Ursachen: Wie entsteht ein niedriggradig malignes Gliom?

Autor:  Maria Yiallouros, Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 29.04.2020 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e37237

Die Ursachen für die Entstehung eines niedrigmalignen Glioms sind weitgehend unbekannt. Zwar weiß man, dass die Krankheit durch die bösartige Veränderung (Entartung) von Gliazellen entsteht und dass die Entartung mit Veränderungen im Erbgut der Zelle einhergeht. In den meisten Fällen bleibt jedoch unklar, warum genetische Veränderungen auftreten und warum sie bei manchen Kindern zur Erkrankung führen, bei anderen nicht. Vermutlich müssen verschiedene Faktoren zusammenwirken, bevor ein niedrigmalignes Gliom entsteht.

Bekannt ist, dass Kinder und Jugendliche mit bestimmten angeborenen Fehlbildungskrankheiten (wie Neurofibromatose Typ 1 (NF 1), tuberöse Sklerose oder Li-Fraumeni-Syndrom) ein erhöhtes Risiko haben, an einem niedrigmalignen Gliom zu erkranken. Aufgrund der Veranlagung für Tumoren werden solche genetisch bedingten Krankheitsbilder auch als Krebsprädispositionssyndrome bezeichnet. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Gliomzellen Veränderungen bestimmter Gene oder Chromosomen aufweisen. Daraus resultierende Gendefekte können ursächlich daran beteiligt sein, dass aus einer gesunden Zelle eine Gliomzelle wird.

Auch durch eine Bestrahlungsbehandlung des Gehirns im Kindesalter, zum Beispiel bei einer akuten Leukämie oder einem bösartigen Augentumor wie dem Retinoblastom, nimmt das Risiko für einen späteren Hirntumor bereits bei geringen Strahlendosen merklich zu.

Ausführlichere Informationen zu erblich bedingten oder genetischen Risikofaktoren finden Sie im Anschluss. Festzuhalten bleibt jedoch, dass bei den meisten Patienten keine krankheitsbegünstigenden Faktoren bekannt sind.

Erbliche Veranlagung / genetische Faktoren

Niedriggradig maligne Gliome sind nicht im eigentlichen Sinne erblich. Allerdings hat man festgestellt, dass das Risiko für die Entstehung mancher dieser Tumoren erhöht ist, wenn in der Familie schon häufiger bösartige Erkrankungen aufgetreten sind und/oder wenn bestimmte angeborene oder erworbene Erbgutveränderungen vorliegen. So besteht zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen niedrigmalignen Gliomen und so genannten Phakomatosen, erblich bedingten Multisystemstörungen, die bei circa 10 bis 15 % der Gliom-Patienten als Grunderkrankung eine Rolle spielen. Sowohl die Neurofibromatose Typ 1 als auch die tuberöse Sklerose zählen zu den Phakomatosen.

Kinder, die an einer erblich bedingten Neurofibromatose vom Typ I (kurz: NF I; auch Morbus Recklinghausen oder Recklinghausen-Krankheit) leiden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einem niedrigmalignen Gliom zu erkranken: Bis zu 20 % aller Patienten mit dieser Fehlbildungskrankheit entwickeln in den ersten 20 Lebensjahren ein niedrigmalignes Gliom, meist im Bereich der Sehbahn oder im unteren Hirnstamm, aber auch in anderen Hirnregionen. Bei NF I-Patienten mit einem Sehbahngliom ist zudem das Risiko für das Auftreten weiterer Hirntumoren erhöht [FRI1997] [GNE2018] [KUE2006] [HER2010] [LIS1997]. Die Neurofibromatose Typ I wird durch Veränderung eines Gens auf Chromosom 17 hervorgerufen [LIO2004].

Bei der tuberösen Sklerose treten bevorzugt so genannte Riesenzellastrozytome in den Seitenhohlräumen des Gehirns auf. Sie stellen das Haupt-Diagnosekriterium für die Erkrankung dar [ROA1998] und nehmen im Laufe der Kindheit an Häufigkeit zu. Bis zu 15 % der Patienten mit tuberöser Sklerose erkranken vor Erreichen des Erwachsenenalters an einem subependymalen Riesenzellastrozytom [GNE2018] [JOZ2000].

Auch bei anderen erblich bedingten Krebsprädispositionssyndromen besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung niedrigmaligner Gliome. So ist zum Beispiel das Li-Fraumeni-Syndrom im Kindesalter mit einem erhöhten Risiko für niedrigmaligne Astrozytome verbunden.

In der Mehrheit der Fälle steht die Entstehung eines niedrigmalignen Glioms jedoch nicht in Verbindung mit einer Erbkrankheit, sondern ist vermutlich auf eine spontane Erbgutveränderung in einer Gliazelle zurückzuführen, die dazu beiträgt, dass sich aus einer gesunden Zelle eine Gliomzelle entwickelt. Im Rahmen unterschiedlicher Forschungsprojekte sind inzwischen eine Reihe molekularer Veränderungen identifiziert worden, die an der Entstehung und der besonderen Biologie von niedrigmalignen Gliomen im Kindesalter eine Rolle spielen können.