Situation bei Mädchen und Frauen
Autor: Dr. med. Gesche Riabowol (née Tallen), Maria Yiallouros, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 19.04.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e150443
Inhaltsverzeichnis
Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit
Die Fortpflanzungsorgane der Frau bestehen unter anderem aus der Gebärmutter (Uterus) sowie den beiden Eileitern und den beiden Eierstöcken (Ovarien). Die Eierstöcke haben zwei wichtige Funktionen: Sie stellen die befruchtungsfähigen Eizellen bereit und sie bilden die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen [siehe Östrogene] und Progesteron.
Eizellreifung
Jedes Mädchen kommt mit einem Vorrat von ein bis zwei Millionen Eizellen zur Welt. Die noch unreifen Eizellen sind jeweils von einer Hülle umgeben; Eizelle und Hülle bilden gemeinsam den so genannten Follikel (Eibläschen). Mit Beginn der Pubertät reifen jeden Monat während des Menstruationszyklus in einem der Eierstöcke einige Follikel heran; sie produzieren das Geschlechtshormon Östrogen, das unter anderem für den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut verantwortlich ist (siehe auch Abschnitt "Östrogenproduktion").
Etwa in der Mitte des Zyklus findet der so genannte Eisprung statt: Dabei verlässt eine reife, befruchtungsfähige Eizelle den Eierstock und wandert durch den Eileiter in die Gebärmutter. Aus den Resten des Follikels entwickelt sich der Gelbkörper, der das Hormon Progesteron bildet. Progesteron veranlasst, unter anderem, den weiteren Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und bereitet so den Körper auf eine Schwangerschaft vor.
Abbildung: Der Schnitt durch den Eierstock zeigt schematisch die verschiedenen Phasen der Eizellentwicklung, ausgehend vom frühen Follikel (Primärfollikel) über die Freisetzung der Eizelle aus dem Eierstock (Eisprung) bis hin zum Abbau der Follikelreste zum Gelbkörper. (© bilderzwerg - Fotolia.com)
Eine Schwangerschaft entsteht, wenn eine Eizelle auf dem Weg vom Eierstock zur Gebärmutter innerhalb von 12 bis 24 Stunden von einer männlichen Samenzelle befruchtet wird und sich anschließend in die Schleimhaut der Gebärmutter einnistet. Der Ort der Befruchtung ist in der Regel der Eileiter.
Abbildung: (1) Eisprung, (2) Befruchtung der Eizelle, (3-7) erste Teilungen der befruchteten Eizelle während ihrer Wanderung durch den Eileiter und (8) Einnistung des Embryos in die Gebärmutter (© lom123 - Fotolia.com)
Gut zu wissen: Aus dem Follikel-Vorrat aufgebrauchte Eizellen werden nicht nachgebildet. Follikel, die durch eine Chemotherapie oder Strahlentherapie zerstört werden, stehen somit nicht mehr für eine spätere Eizellreifung zur Verfügung. Ein Eintritt der Wechseljahre mit Anfang 30 beziehungsweise eine vorzeitig eintretende Menopause können die Folge sein (siehe unten).
Östrogenproduktion
Östrogen ist das wichtigste weibliche Sexualhormon. Es sorgt in der Pubertät für die Geschlechtsentwicklung, das heißt, für die Ausbildung der äußeren Merkmale, die die Geschlechtsreife signalisieren (so genannte sekundäre Geschlechtsmerkmale). Dazu zählen vor allem das Wachstum von Brust und Schamhaar, Achselbehaarung, die Regelblutung (Menstruation, Menorrhoe) und die weibliche Körpererscheinung (breite Hüften, schmale Taille, schmale Schultern). Östrogene sind außerdem an der Steuerung des Menstruationszyklus beteiligt und spielen in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle. Außerdem wirken sie auf den Stoffwechsel und die Knochenbildung ein.
Gut zu wissen: Die sekundären Geschlechtsmerkmale (insbesondere Brust- und Schamhaarentwicklung) spielen bei der diagnostischen Beurteilung der Pubertätsentwicklung als Gradmesser der Geschlechtsreife eine wichtige Rolle. Die verschiedenen Entwicklungsschritte während der Pubertät werden mit Hilfe der so genannten Tanner-Stadien (Tanner-Klassifikation) unterschieden.
Regelkreis der Sexualhormone
Die Reifung der Follikel in den Eierstöcken erfolgt unter dem Einfluss von Geschlechtshormonen, die von Drüsen im Gehirn (Hypothalamus, Hypophyse) freigesetzt werden: Auf höchster Ebene schüttet der Hypothalamus das so genannte gonadotropinfreisetzende Hormon (GnRH) aus. Dieses Hormon stimuliert wiederum die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) dazu, Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) und luteinisierendes Hormon (LH) abzugeben. Über den Blutkreislauf gelangen FSH und LH zu den Eierstöcken, wo sie das Heranreifen von Follikeln und die Bildung von Östrogenen und Progesteron. Die Fruchtbarkeit einer Frau ist somit nicht nur von der Gesundheit und Funktionsfähigkeit der Geschlechtsorgane selbst abhängig, sondern setzt ein störungsfreies Zusammenspiel verschiedener Körperorgane und ihrer Hormonfunktionen voraus.
Was bedeutet Fruchtbarkeit?
