Welche genetischen Faktoren erhöhen das Risiko für eine Zweitkrebserkrankung?

Autor:  Dr. med. Gesche Riabowol (geb. Tallen), Redaktion:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 22.09.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e164556

Bestimmte erblich bedingte Faktoren erhöhen das Risiko einer sekundären malignen Neoplasie (SMN), das heißt, einer Zweitkrebserkrankung. Neben der Art der Behandlungen (Chemotherapie, Strahlentherapie, hämatopoetische Stammzelltransplantation [HSZT]) spielen Erbanlagen eine große Rolle. Solche genetischen Risikofaktoren gehen oft, neben diversen Fehlbildungen, mit einer Veranlagung für bestimmte Krebserkrankungen einher. Man spricht daher auch von einem Krebsprädispositionssyndrom.

Die Betroffenen dieser seltenen Erkrankungen werden oft mit Fehlbildungen geboren und leiden außerdem an einem erhöhten Krebsrisiko. Die Ursache dafür sind vererbte Defekte in bestimmten Genen, so genannten Tumorsuppressor- und DNA-Reparaturgenen. Dabei handelt es sich um Gene, die normalerweise dazu beitragen, Krebsentstehung zu unterdrücken beziehungsweise krebsauslösende Schäden zu reparieren.

Die folgende Tabelle enthält Informationen zu verschiedenen Krebsprädispositionssyndromen/-Gendefekten, für die ein Zusammenhang mit der Entstehung von Zweitkrebserkrankungen nach einer Krebstherapie im Kindes- oder Jugendalter besteht.
Krebsprädispositionssyndrom /
Defektes Gen
Typische Tumor-/Krebserkrankungen
tuberöse Sklerose (Bourneville-Pringle-Syndrom) / TSC1- oder TSC2-Gen
Herzmuskeltumoren (Rhabdomyome), ZNS-Tumoren (Gliome), Netzhauttumoren (Hamartome), gutartige Nierentumoren, Rhabdomyosarkome
BRCA1/BRCA2
Brustkrebs, Magen-Darm-Krebs, Eierstockkrebs, Rhabdomyosarkome
DICER1-Syndrom / DICER1-Gen
Lungentumoren (Blastome), Nierentumoren, Eierstocktumoren, Rhabdomyosarkome
familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) / APC-Gen
Polypen/Tumoren des Darms (Adenome, Adenokarzinome)
Gorlin-Goltz-Syndrom / PTCH1-Gen
Hautkrebs (Basalzellkarzinome)
Gorlin-Goltz-Syndrom / SUFU-Gen
Hautkrebs (Basalzellkarzinome), Medulloblastom
Li-Fraumeni-Syndrom / TP53-Gen
Brustkrebs, ZNS-Tumoren, Rhabdomyosarkome, Nebennierenrindentumoren
Lynch-Syndrom ("monoallelic mismatch repair deficiency") / MLH1-, MSH2- oder MSG6-Gene
Tumoren des Magen-Darm-Trakts, Tumoren der weiblichen Geschlechtsorgane
Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 / MEN1
Hormon-produzierende Tumoren (Magen-Darm-Trakt, ZNS, Nebenschilddrüse, Nebennieren), Gefäßtumoren (Angiofibrome des Gesichts), ZNS-Tumoren, Lipome
Multiple endokrine Neoplasie Typ 2 / MEN2
Schilddrüsenkarzinom, Nebennierentumoren, Nebenschilddrüsentumoren
Neurofibromatose Typ 1 / NF1-Gen
(Sehbahn-)Gliome, maligne periphere Nervenscheidentumoren, t-AML
Nijmegen-Breakage-Syndrom / NBS1- oder NBS2-Gen
akute lymphoblastische Leukämie (mit ZNS-Beteiligung), B-Zell-Lymphome, ZNS-Tumoren (Medulloblastom, Gliome), Rhabdomyosarkome, Brustkrebs
Peutz-Jeghers-Syndrom / LKB1-Gen
Darmpolypen, Darmkrebs (Kolonkarzinome)
Prädispositionssyndrom für maligne Rhabdoidtumoren / hSNF5-Gen
maligne Rhabdoidtumoren (ZNS, Niere, Weichgewebe), Medulloblastom, embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren
Retinoblastom / Retinoblastomgen (RB1-Gen)
Netzhauttumoren (Retinoblastome), ZNS-Tumoren, Osteosarkom, Malignes Melanom, Rhabdomyosarkome
Turcot-Syndrom ("biallelic mismatch repair deficiency") / MLH1-, MSH2- oder MSH6-, PMS2-Gene
Tumoren des Darms (Kolonkarzinome), ZNS-Tumoren, Leukämien, Lymphome
Von-Hippel-Lindau-Syndrom (VHL-Gen)
Gefäßtumoren (Hämangioblastome), ZNS-Tumoren, Nierentumoren (Nierenzellkarzinome)
WAGR-Syndrom / Wilms-Tumorgen (WT-Gen)
Wilms-Tumor

Wichtig zu wissen: Um das Risiko von Zweitkrebserkrankungen so gering wie möglich zu halten, wird im Rahmen einer Krebstherapie bei Patienten mit genetischen Risikofaktoren darauf geachtet, dass sie insgesamt weniger intensive Behandlungen erhalten. Dennoch sind die empfohlenen Nachsorgeuntersuchungen (siehe Kapitel "Nachsorgeempfehlungen") auch für diese Gruppe der Langzeitüberlebenden unverzichtbar.