Spätfolgen nach einer Strahlentherapie
Autor: Dr. med. Gesche Riabowol (geb. Tallen), Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 07.10.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e211480
Spätfolgen nach einer Strahlentherapie im Kindes- oder Jugendalter entstehen aufgrund von dauerhaften strahlenbedingten Gewebeschädigungen. Spätfolgen können das Körperwachstum und die Pubertätsentwicklung, Hormonbildung, Speichelbildung sowie die Funktionen von Nervensystem, Augen, Ohren, Leber, Herz und Lunge beeinträchtigen. Drei von vier ehemaligen Patienten entwickeln Spätfolgen nach einer Krebstherapie im Kindes- oder Jugendalter.
Risiko und Ausmaß von Spätfolgen nach einer Strahlentherapie variieren von Patient zu Patient. Zahlreiche verschiedene Faktoren haben einen Einfluss darauf, ob ein Patient bestimmte Spätfolgen entwickeln wird und wenn ja, welche. Zu diesen Faktoren zählen zum Beispiel die zugrundeliegende Krebserkrankung, die Art einer begleitenden Chemotherapie, die Folgen einer Operation, bestehende Begleiterkrankungen (zum Beispiel eine Neurofibromatose) sowie das Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Therapie [TIM2018a].
Zu beachten: Risiko und Ausmaß von Spätfolgen nach einer Strahlentherapie im Kindes- oder Jugendalter werden nicht allein durch die Strahlentherapie bestimmt. Somit lassen sich Spätfolgen individuell nicht exakt vorhersagen.
Das Behandlungsteam berücksichtigt die bekannten Risikofaktoren allerdings bei der Bestrahlungsplanung. So erhält beispielsweise ein Patient mit einer begleitenden Neurofibromatose in der Regel niedrigere Strahlendosen als ein Patient ohne diese Begleiterkrankung. Dies liegt daran, dass die Gewebe von Neurofibromatose-Patienten strahlensensibler und somit anfälliger für Strahlenschäden sind.
Wichtig zu wissen: Um eventuellen Spätfolgen nach einer Strahlentherapie vorzubeugen beziehungsweise diese rechtzeitig erkennen und behandeln zu können, sollten alle Patienten nach einer Strahlen- beziehungsweise generell einer Krebstherapie unbedingt die Möglichkeiten der Früh- und Langzeitnachsorge wahrnehmen.
Spätfolgen an der bestrahlten Körperregion
Bezogen auf die jeweils bestrahlte Körperregion geben die folgenden Informationen einen Überblick über mögliche (das heißt: nicht unbedingt immer oder bei jedem Patienten entstehende) Spätfolgen nach einer Strahlentherapie im Kindes- oder Jugendalter, die entsprechend bei der Nachsorge besonderer Aufmerksamkeit bedürfen [COG2018] [TAL2015] [TIM2018a]
Weichteile und Knochen (Skelett)
Sowohl Knochen- als auch Weichgewebe sind während der Wachstumsschübe im Kindes- und Jugendalter, das heißt im Kleinkindalter (bis zum 6. Lebensjahr) sowie vor und während der Pubertät (11. bis 13. Lebensjahr) besonders anfällig für Schädigungen durch Strahlen. Diese können, je nach verabreichter Strahlendosis, später gesundheitliche Probleme, insbesondere Verzögerungen des Körperlängenwachstums bis hin zum Wachstumsstillstand (Kleinwuchs) und die unzureichende Entwicklung von Organen (Hypoplasien) verursachen.
Fortpflanzungsorgane
Bereits niedrige Strahlendosen (über 1–2 Gray, kurz: Gy) im Bereich der Hoden können später die Spermienentwicklung (Spermatogenese), höhere Dosen (mehr als 20 Gy) auch die Produktion von männlichem Geschlechtshormon (Testosteron) beeinträchtigen und dadurch zu Unfruchtbarkeit führen.
Bei Mädchen, die eine Bestrahlung im Bereich der Eierstöcke erhalten haben, kann es später ebenfalls zu Störungen der Ei-Entwicklung (Oogenese) und verminderter Produktion von weiblichen Sexualhormonen (Östrogene, Gestagen) kommen.
Bereich Zwischenhirn (Hypothalamus) und Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
Strahlendosen von 35–60 Gy im Bereich von Hypophyse und Hypothalamus verursachen Funktionsstörungen dieser Strukturen im Zentralnervensystem. In der Folge kommt es zu einer verminderten oder fehlenden Produktion von wichtigen Hormonen.