Für eine Frau bedeutet Fruchtbarkeit, dass sie eigene Kinder bekommen kann. Die Fruchtbarkeit beginnt in der Pubertät mit der ersten Monatsblutung (Menarche), erreicht ihren Höhepunkt Anfang 20 und nimmt dann mit zunehmendem Alter ab, bis sie in den Wechseljahren mit der letzten Monatsblutung (Menopause) endet. Die Menopause tritt gewöhnlich zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr ein.
Mögliche Spätfolgen
Eine Krebsbehandlung kann bei Mädchen auf unterschiedliche Weise die Fruchtbarkeit beeinflussen oder beeinträchtigen. Abgesehen von der Art und Intensität der Behandlung spielt dabei insbesondere das Alter der Patientin zum Zeitpunkt der Behandlung eine Rolle:
- Prinzipiell scheinen Chemotherapie wie auch Strahlentherapie vor Eintritt der Pubertät weniger schädigend zu sein als nach Eintritt der Pubertät, da die Eierstöcke sich zu diesem Zeitpunkt noch im Ruhezustand befinden und dadurch weniger empfindlich sind.
- Bei einer jungen Frau wiederum ist das Risiko für eine dauerhafte Unfruchtbarkeit durch eine Strahlentherapie geringer als für eine ältere, da sie über mehr Eizellen verfügt und somit die Chance größer ist, dass einige davon die Therapie überstehen.
Zu den wichtigsten Spätfolgen einer Krebstherapie gehört die Schädigung der Eierstockfunktion. Sie kann zum Beispiel dazu führen, dass der Menstruationszyklus gestört wird, oder dass sich, bei Mädchen vor Eintritt der Geschlechtsreife, der Beginn der Pubertät verzögert. Auch eine verminderte Fruchtbarkeit oder vorzeitig eintretende Wechseljahre können Zeichen einer gestörten Eierstockfunktion sein. Weitere mögliche Spätfolgen sind eine beschleunigte oder vorzeitige Pubertätsentwicklung sowie Probleme bei Schwangerschaft und Entbindung.
Im Anschluss erhalten Sie Informationen zu den möglichen Spätfolgen, die eine Krebstherapie auf die Geschlechtsentwicklung und Fruchtbarkeit eines Mädchens / einer Frau haben kann.
Beeinträchtigung oder Erlöschen der Eierstockfunktion (Ovarialinsuffizienz)
Eine Krebstherapie kann dazu führen, dass die Eierstöcke (Ovarien) keine Eizellen beziehungsweise keine Geschlechts-Hormone mehr produzieren können oder zumindest in ihrer Funktion stark eingeschränkt sind. Eine solche Störung der Eierstockfunktion wird als „Ovarialinsuffizienz“ bezeichnet. Sie kann sowohl durch eine Schädigung der Eierstöcke selbst als auch durch eine Störung der übergeordneten Schaltzentralen im Gehirn – Hypothalamus und/oder Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) – verursacht werden. Letzteres hat zur Folge, dass die Hormone ausbleiben, die die Funktion der Eierstöcke (Eireifung, Produktion von Östrogen und Progesteron) regulieren.
Fachleute sprechen von primärer Ovarialinsuffizienz, wenn die Eierstöcke selbst betroffen sind. Liegt die Ursache des Eierstockversagens im Bereich der Hypophyse, spricht man von hypophysärer oder sekundärer Ovarialinsuffizienz; beruht die Ovarialinsuffizienz auf einer Hypothalamus-Schädigung, spricht man von hypothalamischer oder tertiärer Ovarialinsuffizienz.
Eine Ovarialinsuffizienz kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und – je nach Störungsursache und Alter der Patientin bei Behandlung – zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen.
Anzeichen einer Ovarialinsuffizienz können zum Beispiel sein:
- Ausbleibende, verzögerte oder unvollständige Pubertätsentwicklung
- Unregelmäßigkeiten im Menstruationszyklus oder Ausbleiben der Regelblutung
- Östrogenmangel
- Verminderte Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit
- Vorzeitige Wechseljahre oder Menopause
Im Anschluss erhalten Sie nähere Informationen zu den oben genannten Störungen.
Ausbleibende, verzögerte oder unvollständige Pubertätsentwicklung
Mädchen, die vor ihrer ersten Regelblutung im Bereich von Hypothalamus und/oder Hypophyse operiert oder bestrahlt oder mit bestimmten Dosierungen von Platinsubstanzen und/oder Alkylanzien behandelt wurden, haben ein erhöhtes Risiko, dass die Pubertät (und damit auch die Menstruation) bei ihnen gar nicht, unvollständig oder verzögert eintritt.
Von einer verzögerten Pubertätsentwicklung (Pubertas tarda) kann man ausgehen, wenn bei einem Mädchen im Alter von 13,5 Jahren noch keine Pubertätszeichen (wie Brust-/Schamhaarentwicklung) vorhanden sind, eine begonnene Pubertätsentwicklung länger als 18 Monate stillsteht oder die Entwicklung länger dauert als üblich [HAU2011] [RIC2012]. Wenn ein Mädchen das 16. Lebensjahr erreicht hat und noch keine Periodenblutung eingetreten ist, spricht man von einer primären Amenorrhoe.
