Embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren und Pineoblastom – Kurzinformation

In diesem Text erhalten Sie Informationen zu embryonalen, nicht-rhabdoiden Tumoren des Zentralnervensystems (früher ZNS-PNET genannt) sowie zum Pineoblastom, einem ZNS-Tumor im Bereich der Zirbeldrüse. Erläutert werden die verschiedenen Krankheitsbilder, deren Häufigkeit, mögliche Krankheitsursachen und Symptome sowie Diagnose, Therapieplanung, Behandlung und Prognose der Erkrankungen.

Autor:  Maria Yiallouros, Freigabe:  Dr. med. Martin Mynarek, Zuletzt geändert: 12.09.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e199450

Krankheitsbild

Die embryonalen, nicht-rhabdoiden Tumoren des Zentralnervensystems, bis vor einiger Zeit „primär neuroektodermale Tumoren des Zentralnervensystems“ (kurz ZNS-PNET oder CNS-PNET) genannt, sowie das Pineoblastom sind Tumoren, die durch eine Entartung von Zellen des Gehirns oder Rückenmarks entstehen. Da sie somit direkt vom Zentralnervensystem (ZNS) ausgehen, werden sie auch als primäre ZNS-Tumoren bezeichnet. Damit werden sie von Absiedlungen (Metastasen) bösartiger Tumoren abgegrenzt, die in einem anderen Organ entstanden sind.

Sowohl die embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumoren als auch das Pineoblastom gehen aus extrem unreifen und undifferenzierten (das heißt, embryonalen) Zellen des Zentralnervensystems hervor und wachsen daher besonders schnell. Vom feingeweblichen Erscheinungsbild her sind sich die Tumorarten sehr ähnlich. Ebenso besteht eine Ähnlichkeit zum Medulloblastom, einem embryonalen Tumor des Kleinhirns.

Embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren und Pineoblastom unterscheiden sich unter anderem dadurch, dass sie an unterschiedlichen Orten im Zentralnervensystem auftreten: Erstere wachsen meist oberhalb des Kleinhirnzeltes (supratentoriell), und zwar überwiegend in den Großhirnhälften. Aus diesem Grund wurden sie früher – in Abgrenzung zu den ebenfalls embryonalen Medulloblastomen – als supratentorielle PNET (stPNET) bezeichnet. Sie können jedoch in seltenen Fällen auch an anderen Orten des ZNS auftreten. Pineoblastome hingegen gehen von der Zirbeldrüse aus, einem kleinen Organ im Bereich des Zwischenhirns.

Beide Tumortypen zeigen ein aggressives Wachstumsverhalten. Embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren wachsen häufig von einer Großhirnhälfte aus in die andere Großhirnhälfte und/oder in die Hirnhäute hinein und breiten sich entlang dieser weiter aus. Auch Pineoblastome können vom Bereich der Zirbeldrüse aus in andere Regionen von Gehirn und Rückenmark streuen. Eine Metastasierung außerhalb des Zentralnervensystems, beispielsweise in Knochen, Knochenmark, Lunge oder Lymphknoten, kommt selten vor.

Tumortypen

Die Gruppe der embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumoren (vor Gültigkeit der WHO-Klassifikation 2016 unter dem Namen ZNS-PNET bekannt) umfasst verschiedene Tumortypen, die sich sowohl durch ihre feingeweblichen als auch molekularen Gewebeeigenschaften voneinander unterscheiden.

Nach der aktuellen Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Tumoren des Zentralnervensystems (WHO-Klassifikation 2016) zählen zu den hier berücksichtigten Tumoren vor allem die „embryonalen Tumoren mit multischichtigen Rosetten“ (kurz: ETMR), die – je nach Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer bestimmten genetischen Veränderung auf Chromosom 19 (der so genannten C19MC-Amplifikation) entweder als ETMR C19MC-alteriert oder als ETMR NOS (englische Abkürzung für „nicht anderweitig klassifiziert“) bezeichnet werden. Weitere Tumoren dieser Gruppe sind zum Beispiel das sehr seltene Medulloepitheliom und sonstige embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren, die nicht genauer spezifiziert sind.