Hinsichtlich Strahlenempfindlichkeit besonders betroffen ist die Produktion von Wachstumshormonen, gefolgt von Hormonen, die wiederum die Bildung und Freisetzung von unterschiedlichen Hormonen in anderen Organen des Körpers steuern. Hierzu gehören das TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon), das die Hormonproduktion in der Schilddrüse steuert (siehe Folgekapitel), bestimmte Geschlechtshormone (luteinisierendes Hormon – LH, Follikel-stimulierendes Hormon – FSH), die die Funktion der Keimdrüsen gewährleisten, das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) zur Bildung von Steroidhormonen in den Nebennieren, außerdem Prolaktin, das die Milchbildung nach der Geburt anregt, und Vasopressin (antidiuretisches Hormon – ADH), ein Hormon, das entscheidend zur Regulation des Wasserhaushalt in den Nieren beiträgt.
Werden diese Hormone nur bedingt oder gar nicht produziert, kommt es zu verschiedenen Störungen (hypothalamisches Syndrom), wie beispielsweise Minderwuchs, Schilddrüsenunterfunktion, Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit sowie Störungen des Wasserhaushalts (Diabetes insipidus). Um diesen hormonellen Problemen vorzubeugen, beziehungsweise um sie rechtzeitig und erfolgreich behandeln zu können, zum Beispiel durch Gabe von Wachstums- und/oder Schilddrüsenhormontabletten, sind regelmäßige Kontrollen der Hormonwerte im Rahmen der Nachsorge erforderlich.
Schilddrüse
Die Schilddrüsenfunktion kann nicht nur indirekt beeinträchtigt sein, wie beim hypothalamischen Syndrom nach Bestrahlung im Bereich des Zwischenhirns (siehe vorheriges Kapitel), sondern auch direkt – zum Beispiel nach Bestrahlung im Halsbereich. Das gilt insbesondere nach Strahlendosen von über 20 Gy. In der Regel kommt es zwei bis fünf Jahre nach Ende der Strahlentherapie oder auch noch später zu einer verminderten Produktion des Schilddrüsenhormons (Thyroxin), einer so genannten Hypothyreose. Je höher die Strahlendosis im Bereich der Schilddrüse war, desto größer ist das Risiko, innerhalb von 20 Jahren nach Therapieende eine Schilddrüsenunterfunktion zu entwickeln. Aus diesem Grund werden bei ehemaligen Patienten nach Bestrahlung im Halsbereich die Thyroxin-Blutspiegel regelmäßig kontrolliert.
Ein Mangel an Schilddrüsenhormon geht mit einer Verlangsamung sämtlicher Stoffwechselvorgänge im Organismus einher. Patienten mit einer Hypothyreose klagen typischerweise oft über verminderte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, Gewichtszunahme und Verstopfung. Bei Kindern und Jugendlichen kann es außerdem zu Entwicklungsverzögerungen kommen. Deshalb erfordert eine Hypothyreose in der Regel eine Hormonersatztherapie (regelmäßige Einnahme von Schilddrüsenhormon in Tablettenform) sowie regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Hormonspezialisten (Endokrinologe).
Haut
Abhängig von der Strahlendosis kann die Haut nach einer Strahlentherapie akute, vorübergehende Strahlenschäden erleiden, beispielsweise Haarausfall und Hautrötungen zwei bis drei Wochen nach der Behandlung, und/oder auch bleibende Spätschäden, zum Beispiel Erweiterungen kleiner Blutgefäße (Teleangiektasien) oder Vernarbungen.
Verdauungstrakt
Strahlenbedingte Probleme im Verdauungstrakt sind dosisabhängig und Folge der Schädigung der hoch strahlensensiblen Schleimhäute, die Mund, Rachen, Speiseröhre, Magen, Dünn-, Dick- und Enddarm von innen auskleiden.
Man unterscheidet:
- die akute, vorübergehende Strahlenschädigung, die in der Regel meist in der 3. Woche nach Bestrahlungsende beginnt und mit entzündlichen Veränderungen der Schleimhäute und in der Folge mit Bauchschmerzen und Durchfall einhergeht,
- chronische, bleibende Veränderungen der Schleimhäute und deren Blutgefäße, wie Minderdurchblutung, Vernarbungen (Fibrosen) mit Darmverengungen (Stenosen), infolgedessen mangelhafte Nährstoffaufnahme aus der Nahrung (Malabsorption) und Verdauungsstörungen.