Unregelmäßigkeiten im Menstruationszyklus oder Ausbleiben der Regelblutung
Bei ehemaligen Patientinnen, die vor Beginn der Krebstherapie bereits ihre Regelblutung (Menstruation) hatten, kann diese während oder auch nach der Behandlung unregelmäßig sein oder sogar vollständig ausbleiben. Wenn ein Mädchen oder eine Frau mit monatlicher Menstruation über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten keine Regelblutung mehr hat, ohne dass eine Schwangerschaft eingetreten ist, spricht man von einer sekundären Amenorrhoe. In diesem Fall findet keine Eizellreifung mehr statt und die Bildung von Östrogen in den Eierstöcken wird eingestellt. Die Betroffenen leiden in der Folge unter Unfruchtbarkeit und den Folgen des Östrogenmangels (siehe unten).
In vielen Fällen ist das Ausbleiben der Menstruation nur vorrübergehend, auch wenn es zum Teil mehrere Jahre dauern kann, bis sich der Zyklus wieder reguliert [PFI2014]. Eine sekundäre Amenorrhoe kann jedoch auch anhalten und somit dauerhaft zur Unfruchtbarkeit führen.
Östrogenmangel
Bei Frauen mit eingeschränkter oder erloschener Eierstockfunktion ist die Produktion von Östrogen gestört beziehungsweise eingestellt. Östrogen ist zum einen für den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut zuständig und somit Voraussetzung für eine Schwangerschaft. Das Hormon hat darüber hinaus noch andere Aufgaben im Organismus, so dass ein Mangel mit weiteren Folgen für den Betroffenen verbunden ist. Dazu gehören:
- eine Abnahme der Knochenstabilität (Osteoporose) und somit eine erhöhte Knochenbrüchigkeit,
- eine vermehrte Verkalkung der Blutgefäße (Arteriosklerose) und damit ein erhöhtes Risiko für Funktionsstörungen des Herz-Kreislauf-Systems,
- ein allgemeines Schwächegefühl und das Auftreten von Beschwerden, wie sie in den Wechseljahren typisch sind (zum Beispiel Hitzewallungen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Erschöpfung, Gemütsverstimmungen, verminderte Konzentrationsfähigkeit).
Verminderte Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit
Da eine Ovarialinsuffizienz – unabhängig von ihrer Ursache – letztlich immer eine beeinträchtigte Eizellreifung und Östrogenproduktion zur Folge hat (siehe auch oben), können die Betroffenen oft nicht schwanger werden.
Wichtig: Ehemalige Patientinnen mit erhöhtem Risiko für eine gestörte oder erloschene Eierstockfunktion sollten sich regelmäßig bei Hormonspezialisten (Endokrinologen) vorstellen, damit die Funktion der Ovarien fachgerecht getestet und überwacht wird. Auf diese Weise können Störungen frühzeitig erkannt und behandelt (beispielsweise durch eine Hormonersatztherapie) werden (siehe Kapitel „Empfehlungen für die Nachsorge“).
Vorzeitige Wechseljahre oder Menopause
Bei manchen ehemaligen Patientinnen können die Wechseljahre beziehungsweise die Menopause vorzeitig (das heißt, vor dem 40. Lebensjahr) eintreten, auch dann, wenn die Menstruation nach Abschluss der Krebstherapie zunächst wieder regelmäßig war Ursache kann beispielsweise sein, dass die Eierstöcke nicht in der Lage sind, regelmäßig Eizellen ausreifen zu lassen oder dass die Eizellen in den Eierstöcken frühzeitig aufgebraucht sind.
Ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Menopause (Klimakterium praecox) besteht insbesondere dann, wenn ein Eierstock entfernt werden musste oder wenn eine sehr intensive Chemotherapie oder eine Bestrahlung von Bauchraum oder Becken durchgeführt wurde. Der Vorrat an befruchtungsfähigen Eizellen in den Eierstöcken kann dadurch reduziert sein (siehe Abschnitt „Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit“). Ein durch Chemotherapie erhöhtes Risiko besteht insbesondere nach einer Morbus Hodgkin-Behandlung.
Wichtig: Frauen, deren Risiko für eine vorzeitige Menopause erhöht ist, wird empfohlen, ihrem Kinderwunsch vor dem 35. Lebensjahr nachzukommen.
Vorzeitige oder beschleunigte Pubertätsentwicklung
Nach einer Schädelbestrahlung kann es, aufgrund einer Schädigung von Nervenzellen im Gehirn (Hypothalamus), zu einer frühzeitigen und/oder beschleunigten Pubertätsentwicklung kommen (Pubertas praecox). „Frühzeitig“ bedeutet bei einem Mädchen, dass sich die ersten Pubertätszeichen, also die Veränderung der äußeren und inneren Geschlechtsmerkmale, bereits vor dem achten Geburtstag bemerkbar machen [HEG2019] [RIC2012].
Äußerlich erkennbar ist eine Pubertas praecox bei Mädchen unter anderem durch eine vorzeitige Vergrößerung der Brustdrüsen und/oder einem vorzeitigen Auftreten von Schamhaaren. Seltener kommt es bereits zur ersten Regelblutung. Die Pubertas praecox geht zunächst auch mit einem beschleunigten Längenwachstum einher, kann letztlich aber zu einem vorzeitigen Wachstumsstopp führen (siehe auch Kapitel "Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen nach der Therapie").
