Blinatumomab

Der folgende Text informiert über Anwendung, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen von Blinatumomab sowie darüber, in welchen Fällen Blinatumomab nicht oder nur eingeschränkt verabreicht werden darf.

Autor:  Julia Dobke, Redaktion:  Ingrid Grüneberg, Freigabe:  Prof. D r. med. U. Creutzig, Zuletzt geändert: 10.09.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e286342

Anwendung: Wann wird Blinatumomab angewendet?

Blinatumomab wird bei Erwachsenen, Kindern und jungen Erwachsenen mit akuter lymphoblastischer Leukämie angewendet. Es ist zugelassen für die Behandlung von Rezidiven oder refraktären Leukämien. Der Einsatz zur Erstlinienbehandlung bei Kindern wird derzeit in Studien geprüft.

Blinatumomab wird ausschließlich intravenös und dauerhaft über vier Wochen appliziert. Aktuell werden Studien für ältere Kinder und Jugendliche mit subkutaner Gabe des Medikaments begonnen (Stand Juli 2025).

Wirkung: Wie wirkt Blinatumomab?

Blinatumomab ist ein bispezifischer (BITE) monoklonaler Antikörper [monoklonale Antikörper], der sich spezifisch an den Zellmarker CD19 bindet, der sich auf der Oberfläche der Zellwand von B-Zellen befindet. Gleichzeitig bindet CD19 auch an den Zellmarker CD3 auf T-Zellen.

Dadurch werden die T-Zellen aktiviert und beginnen, zellgiftige (zytotoxische) Eiweiße zu produzieren und freizusetzen. Das porenbildende Eiweiß Perforin und das Enzym Granzyme lösen den programmierten Zelltod (Apoptose) aus und zerstören die CD19-positiven B-Zellen, unabhängig davon, ob diese sich gerade teilen oder ruhen. Allerdings werden neben den Leukämiezellen auch nicht bösartige B-Zellen angegriffen.

Nebenwirkungen: Welche Nebenwirkungen können während oder nach der Behandlung mit Blinatumomab auftreten?

Im Folgenden werden die sehr häufig bis häufig und gelegentlich auftretende Nebenwirkungen dargestellt.

Definition der aufgetretenen Fälle pro Anzahl der Behandelten:

Sehr häufig: mehr als 1 von 10

häufig: mehr als 1 von 100

gelegentlich: mehr als 1 von 1000

selten: mehr als 1 von 10 000

sehr selten: weniger als 1 von 10 000

Für mehr Informationen zu den selten bis sehr selten auftretende Nebenwirkungen informieren Sie sich bitte in den Fach- und Gebrauchsinformationen des jeweiligen Herstellers.

Sehr häufige Nebenwirkungen

Blut und Lymphsystem

Sehr häufig verursacht Blinatumomab eine Knochenmarkdepression, die alle drei Blutzelllinien (weiße Blutzellen, rote Blutzellen, Blutplättchen) betrifft. Eine Erniedrigung der weißen Blutzellen, insbesondere der Neutrophilen Granulozyten (Neutropenie) erhöht das Risiko des Auftretens von Infektionen. Sehr häufig kommt es aber auch zu Fieber bei Neutropenie, ohne dass ein Krankheitskeim nachgewiesen werden kann.

Infektionen

Während und nach der Behandlung mit Blinatumomab kommt es häufig zu Infektionen, insbesondere wenn eine Neutropenie vorliegt. Verursacher können Bakterien, Viren oder Pilze sein, häufig wird aber auch kein Keim nachgewiesen.

Immunsystem

Aufgrund der Wirkweise von Blinatumomab wird das Immunsystem während der Gabe aktiviert. Dabei kann es zu einer erhöhten Freisetzung von Zytokinen kommen (CRS=Cytokine Release Syndrome, Zytokin-Freisetzungssyndrom), was eine Entzündungsreaktion im gesamten Körper hervorruft. Ein CRS kann unterschiedlich stark auftreten.

Anzeichen eines Zytokin-Freisetzungssyndroms können das Auftreten von Fieber, erhöhtem Herzschlag, Schwellungen, erniedrigtem Blutdruck, Hautausschlag, Übelkeit, Erbrechen oder Müdigkeit sein. Bei schweren Verläufen wird der Kreislauf instabil, es können Störungen der Blutgerinnung‎ auftreten und es kommt zu Atemproblemen durch die Ansammlung von Flüssigkeit in den Lungen. Im Blut werden erhöhte Zytokinspiegel gemessen.