Leber
Die Leber gilt insgesamt als gering strahlensensibel. Deshalb sind Spätschäden in diesem Organ, insgesamt gesehen, selten. Das Risiko steigt jedoch, wenn die Leber mit mehr als 30 Gy bestrahlt wurde beziehungsweise wenn eine Chemotherapie mit leberschädigenden Zytostatika verabreicht und das Organ mit mehr als 15 Gy bestrahlt wurde. Die Strahlen können das Lebergewebe schädigen, indem sie zu Vernarbungen des Organs (Leberzirrhose) und dadurch zu Leberfunktionsstörungen bis hin zum Leberversagen führen.
Außerdem kann eine Bestrahlung der Leber Schädigungen der Lebervenen verursachen: Es kommt zu Verkalkungen in den Gefäßwänden und, infolgedessen, zu Gefäßverengungen (Stenosen), verlangsamtem Blutfluss beziehungsweise zum Aufstau von venösem Blut. Letzteres sickert in der Folge oft ins umgebende Lebergewebe und löst dort entzündliche Veränderungen und Funktionsstörungen aus (so genannte venookklusive Erkrankung). Ein erhöhtes Risiko für eine venookklusive Erkrankung (VOD) haben vor allem Patienten nach einer Ganzkörperbestrahlung.
- Müdigkeit (Fatigue), Leistungsminderung, Konzentrationsstörungen
- Gelbfärbung der Haut und des Augenweiß (Ikterus)
- Milzvergrößerung (durch Blutstau zwischen Leber und Verdauungstrakt)
- verminderte Produktion bestimmter Körpereiweiße (so genannte Lebersynthesestörung) – in der Folge zum Beispiel Hautblutungen und vermehrte Neigung zu blauen Flecken (durch verminderte Produktion von Gerinnungsfaktoren), Hormonmangelerscheinungen (durch verminderte Produktion von Hormonbestandteilen), Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum (Aszites, durch verminderte Produktion des Eiweißes Albumin)
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen der Leberfunktion (beispielsweise durch körperliche Untersuchung, Ultraschall, Bestimmung der Leberwerte im Blut) sind Standard im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen nach einer Krebstherapie.
Knochenmark
Das Knochenmark ist hoch strahlensensibel: Bereits nach geringen Dosen (1–2 Gy) kommt es ein paar Wochen bis Monate nach Bestrahlungsende zu einer starken Verminderung der Blutbildung in der betroffenen Knochenmarksregion. Zuerst ist die Bildung von weißen, danach die der roten Blutkörperchen betroffen.
Allerdings können bis zu einem Viertel des gesamten Knochenmarks mit höheren Dosen bestrahlt werden, ohne dass es zu einer gefährlichen Verminderung der Blutbildung kommt. Das liegt daran, dass die nicht bestrahlten Knochenmarksregionen aktiver werden und die Arbeit des geschädigten Bereichs übernehmen. Aber selbst dieser Kompensationsmechanismus hat seine Grenzen: Wurden mehr als 50 % des Knochenmarks mit mehr als 50 Gy bestrahlt, kann keine ausreichende Blutbildung mehr erfolgen. Eine solche Schädigung des Knochenmarks wird auch als „Knochenmarkdepression“ oder „Myelodepression" bezeichnet.
Das Ausmaß einer Myelosuppression hängt nicht nur von der Strahlendosis auf eine bestimmte Knochenmarksregion ab, sondern auch davon, ob eine das Knochenmarks unterdrückende Chemotherapie verabreicht wurde und, wenn ja, welche.
Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark)
Die Spätschäden, die Jahre nach einer Schädel- beziehungsweise Rückenmarksbestrahlung auftreten können, sind die Folge bleibender Schäden sowohl der Blutgefäße im Gehirn als auch im Nervengewebe selbst. Sie sind vielseitig und stark abhängig vom Lebensalter des Kindes zum Zeitpunkt der Bestrahlung, von der eingesetzten Strahlendosis, dem Strahlenfeld, der Grunderkrankung und anderen wichtigen Therapieelementen wie Operation und Chemotherapie.
Das Gehirn von Säuglingen und Kleinkindern ist hoch strahlensensibel. Aus diesem Grund wird in der Regel auf eine Strahlentherapie in diesen Altersgruppen verzichtet. Die meisten älteren Kinder und Jugendlichen vertragen eine Strahlentherapie (mit Dosen bis zu 60 Gy) im Allgemeinen besser – ihr Risiko, fünf Jahre nach Behandlungsende schwere Spätfolgen zu entwickeln, beträgt insgesamt 5 %.