Probleme während der Schwangerschaft und Entbindung
Durch eine Bestrahlung im Bereich des Bauchraums (mit einer Dosis über 14 Gray) kann die Gebärmutter geschädigt werden [BOR2020] [GRE2009] [REU2009]. Dadurch erhöht sich bei den Betroffenen das Risiko für Fehl- und Frühgeburten. Außerdem kann das Neugeborene ein, im Verhältnis zur Schwangerschaftswoche, zu geringes Geburtsgewicht haben, was wiederum mit der Gefahr erhöhter Sterblichkeit des Kindes einhergehen kann.
Risikofaktoren für eine Beeinträchtigung der Fruchbarkeit
Die Risikofaktoren für eine Störung der Fruchtbarkeit nach einer Krebsbehandlung werden seit vielen Jahren erforscht. Da jede Behandlung aus mehreren Komponenten besteht und jede Patientin anders auf die verschiedenen Therapieformen und Medikamente reagiert, ist es schwierig, eindeutig festzustellen, welcher Therapiebestandteil in welcher Dosierung die Fruchtbarkeit schädigt.
Man weiß allerdings, dass verschiedene Behandlungen mit einem unterschiedlich hohen Risiko einer Fruchtbarkeitsschädigungeinhergehen. Eine möglichst genaue Risikobewertung bereits vor Behandlungsbeginn trägt dazu bei, vorbeugend verfügbare Maßnahmen zu ergreifen, die einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit bestmöglich entgegenwirken (siehe Kapitel "Vorbeugende Maßnahmen zur Erhaltung der Fruchtbarkeit vor Therapiebeginn"). Nach Ende der Therapie sollte jede Patientin gemeinsam mit ihrem Behandlungsteam klären, welches individuelle Risiko für eine Fruchtbarkeitsstörung bei ihr vorliegt. Denn nur so kann eine angemessene Nachsorge eingeleitet werden.
Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über Behandlungen mit hohem, mittlerem und niedrigem Risiko für eine Schädigung der Fruchtbarkeit. Die aufgeführten Risikofaktoren entsprechen dem aktuellen Forschungsstand und werden regelmäßig überprüft.
Generell gilt: Ein Beginn der Krebstherapie nach Eintreten der Pubertät erhöht das Risiko einer Fruchtbarkeitsstörung zusätzlich, ebenso wie eine Operation im Bereich von Becken, Hypothalamus und Hypophyse oder ein Hodgkin-Lymphom als Grunderkrankung [BOR2020] [REI2013b].
Behandlungen mit hohem Risiko
- Bestrahlung des Beckens mit einer Eierstock-Dosis ab etwa 10 Gray (zum Beispiel bei Krebsbefall der Beckenregion, manchmal auch bei Bestrahlung des Rückenmarks bei einem Hirntumor) [REI2013b] [WAS2014]
- Bestrahlung des ganzen Körpers ab etwa 10 Gray (im Rahmen der vorbereitenden Therapie [Konditionierung] bei einer Stammzelltransplantation) [BOR2012]
- Busulfan-Behandlung in einer Dosierung ab etwa 14 mg pro kg Körpergewicht (im Rahmen der Konditionierungstherapie bei einer Stammzelltransplantation) [BOR2012]
- Schädelbestrahlung im Bereich von Hypothalamus und Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) ab etwa 30 Gray [GRE2009] [KOU2013] [PFI2014]
Behandlungen mit mittlerem Risiko
Ein mittleres Risiko für eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit besteht bei der Behandlung mit bestimmten Zytostatika, deren Gesamt-Dosierung einen gewissen Wert überschreitet. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über diese Zytostatika und die relevanten Dosierungen (angezeigt in Gramm pro Quadratmeter Körperoberfläche).
- Busulfan: bei Dosis über 0,4 g / m²
- Carboplatin: bei Dosis über 2 g / m²
- Cisplatin: bei Dosis über 5 g / m²
- Cyclophosphamid: bei Dosis über 10 g / m²
- Etoposid: bei Dosis über 5 g / m²
- Ifosfamid: bei Dosis über 42 g / m²
- Melphalan: bei Dosis über 0,14 bis 0,24 g / m²
- Procarbazin: bei Dosis über 6 g / m²
Wenn Sie wissen möchten, ob solche Zytostatikadosen bei Ihnen / Ihrem Kind eingesetzt wurden, wenden Sie sich am besten im Rahmen der Nachsorge an Ihr Behandlungsteam. Eine Liste der Therapieprotokolle, bei denen entsprechende Dosierungen der genannten Medikamente eingesetzt wurden, finden Sie in der Leitlinie „Beeinträchtigung der Gonadenfunktion nach Krebs im Kindesalter“ [BOR2020]. Dort erhalten Sie auch weitere Informationsquellen zu den oben genannten Zytostatikadosen.
Behandlungen mit geringem Risiko
Bei Patienten, die keine der oben genannten Behandlungen erhalten haben, besteht in aller Regel nur ein geringes Risiko für eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. In der oben genannten Leitlinie [BOR2020] finden Sie eine Liste der Therapieprotokolle mit einem niedrigen Risikopotential für Fruchtbarkeitsschädigungen.
Empfehlungen für die Nachsorge
Nach Therapieende sollten sich alle Mädchen und jungen Frauen zur Überwachung der Pubertäts- und Fruchtbarkeitsentwicklung auch weiterhin regelmäßig untersuchen lassen. Ein frühzeitiges Erkennen von Störungen ermöglicht den Einsatz geeigneter Behandlungsmaßnahmen (zum Beispiel eine Hormontherapie). Außerdem dienen die Nachsorgeuntersuchungen dazu, ehemalige Patientinnen mit Fruchtbarkeitsstörungen bei der Familienplanung zu unterstützen.
