Wie verläuft die Krankheit ohne Behandlung?

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 01.05.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e96659

Das Retinoblastom geht aus Zellen der Netzhaut (Retina) hervor, welche die Innenfläche des Augapfels auskleiden. Zunächst ist der Tumor auf die Netzhaut beschränkt. Mit zunehmendem Wachstum kann sich die Geschwulst jedoch in verschiedene Richtungen ausbreiten und dabei andere Strukturen im Auge befallen, so zum Beispiel den Glaskörper, die angrenzenden Augenhäute (Aderhaut und Lederhaut) oder den Sehnerv.

Grundsätzlich kann das Retinoblastom infolge eines kontinuierlichen Wachstums jede Struktur des Auges und der Augenhöhle infiltrieren [BAL2006]. Erfolgt keine Behandlung, führt die Erkrankung durch die Bildung von Metastasen zum Tod.

Einige Möglichkeiten des Tumorwachstums werden im Anschluss, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens, kurz beschrieben. Zusammenfassend kann man aber sagen, dass beim heutigen Stand der Diagnostik die Tumoren überwiegend auf den Augapfel beschränkt sind.

Tumorwachstum in Richtung Glaskörper

Bei etwa der Hälfte der Patienten mit einem Retinoblastom wächst der Tumor in Richtung des Glaskörpers (endophytisches Wachstum). Dabei können sich Zellen von der Oberfläche des Tumors ablösen und in den Glaskörper eindringen. Man spricht in diesem Fall auch von einer Glaskörperaussaat des Tumors. Über den Glaskörper können die Tumorzellen auch in den vorderen Augenabschnitt gelangen.

Es ist zudem möglich, dass sich die abgelösten Tumoranteile an einer anderen Stelle der Netzhaut wieder ansiedeln (intraokulare Absiedlungen). Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass mehrere (multifokale) Tumoren vorliegen, obwohl es sich um einen einzelnen Tumor handelt.

Tumorwachstum in Richtung Aderhaut

Wächst das Retinoblastom in Richtung Aderhaut (exophytisches Wachstum), kommt es (aufgrund von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen des Tumors) häufig zu einer Netzhautablösung. Letztlich können sich auch abgelöste Tumoranteile unter der Netzhaut (subretinal) ansiedeln. Ist dies der Fall, besteht ein erhöhtes Risiko, dass der Tumor die Aderhaut und, in sehr fortgeschrittenen Fällen, auch die Lederhaut durchwächst und es schließlich zu einem Einbruch (Infiltration) in die Augenhöhle kommt. Dadurch erhöht sich die Gefahr, dass der Tumor außerhalb der Augenhöhle metastasiert (siehe unten).

Befall von Geweben und Organen außerhalb des Auges

Cerebrale Ausbreitung: Die Ausbreitung des Tumors entlang des Sehnervs führt zu einer Mitbeteiligung der Gehirnstrukturen, der Hirnhäute sowie der Liquorräume, die die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Nervenwasser, Liquor) enthalten.

Hämatogene Ausbreitung: Wächst der Tumor in das Gefäßsystem des Auges (das heißt, in das Gefäßsystem der Aderhaut) ein, ist damit zu rechnen, dass einzelne Tumorzellen über die Blutbahn in entfernte Organe gelangen und sich dort ansiedeln und wachsen. Es entstehen Tochtergeschwülste (Metastasen). Metastasen treten beim Retinoblastom am häufigsten in Knochenmark, Knochen, Lymphknoten und Leber auf.

Lymphogene Ausbreitung: Bei einem Einbruch des Tumors in das vordere Augensegment sowie die Augenhöhle kann der Tumor Anschluss an die Lymphgefäße erhalten, so dass auch in den Lymphknoten der unmittelbaren Umgebung Tochtergeschwülste entstehen können.

Beidseitiges Retinoblastom

In gut einem Drittel der Fälle tritt das Retinoblastom in beiden Augen (bilateral) auf. Hierbei handelt es sich nicht um ein Tumorwachstum von dem einen in das andere Auge, sondern um einen weiteren neuen Tumor, der nicht zeitgleich auftreten muss. So können zunächst einseitige Erkrankungen im weiteren Verlauf beidseitig werden. Es können sich auch in einem Auge mehrere unabhängig voneinander entstandene Tumoren entwickeln (multifokales Retinoblastom).

Spontane Ausreifung oder Rückbildung (Regression) des Retinoblastoms

Retinoblastome können sich manchmal auch von selbst, das heißt ohne Einfluss einer Therapie, teilweise oder sogar vollständig zurückbilden. Die Fachleute sprechen in diesem Fall von einer spontanen Regression oder Remission des Retinoblastoms. Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht geklärt.

Ein spontan zurückgebildetes Retinoblastom wird als Retinom (oder Retinozytom) bezeichnet. Es tritt nicht im Kindesalter auf, sondern wird meist zufällig bei Untersuchungen gefunden, die an nicht erkrankten Verwandten des krebserkrankten Kindes vorgenommen werden. Auch ein Retinom kann allerdings noch lebende und potentiell wachstumsfähige Tumorzellen enthalten, also Ausgangspunkt für eine bösartige Entwicklung sein. Es muss daher regelmäßig und lebenslang kontrolliert werden.