Darmschleimhaut (Stomatitis, Mukositis). Treten diese Nebenwirkungen längerfristig auf, kann es zu Appetitmangel (Anorexie) kommen. Auch unterschiedliche Verdauungsstörungen wie Durchfall oder Verstopfung können vorkommen. Die Gefahr, an diesen Nebenwirkungen zu erkranken, steigt mit der verabreichten Dosis des Cyclophosphamid während eines Therapieabschnitts.

Geschlechtsdrüsen / Zeugungsfähigkeit (Fertilität)

Cyclophosphamid hat Auswirkungen auf die Entwicklung der Eizellen und der Spermien. Es kann bei beiden Geschlechtern zur Sterilität (Zeugungsunfähigkeit, Unfruchtbarkeit) führen. Ob es zu einer Unfruchtbarkeit kommt, scheint abzuhängen von der Cyclophosphamid-Dosis, der Dauer der Therapie und dem Zustand der Gonadenfunktion zum Zeitpunkt der Behandlung.

Eine durch Cyclophosphamid bedingte Zeugungsunfähigkeit kann bei manchen Patienten nicht rückgängig zu machen sein. Männlichen Jugendlichen, die mit Cyclophosphamid behandelt werden, wird empfohlen, sich vor Therapiebeginn über eine Spermakonservierung beraten zu lassen. Weitere Informationen zu therapiebedingten Fruchtbarkeitsstörungen finden Sie hier.

Schwangerschaft / Stillzeit

Die Behandlung mit Cyclophosphamid kann bei Frauen und Männern erbgutschädigend wirken. Während der Behandlung mit Cyclophosphamid dürfen daher Frauen nicht schwanger werden und Männer keine Kinder zeugen. Tritt während der Behandlung dennoch eine Schwangerschaft ein, so ist die Möglichkeit einer genetischen Beratung zu nutzen.

Wenn die Behandlung einer Patientin mit Cyclophosphamid während der ersten drei Monate einer Schwangerschaft lebensnotwendig ist, ist eine medizinische Beratung zum Schwangerschaftsabbruch zwingend erforderlich.

Nach den ersten drei Monaten der Schwangerschaft sollte, wenn eine Therapie dringend ist, nicht aufgeschoben werden kann und ein späterer Kinderwunsch besteht, eine Chemotherapie durchgeführt werden, jedoch erst nach vorheriger Aufklärung über das zwar geringe, aber nicht auszuschließende Risiko von Auffälligkeiten der Kinder.

Da Cyclophosphamid in die Muttermilch übertritt, darf während der Behandlung nicht gestillt werden.

Herz-Kreislauf-System

Generell treten Nebenwirkungen am Herz-Kreislauf-System nach Cyclophosphamidgaben nur gelegentlich auf. In Kombination mit anderen herzschädigenden (kardiotoxischen) Medikamenten (siehe Wechselwirkungen) kann es aber zu einem späteren Zeitpunkt zu einer durch Zytostatika hervorgerufenen Herzmuskelschädigung kommen. Diese kann sich zum Beispiel in Herzrhythmusstörungen und/oder einer verminderten Auswurffraktion der linken Herzkammer (abgekürzt LVEF; zum Beispiel Myokardinsuffizienz) äußern. Die Herzmuskelschädigung kann mit Hilfe von EKG und Echokardiographie diagnostiziert werden.

Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass sich die herzschädigende Wirkung von Cyclophosphamid bei vorhergehender Bestrahlungsbehandlung der Herzregion erhöht. Informationen zur Herzfunktion und möglichen therapiebedingten Spätfolgen erhalten Sie hier.

Leber und Galle

Leberfunktionsstörungen kommen im Rahmen einer Standard-Chemotherapie mit Cyclophosphamid eher selten vor. Sie äußern sich durch einen Anstieg bestimmter Laborwerte (wie SGOT, SGPT, Gamma-GT, alkalische Phosphatase, Bilirubin).

Jedoch kommt es nach Hochdosis-Chemotherapie mit Cyclophosphamid in Kombination mit Busulfan oder einer Ganzkörperbestrahlung vor der Stammzelltransplantation häufiger zu einer Lebervenenverschlusskrankheit (VOD). Mehr dazu finden Sie hier.