Zu den jährlich empfohlenen Nachsorgeuntersuchungen gehören die Anamnese-Erhebung, die körperliche Untersuchung und, auf Wunsch und/oder bei Bedarf, eine Hormonanalyse. Darüber hinaus können ergänzende Untersuchungen sinnvoll sein. Die wichtigsten Nachsorgeuntersuchungen werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Anamnese-Erhebung
Der Arzt wird sich bei dieser Untersuchung nach der Krankengeschichte (Anamnese) der ehemaligen Patientin erkundigen und dabei insbesondere auf die Angaben zu Auftreten und Verlauf der Regelblutung (Zyklusanamnese) und zur Hormoneinnahme achten. Aus diesem Grund sollten die monatlichen Regelblutungen dokumentiert werden. Dazu empfiehlt sich das Führen eines Zykluskalenders, in dem aufgeschrieben wird, wann es zur Blutung kommt, wie lange sie anhält und ob es dabei Auffälligkeiten gibt. Dieser Kalender kann bei den Nachsorgeuntersuchungen dem behandelnden Arzt vorgelegt werden.
Körperliche Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung achtet der Arzt auf die körperliche Entwicklung und den Pubertätsverlauf der ehemaligen Patientin. Gemessen und bewertet werden die Entwicklungsschritte während der Pubertät mit Hilfe der so genannten Tanner-Stadien (siehe auch Abschnitt „Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit“), die bei Mädchen die Brustentwicklung und die Schambehaarung (als äußere Geschlechtsmerkmale) berücksichtigen.
Von einer verzögerten Pubertät kann zum Beispiel dann ausgegangen werden, wenn bei einem Mädchen ab 13 Jahren ein Tanner-Stadium 2 vorliegt (beginnende Entwicklung der Brustknospe; nur wenige lange, flaumige Schamhaare mit geringer Pigmentierung) [BRA2009] [BOR2020].
Hormonanalyse
Auf Wunsch oder bei einem behandlungsbedingt erhöhten Risiko für Fruchtbarkeitsstörungen können bei Betroffenen ab 13 Jahren nach einer Blutentnahme auch die Geschlechtshormone bestimmt werden. Untersucht werden dabei die Geschlechtshormone LH, FSH, das Östrogen Östradiol und das so genannte Anti-Müller-Hormon (AMH) am dritten bis fünften Zyklustag (siehe auch Abschnitt „Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit“). Das Anti-Müller-Hormon ist ein Gradmesser für die Fruchtbarkeit, denn es zeigt an, wie viele Eizellen im Eierstock noch zur Verfügung stehen. Da die Hormonwerte allerdings schwanken können, muss bei einem auffälligen Ergebnis mindestens eine weitere Analyse erfolgen.
Zu beachten ist, dass bei einigen Patienten nach einer Chemotherapie und/oder Strahlentherapie die Regelblutung vorrübergehend ausbleiben, später aber wieder einsetzen kann. Die Unterbrechung der Regelblutung kann bis zu 1,5 Jahren andauern.
Wichtig: Die Einnahme von Sexualhormonen beeinflusst das Ergebnis der Analyse. Bitte teilen Sie Ihrem Arzt daher mit, ob Sie zum Zeitpunkt der Untersuchung Hormone (zum Beispiel die Antibabypille) eingenommen haben.
Ultraschalluntersuchung
Eine ergänzende Ultraschalluntersuchung von Gebärmutter und Eierstöcken kann in manchen Fällen sinnvoll sein, um die Einschätzung der Eizellreserve zuverlässiger zu machen. Bei der Untersuchung werden alle Follikel beider Eierstöcke in der frühen Follikelphase, also am Anfang eines Regelzyklus, zusammengezählt. Die Zahl der gezählten Follikel pro Zyklus gibt einen Anhaltspunkt darüber, wie viele entwicklungsfähige Follikel insgesamt noch in den Eierstöcken vorhanden sind. Dieser Test ist allerdings nicht Teil der Basisuntersuchung zur Einschätzung der Fruchtbarkeit (siehe oben). Er wird nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Vorbeugende Maßnahmen zur Erhaltung der Fruchtbarkeit vor Therapiebeginn
Umfragen gemäß haben die meisten ehemaligen Patientinnen einen Kinderwunsch. Die behandelnden Ärzte streben deshalb an, das Risiko einer Unfruchtbarkeit so gering wie möglich zu halten. Bereits vor einer Krebsbehandlung können fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen ergriffen beziehungsweise eingeleitet werden, wenn genügend Zeit bis zum Beginn der Krebstherapie bleibt.
Welche Art vorbeugender Maßnahme bei der einzelnen Patientin in Frage kommt, hängt von Erkrankung, geplanter Therapie und, in besonderem Maße, von ihrem Alter und Pubertätsstatus ab. Einem Mädchen während oder nach der Pubertät stehen zum Teil andere Möglichkeiten zur Verfügung als einem Mädchen vor Eintritt der Pubertät. Einige der derzeit durchgeführten fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen bei Mädchen werden im Anschluss kurz erläutert.
