Welche möglichen Krankheitsverläufe/-phasen gibt es bei Patienten in Behandlung?

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 24.04.2020 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e25599

Bei Patienten mit einem hochmalignen Gliom kann die Erkrankung auch im Rahmen einer Behandlung individuell sehr verschieden verlaufen. Neben Art, Lage und Ausbreitung des Tumors sowie dem Alter des Patienten spielt für den Krankheitsverlauf dabei unter anderem eine Rolle, ob die Krankheit zum ersten oder zum wiederholten Male auftritt, wie gut sie behandelt werden kann und wie dauerhaft der Erfolg der Therapie ist.

Die Experten benutzen während der Behandlungsplanung und im Rahmen der Verlaufsbeurteilung bestimmte Begriffe, die im Folgenden erklärt werden.

Unbehandeltes hochmalignes Gliom

"Unbehandeltes hochmalignes Gliom" bedeutet, dass bei einem Patienten die Diagnose zum ersten Mal gestellt wird und bisher außer einer Behandlung der Symptome noch keine Therapie durchgeführt wurde.

Ergebnisse nach einer neurochirurgischen Tumorentfernung

Die neurochirurgische Tumorentfernung ist von großer Bedeutung, einerseits, weil Patienten mit einem hochmalignen Gliom durch die lokale Raumforderung des Tumors und eine Liquorzirkulationsstörung lebensgefährlich bedroht sein können und andererseits, weil das Ausmaß der Tumorentfernung eine entscheidende Rolle für die Prognose der Patienten spielt.

Jedoch ist eine im onkologischen Sinne radikale Tumorentfernung, das heißt eine Tumorentfernung "im Gesunden", bei ZNS-Tumoren nicht möglich, da gesundes Gehirn- oder Rückenmarksgewebe nicht entfernt werden darf. Entsprechend richtet sich das Ausmaß der neurochirurgischen Tumorentfernung nach der Lagebeziehung des Tumors zu wichtigen ZNS-Strukturen (wie Hirnnerven, Sprachzentrum). Begriffe, die das jeweilige Ausmaß der neurochirurgischen Tumorentfernung beschreiben, sind:

Vollständige Tumorentfernung

Von einer vollständigen Tumorentfernung (Totalresektion, komplette Resektion) spricht man, wenn der Tumor durch eine Operation neurochirurgisch komplett entfernt werden konnte. Der Tumor lässt sich in diesem Fall mit Hilfe der üblichen Diagnosemethoden (zum Beispiel Magnetresonanztomographie oder andere bildgebende Verfahren) nicht mehr nachweisen. Erste bildgebende Untersuchungen zum Erfolg der Operation finden 24 bis maximal 72 Stunden nach dem Eingriff statt.

Ob ein hochmalignes Gliom tatsächlich "radikal" entfernt werden konnte, zeigt sich in aller Regel erst im weiteren Krankheitsverlauf, denn einzelne möglicherweise verbliebene Tumorzellen kann auch ein erfahrener Neurochirurg nicht erkennen, obwohl er immer mit einem Operationsmikroskop arbeitet. Auch mit Hilfe der Magnetresonanztomographie sind kleine Tumorzellreste nicht sichtbar.

Nahezu vollständige Tumorentfernung

Nahezu vollständige Tumorentfernung (subtotale Resektion) bedeutet, dass bei der Operation ein kleiner Tumorrest (Tumorvolumen unter 1,5 Kubikzentimeter) verblieben ist oder möglicherweise eine räumlich begrenzte (lokale) Tumorinfiltration in das umgebende gesunde Gewebe vorliegt. Die frühzeitig nach der Operation durchgeführte Magnetresonanztomographie / Computertomographie zeigt entweder keinen Tumor oder nicht mehr als nur eine randständige Anreicherung des Kontrastmittels im Bereich der Operationshöhle. (Eine Kontrastmittelanreicherung ist prinzipiell ein Hinweis auf aktives Gewebe, dabei kann es sich (muss aber nicht) um Resttumorzellen handeln.)

Teilweise Tumorentfernung

Die Bezeichnung Tumorteilentfernung (Tumorteilresektion; partielle Resektion) beschreibt den Zustand nach einer neurochirurgischen Operation, bei der der Neurochirurg bewusst Tumorgewebe zurückgelassen hat (Resttumorvolumen ab 1,5 Kubikzentimeter). Eine Entscheidung darüber, wie viel vom Tumor entfernt werden soll, trifft der Chirurg in der Regel vor der Operation anhand der Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungen sowie unter Berücksichtigung der Krankengeschichte und der eventuell auftretenden neurologischen Ausfälle des Patienten.