Eine andere sehr häufige Nebenwirkung, die das Immunsystem betrifft, ist eine Erniedrigung der Immunglobuline (insbesondere des IgG) im Serum. Ein erniedrigter IgG-Wert erhöht das Risiko an einer Infektion zu erkranken.

Nervensystem

Häufig treten Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Zittern (Tremor) auf. Dies können Symptome von neurologischen Problemen sein, die mit einer Erkrankung namens Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) zusammenhängen. Diese Erkrankung kann durch die Gabe von Blinatumomab ausgelöst werden.

Infusionsbedingte Nebenwirkungen

Infusionsbedingte Reaktionen können Beschwerden wie Keuchen, Erröten, Schwellung des Gesichts (Ödeme), Schüttelfrost, Atembeschwerden, niedrigen oder hohen Blutdruck hervorrufen.

Herz-Kreislauf

Es kommt häufig zu einer erhöhten Herzfrequenz (Tachykardie), erhöhtem (Hypertonie) oder erniedrigtem (Hypotonie) Blutdruck. Diese Beschwerden könnten ein Anzeichen für das CRS (siehe oben), eine Infusionsreaktion auf das Medikament selbst (siehe oben) oder einer schweren Infektion (Sepsis) (erhöhte Herzfrequenz, erniedrigter Blutdruck) sein.

Leber

Während der Behandlung mit Blinatumomab kommt es häufig zu einer vorübergehenden Erhöhung der Leberwerte im Blut. Dies bleibt meisten symptomlos und muss nicht speziell behandelt werden.

Verdauungstrakt

Während der Behandlung mit Blinatumomab kommt es häufig zu Verdauungsstörungen wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Verstopfung und Bauchschmerzen.

Häufig und gelegentlich auftretende Nebenwirkungen

Infektionen

Während oder nach der Behandlung mit Blinatumomab kommt es häufig zu schweren Infektionen, die zu Organversagen oder Schock führen oder tödlich enden können (Sepsis). Gleichzeitig besteht meist eine Neutropenie, die die Immunabwehr schwächt.

Nervensystem

Häufig kommt es zu neurologischen Symptomen wie Verwirrtheit, Desorientierung, Störungen der Hirnfunktion (Enzephalopathie), Schwierigkeiten beim Sprechen (Aphasie), Kribbeln der Haut (Parästhesie), Krampfanfällen, Schwierigkeiten beim Denken oder Verfolgen von Gedanken, Gedächtnisstörungen, Schwierigkeiten bei der Bewegungskontrolle (Ataxie), Schläfrigkeit (Somnolenz), Taubheitsgefühlen und Schwindelgefühl. Dies können Symptome von neurologischen Problemen sein, die mit einer Erkrankung namens Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) zusammenhängen.

Auch können Störungen der Hirnnerven vorkommen, die Sehstörungen, hängendes Augenlid und/oder erschlaffte Muskeln auf einer Seite des Gesichts, Schwierigkeiten beim Hören oder Probleme beim Schlucken auslösen können.

Normalerweise bilden sich diese neurologischen Beschwerden wieder zurück, ohne Schäden zu hinterlassen.

Stoffwechsel

Zu Beginn der Behandlung kann es zu einem Tumorlyse-Syndrom kommen. Dieses wird durch die Zerstörung einer großen Menge von Krebszellen ausgelöst. Es treten im Blut eine starke Erhöhung der Harnsäure, eine Erhöhung des Kaliums und des Phosphats sowie eine Erniedrigung des Kalziums auf.

Das Tumorlyse-Syndrom kann durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr, die Gabe von Rasburicase gegen den erhöhten Harnsäurespiegel und den Ausgleich der aus dem Gleichgewicht geratenen Elektrolyte gut behandelt werden.

Wechselwirkungen: Mit welchen anderen Medikamenten / Substanzen kann Blinatumomab interagieren?

Es sind keine Wechselwirkungen bekannt.

Gegenanzeigen: Wann darf Blinatumomab nicht angewendet werden?

  • Bei bekannter Überempfindlichkeit gegen Blinatumomab oder einen der sonstigen Bestandteile
  • in der Stillzeit

Quellen

Fach- und Gebrauchsinformationen der Hersteller

Stiftung Warentest: Medikamente im Test: Krebs [BOB2012]