Operation zur Verlagerung der Eierstöcke
bei Mädchen vor, während und nach der Pubertät
Ist im Rahmen der Krebstherapie eine Bestrahlung im Beckenbereich erforderlich, besteht die Möglichkeit, die Eierstöcke zuvor operativ aus dem Bestrahlungsgebiet zu verlagern, um die Schädigung so gering wie möglich zu halten. Nach Abschluss der Behandlung können die Eierstöcke in einem weiteren operativen Eingriff zurückverlagert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sie in der neuen Position zu belassen, wenn sich dies nicht negativ auf ihre Funktionsfähigkeit auswirkt.
Eine solche chirurgische Maßnahme hat allerdings auch Risiken: Es kann, zum Beispiel, zu einer Blutung, einer Infektion oder später auch zu einer zu geringen Durchblutung der Eierstöcke kommen. Diese Operationsrisiken werden vor einem solchen Eingriff daher sorgfältig gegenüber dem möglichen Nutzen für die Patientin abgewogen-
Gewinnung von Eizellen über eine Eierstockpunktion
bei Mädchen während und nach der Pubertät
Bei Mädchen, in deren Eierstöcken bereits Follikel heranreifen, können vor der Krebstherapie Eizellen durch eine Punktion entnommen werden. Die Punktion erfolgt unter Ultraschall mittels einer feinen Nadel durch die Scheide, meist unter Vollnarkose. Vor der Eierstockpunktion ist eine zweiwöchige Stimulation mittels Hormongaben erforderlich, die zu jedem Zyklustag begonnen werden kann.
Die entnommenen Eizellen werden anschließend eingefroren (so genannte Kryokonservierung) und, wenn nötig, jahrelang gelagert. Bei einem späteren Kinderwunsch können die eingefroreren Eizellen für eine künstliche Befruchtung verwendet werden, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege nicht möglich ist. Bei 20 - 40% der Patientinnen kann auf diese Weise eine Schwangerschaft erreicht werden.
Entnahme und Einfrieren von Eierstockgewebe
bei Mädchen während und nach der Pubertät
Bei Mädchen in und nach der Pubertät besteht die Möglichkeit, Eierstockgewebe mit reifen Eizellen zu entnehmen und einzufrieren. Hierfür ist keine vorherige Hormonbehandlung notwendig. Zu einem späteren Zeitpunkt kann das Gewebewieder zurückverpflanzt werrden, sinnvollerweise jedoch erst dann, wenn ein konkreter Kinderwunsch besteht
Sowohl für die Entnahme als auch die Rücktransplantation von Eierstockgewebe ist eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) erforderlich. Wie lange Eierstockgewebe nach einer Kryokonservierung im Körper funktionstüchtig bleibt, ist noch nicht gesichert. Aus diesem Grund ist diese Methode noch nicht als Standardverfahren etabliert.
Wichtig: Bevor Eierstockgewebe zurücktransplantiert wird, muss gesichert sein, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung keine Krebszellen in den Eierstock gelangt sind. Diese Gefahr ist bei Blutkrebserkrankungen (wie Leukämien) am größten, besteht aber auch bei anderen Krebskrankheiten, die sich über den Blutweg ausbreiten. Bei einem Befall mit Krebszellen ist die Verwendung einzelner Eizellen für eine künstliche Befruchtung eine mögliche Option.
bei Mädchen vor der Pubertät
Bei Mädchen vor der ersten Regelblutung kann, wenn durch die Krebstherapie ein hohes Risiko der Fruchtbarkeitsschädigung besteht, Eierstockgewebe mit noch unreifen Eizellen entnommen und eingefroren werden. Es ist allerdings noch nicht gesichert, wie erfolgreich eine spätere Eizellreifung sein wird, das heißt, die Methode befindet sich derzeit noch in der Experimentierphase und ist kein gängiges Verfahren.
Gut zu wissen: Nicht bei allen Patientinnen sind vorbeugend fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen möglich oder angezeigt. Manchmal wird empfohlen, auf diese zu verzichten, da sie mit einem gewissen Zeitaufwand vor Beginn der Krebstherapie verbunden sind. Eine Verzögerung von Chemo- und/oder Strahlentherapie ist jedoch in manchen Krankheitssituationen nicht vertretbar.
Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen nach der Therapie
Welche Behandlung bei einer Fruchtbarkeitsstörung in Frage kommt, hängt vor allem davon ab, zu welchem Zeitpunkt der Geschlechtsentwicklung (vor, nach der Pubertät) die Störung auftritt, welche Art der Beeinträchtigung vorliegt, auf welcher Ursache sie beruht und welches Ziel mit der Behandlung verfolgt werden soll.
Sind die Eierstöcke direkt geschädigt, ist in manchen Fällen nur eine Behandlung von Symptomen möglich, zum Beispiel eine Hormonersatztherapie, um vorzeitigen Wechseljahressymptomen vorzubeugen. Bei einer ausschließlichen Beeinträchtigung der übergeordneten Steuerungszentralen (Hypothalamus, Hypophyse) kann es dagegen möglich sein, dass durch die Verabreichung entsprechender Hormone die Fruchtbarkeit der Patientin wiederhergestellt wird.
Im Folgenden erhalten Sie Informationen zu verschiedenen Möglichkeiten der Hormontherapie sowie der künstlichen Befruchtung.