Zu diesen Spätfolgen gehören beispielsweise:
- geistige und emotionale/psychosoziale Entwicklungsstörungen
- erhöhtes Risiko für Schlaganfälle
- Lähmungen von Hirnnerven, insbesondere des Gesichtsnervs mit Funktionseinschränkungen der Gesichtsmuskeln, des Sehnervs mit Verlust der Sehkraft (Visusverlust) und des Hörnervs mit Gleichgewichts- und Hörstörungen (siehe Kapitel zu Augenhöhle und Sehbahn beziehungsweise Gehör unten)
- Hormonelle Ausfälle (siehe Kapitel zu Zwischenhirn und Hirnanhangsdrüse oben)
- Störungen des Wirbelsäulenwachstums (zum Beispiel Minderwuchs / verringerte Sitzgröße, Kyphose, Skoliose)
- Störungen von Mund-/Kiefer- und Zahnentwicklung (siehe Kapitel zu Mund-, Kiefer-, Gesichtsbereich unten)
- Krampfanfälle
Herz
Patienten, deren Herz mit mehr als 30 Gy bestrahlt wurde, haben ein erhöhtes Risiko, später Funktionsstörungen des Herzens zu entwickeln. Das Risiko steigt, wenn zusätzlich eine Chemotherapie mit Anthrazyklinen verabreicht wurde. Die Strahlen können zu krankhaften Veränderungen der Herzkranzgefäße und der Herzklappen führen, die wiederum die Pumpleistung des Herzens herabsetzen. Um eine reduzierte Herzleistung rechtzeitig zu erkennen, finden im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen regelmäßige Kontrollen der Herzfunktion statt (zum Beispiel mittels Elektrokardiographie (EKG) und Echokardiographie).
Lunge
Die Lunge ist ein sehr strahlensensibles Organ. Eine Bestrahlung in diesem Bereich kann sowohl die Zellen des Lungengewebes (Pneumozyten) und Bindegewebszellen (Fibroblasten) als auch die Wände der Lungengefäße und die Strukturen, die für die Sauerstoffaufnahme verantwortlich sind (alveolokapilläre Membranen) dauerhaft schädigen. Oft kommt es zunächst zu akuten Entzündungsreaktionen (Pneumonitis). Diese können jedoch später in irreparable, das heißt nicht mehr heilbare, Vernarbungen des Lungengewebes übergehen (Lungenfibrose) und auf diese Weise die Lungenfunktion beeinträchtigen.
Insgesamt hängt das Risiko für strahlenbedingte Spätschäden in der Lunge davon ab, wie hoch die Strahlendosis auf das Lungengewebe und wie groß der bestrahlte Lungenanteil (im Verhältnis zum nicht bestrahlten) war. Von Bedeutung ist auch, wie gut die Lunge des Patienten vor Beginn der Strahlentherapie gearbeitet hat.
Wurden beispielsweise nur kleine Regionen der Lunge bestrahlt, kommt es später eher selten zu gesundheitlichen Problemen (selbst nach hohen Dosen von über 40 Gy). Haben jedoch beide Lungen eine Dosis von mehr als 12–18 Gy erhalten und/oder wurde ein Resttumor in der Lunge mit einer zusätzlichen Dosis bestrahlt, so erhöht sich das Risiko für eine dauerhafte Verschlechterung der Lungenfunktion. Dazu gehören beispielsweise Schwierigkeiten bei der Atmung oder auch Wachstumsstörungen im Bereich des knöchernen Brustkorbs (insbesondere nach Bestrahlung der Lunge im Kleinkindalter).
Urogenitaltrakt (Nieren, Harnblase, ableitende Harnwege)
Ab einer Dosis von 15–25 Gy kann eine Bestrahlung entzündliche Reaktionen und später Vernarbungen verursachen, die in der Folge, im Durchschnitt sechs bis zwölf Monate nach Ende der Strahlentherapie, zu Funktionsstörungen der Niere(n) führen.
Erhält die Harnblase insgesamt mehr als 45 Gy während einer Strahlentherapie, so hat der Patient ein hohes Risiko, später Probleme beim Wasserlassen zu entwickeln oder vermehrt an Blasenentzündungen zu erkranken.
Brustbereich
Nach Bestrahlungen der Brust kann es, in Abhängigkeit vom Alter beziehungsweise Entwicklungsstadium des Patienten, bereits bei Dosen unter 5–10 Gy zu Störungen der Brustentwicklung sowie zu einem erhöhten Risiko für späteren Brustkrebs kommen.
Augenhöhle und Sehbahn
Die Augenhöhle enthält viele verschiedene Strukturen, beispielsweise den Augapfel mit seiner Augenlinse, der Hornhaut und der Netzhaut (Retina) sowie die Tränendrüsen. Dementsprechend sind die Spätfolgen nach Bestrahlung der Augenhöhle vielseitig und die ehemaligen Patienten sollten sich regelmäßig von einem Augenarzt untersuchen lassen.