Manchmal ergeben sich jedoch erst während der Operation Situationen, die ein zurückhaltendes Vorgehen notwendig werden lassen, damit keine Gehirn- oder Rückenmarksstrukturen dauerhaft geschädigt werden. Aus diesem Grund wird der behandelnde Arzt Ihrem Kind und Ihnen im Aufklärungsgespräch vor der Operation auch nur ganz selten sagen können, inwieweit der Tumor entfernt werden kann.

Biopsie

Von einer Biopsie spricht man, wenn lediglich eine Gewebeprobe aus dem Tumor entnommen wird, ohne dass sich neurochirurgisch oder anhand bildgebender Verfahren eine bedeutende Änderung der Tumorgröße/-ausdehnung erkennen lässt.

Ansprechen der Erkrankung auf die weitere Behandlung

Das Ansprechen der Erkrankung auf die weitere Behandlung, insbesondere die Strahlentherapie und Chemotherapie, kann ebenfalls individuell verschieden sein, je nachdem, ob die Tumorzellen eines hochgradigen Glioms durch die Behandlung erfolgreich entfernt beziehungsweise vernichtet werden können oder nicht. Der Folgende Definitionen sind gebräuchlich:

Vollständiges Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie

Von einem vollständigen Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (kompletter Response, CR) ist die Rede, wenn mittels Magnetresonanztomographie‎ / Computertomographie‎ kein Tumor (Primärtumor, Metastasen) mehr nachweisbar ist und – im Falle eines vorherigen Befalls des Rückenmarkkanals – eine Lumbalpunktion auch keine Tumorzellen mehr in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit zeigt.

Anhaltend vollständiges Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (gilt nur für Patienten ohne Resttumor nach Operation)

Wenn es nach einer vollständigen Tumorentfernung im weiteren Verlauf der Behandlung zu keinem Krankheitsrückfall kommt, keine neuen Tumoren mittels MRT oder CT nachweisbar sind und auch die Rückenmarkflüssigkeit ohne Tumorzellbefall bleibt, spricht man von einem anhaltend vollständigen Tumoransprechen (engl. continuous complete response, CCR).

Teilweises Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (gilt nur für Patienten mit Resttumor nach Operation)

Von einem teilweisen Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (partieller Response, PR) ist die Rede, wenn sich das Tumorvolumen um mehr als 50 % gegenüber dem Ausgangsvolumen verringert hat. Bei Patienten mit metastasierter Erkrankung haben sich die Metastasen entweder verkleinert oder sind zumindest nicht größer geworden, und es sind keine neuen Tumorherde beziehungsweise Tumorzellen in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit hinzugekommen.

Stabile Resterkrankung (gilt nur für Patienten mit Resttumor nach Operation)

Von stabiler Resterkrankung ist die Rede, wenn ein nach einer Operation verbliebener Tumorrest sich um weniger als 50 % gegenüber dem Ausgangsvolumen verringert beziehungsweise höchstens um 25 % vergrößert hat. Für Patienten mit metastasierter Erkrankung bedeutet „stabil“, dass keine neuen Tumorherde entstanden oder keine Tumorzellen in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit nachweisbar sind und dass vorhandene Metastasen sich um nicht mehr als 25 % vergrößert haben.

Fortschreitendes Tumorwachstum (Tumorprogression)

Von Tumorprogression ist die Rede, wenn ein hochmalignes Gliom nach unvollständiger oder nicht durchführbarer (und daher nicht erfolgter) Tumorentfernung vor, nach oder auch während dem Einsatz einer Chemotherapie oder Strahlentherapie um mehr als 25 % wächst, also nicht auf die Behandlung anspricht. Eine Tumorprogression liegt auch vor, wenn trotz Behandlung neue Tumorherde entstehen oder ein Neubefall der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (mittels Lumbalpunktion) nachgewiesen wird..

Krankheitsrückfall (Rezidiv)

Krankheitsrückfall (Rezidiv) bedeutet, dass der Tumor nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung, das heißt, nach einer anscheinenden vollständigen Tumorentfernung, erneut auftritt. Ein Rezidiv kann sowohl im Bereich der ursprünglichen Tumorregion (Lokalrezidiv) als auch an anderer Stelle im Zentralnervensystem vorkommen. Weitere Informationen zum Rezidiv finden Sie im Kapitel "Krankheitsrückfall".