Atemwege / Lungen

Während der Phase der Knochenmarkdepression kann es durch Infektionen zu einer Lungenentzündung kommen. Andere, nicht-infektiöse Nebenwirkungen an den Lungen durch Cyclophosphamid sind selten.

Gehör

Gelegentlich kann die Gabe von Cyclophosphamid zur Minderung des Hörvermögens führen. Das Risiko steigt, wenn bereits eine Hörstörung vorliegt und wenn es zusammen mit platinhaltigen Zytostatika gegeben wird. Mehr zu therapiebedingten Hörstörungen erfahren Sie hier.

Zweittumoren (Zweitmalignome)

Wie bei allen Therapien mit Zytostatika besteht auch bei der Behandlung mit Cyclophosphamid das Risiko, dass viele Jahre nach Beendigung der Therapie Zweitkrebserkrankungen oder Vorstufen davon als Spätfolge auftreten können. Mehr zu therapiebedingten Zweittumoren erfahren Sie hier.

Das Deutsche Kinderkrebsregister erfasst alle Zweiterkrankungen bei Kindern, die im Alter von unter 15 beziehungsweise 18 Jahren zum ersten Mal an Krebs erkrankt sind. Dort finden Sie auch nähere Informationen.

Wechselwirkungen: Mit welchen anderen Medikamenten / Substanzen kann Cyclophosphamid interagieren?

Cyclophosphamid kann mit anderen, im Rahmen der Therapie eingesetzten Substanzen in Wechselwirkung treten und unerwünschte Folgen haben, die bei der Behandlung entsprechend berücksichtigt werden müssen. Die wichtigsten Substanzen und ihre Wechselwirkungen mit Cyclophosphamid sind im Folgenden aufgeführt. Die Erläuterung der Wechselwirkungen beschränkt sich auf Substanzen, die in der Kinderheilkunde angewendet werden können:

  • Allopurinol: Bei gleichzeitiger Gabe von Allopurinol kann sich die Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion (Myelosuppression) verstärken.
  • Phenobarbital, Phenytoin, Benzodiazepine, Chloralhydrat oder Dexamethason: Bei vorausgegangener oder gleichzeitiger Behandlung mit einem der oben genannten Medikamente besteht die Möglichkeit, dass die Wirksamkeit des Cyclophosphamid verstärkt wird.
  • Chloramphenicol: Bei der gleichzeitigen Gabe des Antibiotikums Chloramphenicol wird Cyclophosphamid langsamer im Körper abgebaut, und die Wirkung kann sich verstärken.
  • Anthrazykline und Cytarabin: Wenn während der Therapie auch Anthrazykline und / oder Cytarabin eingesetzt werden, erhöht sich die Gefahr, dass Herzmuskelzellen geschädigt und / oder zerstört werden (siehe auch Zytostatika-Substanzgruppen).
  • Busulfan: Wenn in der Konditionierungsphase vor der Stammzelltransplantation Busulfan und Cyclophosphamid verabreicht werden, steigt das Risiko einer Lebervenenverschlusskrankheit (VOD) und / oder einer Entzündung der Schleimhäute (Mukositis). Mehr zur Stammzelltransplantation und möglichen Komplikationen finden hier.
  • Grapefruit: Auf den Verzehr von Grapefruit oder Grapefruitsaft sollte verzichtet werden, da diese Frucht eine Substanz enthält, die die Aktivierung und damit die Wirksamkeit von Cyclophosphamid vermindern kann.

Gegenanzeigen: Wann darf Cyclophosphamid nicht angewendet werden?

Der Einsatz von Cyclophosphamid darf nicht erfolgen bei:

  • bekannter Überempfindlichkeit gegen Cyclophosphamid oder einen der sonstigen Bestandteile (zum Beispiel Unverträglichkeit gegen Galaktose).
  • schwerer Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion (insbesondere bei zytostatisch und/oder strahlentherapeutisch vorbehandelten Patienten)
  • akuter Blasenentzündung (Zystitis)
  • Abflussbehinderungen innerhalb der ableitenden Harnwege oder einer stark eingeschränkten Nierenfunktion
  • gleichzeitigem Vorliegen einer schweren Infektion.

Quellen: Fach- und Gebrauchsinformationen der Hersteller; Stiftung Warentest: Medikamente im Test: Krebs