Hormonersatztherapie
bei ausbleibender oder verzögerter Pubertätsentwicklung (Pubertas tarda)
Eine Krebstherapie kann dazu führen, dass die Geschlechtshormone ausfallen, die für die Einleitung der Pubertätsenwicklung verantwortlich sind. Ob es sich dabei primär um einen Ausfall übergeordneter Hormone (Hypothalamus-, Hypophysenhormone) handelt, die wiederum die Produktion der Eierstockhormone beeinträchtigen, oder ob die Eierstockfunktion direkt gestört ist, hängt von der Art der Behandlung (Schädelbestrahlung, Chemotherapie, Bestrahlung im Bauch- oder Beckenbereich) und vom Ort der Organschädigung ab.
In beiden Fällen fehlt es letztlich immer an den Eierstockhormonen, vor allem an Östrogenen, die in der Pubertät eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass sich die typischen weiblichen Geschlechtsmerkmale (zum Beispiel Brust-, Schamhaarentwicklung) ausbilden und die Regelblutungen einsetzen (siehe Kapitel „Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit“). Die Behandlung einer Pubertas tarda besteht daher, unabhängig von ihrer Ursache, zunächst aus der Gabe von Östrogen. Diese zielt darauf ab, die Pubertät auszulösen und dann wie eine normale Pubertätsentwicklung fortschreiten zu lassen (Hormonentwicklungstherapie). Eine ausreichende Hormontherapie ist auch für die Festigung (Mineralisierung) der Knochen notwendig und beugt somit einer vorzeitigen Osteoporose vor.
Wenn ein bestimmtes Pubertätsstadium erreicht ist, wird die Östrogenbehandlung durch die Gabe von Gestagenen (Progesteron) ergänzt. Gestagene verhindern ein übermäßiges Wachstum der Gebärmutterschleimhaut und sind daher unter anderem für einen geregelten Menstruationszyklus wichtig. Die Wirksamkeit der Hormontherapie wird durch regelmäßige Untersuchungen (zum Beispiel körperliche Untersuchung mit Bewertung der Tanner-Stadien, Bestimmung des Knochenalters, Hormonanalysen) überprüft.
bei vorzeitiger Pubertätsentwicklung (Pubertas praecox) nach Schädelbestrahlung
Die Pubertas praecox wird durch eine Schädigung von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst, die dazu führt, dass der Hypothalamus vorzeitig das Hormon GnRH (Gonadotropin- Releasing Hormon) ausschüttet und somit die Pubertätsentwicklung – über die Stimulation der Hypophysenhormone FSH und LH und folglich der Eierstockhormone – in Gang setzt (siehe Regelkreis der Sexualhormone in Kapitel „Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit“).
Eine verfrühte, nicht altersgemäße körperliche Entwicklung stellt für die betroffenen Kinder eine große psychosoziale Belastung dar. Darüber hinaus kommt es, wenn keine Behandlung erfolgt, zu einem beschleunigten Knochenwachstum. Dies geht zunächst mit einem schnellen Längenwachstum einher, führt später aber, durch die zu frühe und zu schnelle Knochenreifung, zu einem vorzeitigen Wachstumsstopp. Da die Wachstumsphase dadurch insgesamt verkürzt ist, kann Kleinwuchs die Folge sein. Die behandelnden Ärzte sind daher bestrebt, eine vorzeitige Pubertätsentwicklung schnellstmöglich zu stoppen.
Die Behandlung erfolgt mit so genannten GnRH-Analoga, das sind Substanzen, die dem Hormon des Hypothalamus ähnlich sind. Die langfristige, regelmäßige Gabe dieser Hormonpräparate verhindert, dass der Kreislauf der Geschlechtshormone in Gang kommt. Die Hormone werden alle vier Wochen (als Monats-Depot) unter die Haut oder in einen Muskel gespritzt. Regelmäßige Untersuchungen (zum Beispiel körperliche Untersuchung mit Bewertung der Tanner-Stadien; gelegentliche Bestimmung des Knochenalters) dienen dazu, die Wirksamkeit der Hormontherapie zu überprüfen. Die Dauer der Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis der Zeitpunkt des normalen Pubertätsbeginns erreicht ist [HEG2019].
bei Östrogenmangel, Wechseljahressymptomen einer vorzeitigen Menopause
Infolge einer eingeschränkten oder erloschenen Eierstockfunktion (Ovarialinsuffizienz) kann es zu einem Mangel an Eierstockhormonen (Östrogene, Progesteron) kommen. Von Bedeutung ist insbesondere der Mangel an Östrogenen, der sich unter anderem durch Wechseljahressymptome oder eine vorzeitige Menopause bemerkbar machen kann (siehe Kapitel „Mögliche Spätfolgen – Krankheitsbilder und Symptome“).
Um einen solchen Hormonmangel auszugleichen und damit auch seinen Folgen entgegenzuwirken, wird das fehlende Hormon Östrogen in Form von Tabletten oder Pflastern verabreicht. Wenn die Gebärmutter noch vorhanden ist, erhält die betroffene Patientin außerdem Gestagene (Progesteron). Die Hormonersatztherapie kann von weiteren Maßnahmen beziehungsweise Empfehlungen begleitet sein (zum Beispiel Einnahme von Calcium und Vitamin D zur Stabilisation der Knochen, regelmäßige körperliche Betätigung zur Stärkung von Knochen und Herz-Kreislauf-System; Gespräche, psychosoziale Unterstützung zur Bewältigung der mit der eingeschränkten Fruchtbarkeit einhergehenden psychischen Belastung).