Typische Spätfolgen nach einer Bestrahlung im Bereich der Augenhöhle sind Trübungen der Augenlinse (Grauer Star, Katarakt), bereits nach Dosen zwischen 2 und 12 Gy, sowie ein erhöhter Augeninnendruck (Glaukom) und das so genannte „Syndrom des trockenen Auges“ (Keratoconjunctivitis sicca) als Folge einer Schrumpfung (Atrophie) der Tränendrüse nach Strahlendosen über 40 Gy.
Ab Dosen über 50 Gy kann es zum bleibenden Wimpernverlust kommen. Außerdem steigt nach Bestrahlung mit 50 Gy und mehr das Risiko für eine dauerhafte Schädigung des Sehnervs und der Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) stark an, sofern diese im Strahlenfeld liegen. Dies gilt auch für Netzhautschädigungen (Retinopathie) mit Sehverlust. Bei Patienten mit einer begleitenden Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist das Risiko, später eine Retinopathie zu entwickeln, erhöht gegenüber Patienten ohne Zuckerkraanaakheit.
Gehör
Nach hohen Strahlendosen (30–50 Gy) kann es zum Hörverlust kommen, vor allem dann, wenn auch eine Chemotherapie mit Platinsubstanzen (Cisplatin, Carboplatin) verabreicht wurde. Patienten mit einer Neurofibromatose haben ein zusätzlich erhöhtes Risiko, nach Bestrahlung des Gehörs zu ertauben.
Mund-, Kiefer-, Gesichtsbereich
Strahlenbedingte Schädigungen im Mund-, Kiefer- Gesichtsbereich können bei Kindern und Jugendlichen bereits nach direkter Einwirkung von Dosen über 10 Gy entstehen. Zu ihnen gehören insbesondere:
- Störungen der Zahnentwicklung
- erhöhtes Risiko für Karies
- Störungen der Entwicklung von Kiefergelenk und -knochen, einhergehend mit kosmetischen Problemen und Problemen beim Sprechen oder Kauen
- ständige Mundtrockenheit
Zweitkrebserkrankungen (Sekundärmalignome)
Patienten, die im Rahmen der Krebstherapie eine Strahlentherapie mit therapeutischen Dosen von 10–50 Gy erhalten haben, tragen ein gewisses Risiko, Jahre bis Jahrzehnte nach Behandlungsende eine neue Krebserkrankung beziehungsweise einen neuen Tumor zu entwickeln. Dieses Risiko ist bei zusätzlicher Behandlung mit bestimmten Zytostatika (insbesondere Alkylantien) erhöht. Auch ein junges Alter des Patienten zum Behandlungszeitpunkt sowie genetischen Faktoren, insbesondere das Vorliegen eines Krebsprädispositionssyndroms (wie Retinoblastom, Neurofibromatose) erhöhen das Zweitkrebsrisiko.
Typische strahleninduzierte Zweittumoren sind, in Abhängigkeit vom Strahlenfeld, zum Beispiel ZNS-Tumoren, Weichgewebetumoren und Knochentumoren (Sarkome), Brustkrebs (Mamma-Karzinome) und Schilddrüsenkrebs.
Weitere, allgemeine Informationen zu Zweitkrebserkrankungen nach einer Krebsbehandlung im Kindes- oder Jugendalter finden Sie hier
Behandlung von Spätfolgen einer Strahlentherapie
Sowohl die zugrundeliegende Krebserkrankung als auch das Alter des Patienten zum Behandlungszeitpunkt, Art und Intensität der begleitenden Chemotherapie und gleichzeitig bestehende Begleiterkrankungen sind wichtige Faktoren, die für ein erhöhtes Risiko und den Schweregrad strahlenbedingter Spätfolgen verantwortlich sind.
Da Spätfolgen nach einer Krebstherapie im Kindes- und Jugendalter multifaktoriell bedingt sind, gehen sie auch mit ganz individuellen Eigenschaften einher und beeinflussen den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der ehemaligen Patienten auf ganz unterschiedliche Weise. Aus diesem Grund ist auch das Management beziehungsweise die Behandlung dieser Spätfolgen individuell.
Die Nachsorgeuntersuchungen nach einer Krebstherapie sind unverzichtbar, nicht nur, um Erkrankungsrückfällen, sondern auch Spätfolgen bestmöglich vorzubeugen und/oder sie so früh wie möglich zu erkennen. Gemeinsam mit dem Patienten und den Eltern kann im Rahmen der Nachsorge ein individueller Plan erstellt werden, der festlegt, wie am besten mit Spätfolgen verfahren werden soll.

