Einteilung der niedrigmalignen Gliome (Klassifikation)

Autor:  Maria Yiallouros, Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 29.04.2020 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e37404

Niedrigmaligne Gliome entstehen durch eine bösartige Veränderung (Entartung) von Gliazellen. Da verschiedene Formen von Gliazellen (zum Beispiel Astrozyten, Oligodendrozyten) von der Entartung betroffen sein können, gibt es verschiedene Formen niedrigmaligner Gliome, die sich in ihrem feingeweblichen Aufbau (also mikroskopisch) voneinander unterscheiden. Die Namen der verschiedenen niedrigmalignen Gliome deuten auf das Gewebe hin, aus dem der Tumor aller Wahrscheinlichkeit nach hervorgegangen ist. Meist bestehen niedrigmaligne Gliome aus nur einer Gewebeart (so zum Beispiel Astrozytome, Oligodendrogliome), aber auch Mischtumoren (zum Beispiel Oligoastrozytome, Gangliogliome) kommen vor (siehe auch Informationen zu Aufbau und Funktion des Zentralnervensystems, Kapitel: "Feingeweblicher Aufbau des Zentralnervensystems").

Unabhängig von ihrer Herkunft können Gliome verschiedene Grade der Bösartigkeit (Malignität) aufweisen, das heißt, sie wachsen unterschiedlich schnell und sind unterschiedlich aggressiv. Entsprechend der Einteilung (Klassifikation) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden insgesamt vier Malignitätsgrade (Grad I-IV) unterschieden: Dabei entspricht der WHO-Grad I einem (biologisch) gutartigen, langsam wachsenden Tumor mit günstiger Prognose. Bei einer Geschwulst mit WHO-Grad IV handelt es sich dagegen um einen besonders bösartigen und schnell wachsenden Tumor mit entsprechend ungünstiger Prognose.

Gut zu wissen: Zu den niedrigmalignen Gliomen zählen ausschließlich Grad-I- und Grad-II-Tumoren (auch: I° und II°). Grad-III- und Grad-IV-Tumoren (auch: III° und IV°) sind hochgradig maligne Gliome; sie benötigen eine andere Behandlung und werden an dieser Stelle nicht weiter beschrieben.

Bis vor kurzem erfolgte die Einteilung der niedriggradig malignen Gliome (sowie aller ZNS-Tumoren) allein unter Berücksichtigung der feingeweblichen (histologischen) Eigenschaften der Tumorzellen. Mit der 2016 neu eingeführten WHO-Klassifikation werden erstmals auch molekulargenetische Veränderungen der Tumorzellen in die Einteilung mit einbezogen [GNE2018] [LOU2016]. Anhand histopathologischer Merkmale, die sowohl die Herkunft als auch die Bösartigkeit der Tumoren berücksichtigen, werden die im Folgenden genannten Formen niedrigmaligner Gliome unterschieden (siehe Tabelle im Anschluss):

WHO-Klassifikation der niedriggradig malignen Gliome
Feingewebliche Art des Tumors
WHO-Grad
Pilozytisches Astrozytom WHOº I
• Pilomyxoides Astrozytom
I
Subependymales Riesenzell-Astrozytom
I
Andere gliale und glioneuronale Tumoren WHOº I
• Gangliogliom
• Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
• Desmoplastisches infantiles Astrozytom/Gangliogliom
• Rosettenbildender glioneuraler Tumor
• Papillärer glioneuraler Tumor
• Angiozentrisches Gliom
• Diffuser leptomeningealer glioneuraler Tumor
I
Pleomorphes Xanthoastrozytom
II
Diffuse Gliome
• Astrozytom diffus, IDH-mutiert
       - Gemistozytisches Astrozytom, IDH-mutiert
• Astrozytom, diffus, IDH-Wildtyp
• Astrozytom, diffus, NOS
• Oligodendrogliom IDH-mutiert, 1p/19q co-deletiert
• Oligodendrogliom NOS
• Oligoastrozytom
II

Anmerkungen zu den in der Tabelle genannten Abkürzungen: IDH ist die Abkürzung für „Isocitratdehydrogenase“. Das Eiweiß (beziehungsweise das zugrundeliegende Gen) kann unverändert (Wildtyp) oder verändert (mutiert) vorliegen. NOS bedeutet: „not otherweise specified“ (nicht näher spezifiziert).

Die verschiedenen (feingeweblichen) Formen der niedrigmalignen Gliome kommen unterschiedlich häufig vor: Am häufigsten sind pilozytische Astrozytome mit einem Anteil von etwa 50 - 70 % (wovon das pilomyxoide Astrozytom nur einen geringen Prozentsatz ausmacht). Etwa 10 % sind glioneuronale Tumoren (Grad I), weitere 10 % diffuse Astrozytome (Grad II). Die einzelnen Subtypen weisen zum Teil auch Unterschiede bezüglich ihres Wachstumsverhaltens und der bevorzugten Lage im Zentralnervensystem auf. Diese Unterschiede wirken sich wiederum auf die Behandelbarkeit und somit die Heilungsaussichten beziehungsweise Überlebenschancen des Patienten aus und werden daher bei der Wahl der Behandlungsstrategie mit berücksichtigt.