Eine Hormonersatztherapie mit Eierstockhormonen dient der Symptombehandlung, sie hat keinen Einfluss auf die Eizellreifung und somit die Fruchtbarkeit der Betroffenen. Bei einem bestehenden Kinderwunsch kann in manchen Fällen eine Behandlung mit den Geschlechtshormonen FSH und LH in Frage kommen (siehe Folgekapitel).
bei Kinderwunsch (im Falle einer Schädigung von Hypothalamus / Hypophyse nach Schädelbestrahlung)
Wenn die Funktionsstörung der Eierstöcke auf einer Schädigung der übergeordneten Hormondrüsen im Gehirn (Hypothalamus, Hypophyse) beruht, die Eierstöcke selbst also unbeschadet geblieben sind, kann durch die Gabe der fehlenden übergeordneten Hormone die Eierstockfunktion in Gang gesetzt werden.
Sowohl eine Schädigung des Hypothalamus mit nachfolgendem Mangel an GnRH als auch eine Schädigung der Hypophyse führen letztlich dazu, dass die Hormone FSH und LH nicht in ausreichendem Maße ausgeschüttet werden. Die Behandlung beinhaltet daher die Verabreichung dieser Hormone mit dem Ziel, die Eizellreifung in den Eierstöcken anzuregen (siehe Regelkreis der Sexualhormone in Kapitel "Fortpflanzungsorgane und Fruchtbarkeit").
Eine solche Hormonbehandlung kommt dann in Frage, wenn ein konkreter Kinderwunsch besteht. Zur Überprüfung der Follikelreifung unter Hormongabe werden Ultraschalluntersuchungen und Hormonanalysen durchgeführt. Wenn kein Kinderwunsch besteht, erfolgt eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen und Gestagenen, um den Symptomen vorzubeugen, die durch einen Mangel dieser Eierstockhormone verursacht werden (siehe vorheriger Abschnitt).
Wichtig: Bei einer primären Ovarialinsuffizienz kommt eine Behandlung mit Hypophysenhormonen nicht in Frage, da die Störung der Eizellreifung und somit die Fruchtbarkeitsstörung an den Eierstöcken selbst liegt und durch eine entsprechende Therapie nicht rückgängig gemacht werden kann. Bei Betroffenen mit primärer Ovarialinsuffizienz ist die Möglichkeit, auf einem natürlichen Wege schwanger zu werden, deutlich erniedrigt oder ausgeschlossen.
Künstliche Befruchtung mittels zuvor gewonnener Eizellen
Eine künstliche Befruchtung wird nur dann in Erwägung gezogen, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege nicht möglich ist. Bei einer künstlichen Befruchtung werden Eizellen außerhalb des weiblichen Körpers mit Samenzellen befruchtet. Verschiedene Methoden stehen dafür zur Verfügung:
- In-vitro-Fertilisation (IVF): Bei diesem Verfahren werden Samenzellen zur Befruchtung mehrerer Eizellen in ein Reagenzglas gegeben. Die Samenzellen finden selbst den Weg zur und in die Eizellen. Die befruchteten Eizellen werden anschließend in die vorbereitete Gebärmutter eingebracht.
- Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Bei dieser Methode wird unter einem speziellen Mikroskop eine einzelne Samenzelle direkt in eine Eizelle injiziert. Die auf diese Weise befruchteten Eizellen werden anschließend in die Gebärmutterschleimhaut eingebracht.
Welches Verfahren am sinnvollsten ist, hängt vor allem von der Menge der zu Verfügung stehenden Eizellen ab. Das erste Verfahren erfordert mehr Eizellen als das zweite.
Für die künstliche Befruchtung können vor der Behandlung entnommene, eingefrorene Eizellen verwendet werden, sofern vor der Krebstherapie bereits eine solche Eizellentnahme möglich war (siehe Abschnitt „Vorbeugende Maßnahmen zum Erhalt der Fruchtbarkeit vor der Therapie“). Aber auch nach der Behandlung können Eizellen oder Eierstockgewebe mit dem Ziel gewonnen werden, die Chancen auf ein eigenes Kind zu einem späteren Zeitpunkt mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung zu verbessern. Eine solche Maßnahme kann vor allem dann in Frage kommen, wenn Fruchtbarkeitsuntersuchungen nach einer Chemo- oder Strahlentherapie wiederholt eine eingeschränkte Eizellreserve anzeigen.
Weitere Informationen
zum Thema Fruchtbarkeit nach Krebstherapie finden Sie auf der Webseite www.fertiprotekt.de. Die Seite bietet, neben allgemeinen Patienteninhalten, auch speziell Seiten zum Thema "Krebserkrankungen im Kindesalter". Darüber hinaus erhalten Sie dort Kontaktdaten von Zentren und Experten für Diagnose und Therapie von Fruchtbarkeitsstörungen sowie von Experten der Reproduktionsmedizin zur Kinderwunschbehandlung nach Krebstherapie.
Bitte beachten Sie, dass fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen mit Kosten verbunden sein können, die die Betroffenen zum Teil selbst tragen müssen. Gemäß einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 16. Juli 2020 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen inzwischen unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für das Einfrieren von Ei- und Samenzellen und die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen; mehr dazu siehe Pressemitteilung zum Thema. Weitere Informationen zu Kosten fertilitätserhaltender Maßnahmen beziehungsweise einer späteren künstlichen Befruchtung erhalten Sie bei www.fertiprotekt.de.