Pineoblastome und embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren wurden wegen ihrer Seltenheit und der Ähnlichkeit im Krankheitsverlauf und in der Therapie bislang von vielen Autoren als eine Gruppe beschrieben. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass sich das Pineoblastom auf molekularer Ebene deutlich von allen anderen embryonalen ZNS-Tumoren unterscheidet und daher als eigenständiger Tumortyp betrachtet werden muss.

Sowohl die embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumoren als auch das Pineoblastom zählen zu den hochgradig bösartigen Tumoren, so genannten ZNS-WHO-Grad 4-Tumoren.

Häufigkeit

Embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren und Pineoblastome kommen im Kindes- und Jugendalter sehr selten vor. Sie machen insgesamt etwa 2 % aller ZNS-Tumoren aus. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa zehn Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren neu an einem embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor oder Pineoblastom. Erstere treten vor allem bei Kindern in den ersten Lebensjahren auf – das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen drei und vier Jahren. Jungen und Mädchen sind etwa gleich häufig betroffen. An einem Pineoblastom erkranken insbesondere Kinder und junge Erwachsene.

Ursachen

Embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren und das Pineoblastom entstehen durch eine bösartige Veränderung (Entartung) von Zellen des Nervengewebes. Der genaue Entstehungsmechanismus, der der Entwicklung dieser Tumoren zugrunde liegt, ist noch nicht bekannt. Man weiß, dass nach einer Bestrahlung des Schädels im Kindesalter, zum Beispiel im Rahmen der Behandlung einer akuten Leukämie oder eines bösartigen Augentumors wie dem Retinoblastom, ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Tumors im Zentralnervensystem besteht.

Darüber hinaus werden in den Tumorzellen zum Teil bestimmte Genen und/oder Chromosomenveränderungen beobachtet. Daraus resultierende Störungen der weiteren Zellentwicklung und Zellkommunikation können ursächlich daran beteiligt sein, dass aus einer gesunden Zelle eine Krebszelle wird. Aufgrund der Seltenheit der Tumoren gibt es bisher allerdings nur vereinzelt Hinweise auf typische molekulargenetische Veränderungen.

Gut zu wissen: Ein Pineoblastom kann in sehr seltenen Fällen im Zusammenhang mit einem erblichen Retinoblastom auftreten (so genanntes trilaterales Retinoblastom) und geht in diesem Fall mit genetischen Veränderungen im so genannten Retinoblastom-Gen einher. Informationen zum trilateralen Retinoblastom finden Sie in unserem Patiententext zum Retinoblastom.

Symptome

In der Regel entwickeln sich Krankheitszeichen (Symptome) bei Kindern und Jugendlichen mit einem embryonalen ZNS-Tumor oder Pineoblastom wegen des schnellen und unkontrollierten Tumorwachstums innerhalb sehr kurzer Zeit. Die Symptome, die bei Kindern mit diesen Tumoren auftreten können, richten sich (wie bei anderen Arten von ZNS-Tumoren) vor allem nach dem Alter des Patienten und danach, wo sich der Tumor im Zentralnervensystem befindet und wie er sich ausbreitet. Dabei werden allgemeine (unspezifische) und lokale (spezifische) Krankheitszeichen unterschieden.

Unspezifische Symptome

Unspezifische Allgemeinsymptome treten unabhängig von der Lage des Tumors auf und ganz generell auch bei anderen Krankheiten, die nichts mit einem ZNS-Tumor zu tun haben. Sie äußern sich zum Beispiel in Kopf- und/oder Rückenschmerzen, Schwindelgefühlen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen – bei einem Hirntumor typischerweise unabhängig von der Nahrungsaufnahme [Nüchternerbrechen] und oft morgens und im Liegen –, Gewichtsverlust, zunehmender Müdigkeit, Leistungsknick, Konzentrationsstörungen, Wesensveränderungen und Entwicklungsverzögerungen.

Die Ursache für diese Symptome ist meist der langsam zunehmende Druck im Schädelinneren, der direkt durch den wachsenden Tumor bedingt ist und/oder durch eine vom Tumor verursachte Zirkulations- oder Abflussstörung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor). Letztere kann auch zur Bildung eines so genannten „Wasserkopfes“ (Hydrocephalus) führen. Dieser kann bei Babys und Kleinkindern mit noch offenen Fontanellen unter anderem durch eine verstärkte Zunahme des Kopfumfanges (Makrocephalus) auffallen.

Spezifische Symptome

Lokale (spezifische) Symptome geben Hinweise darauf, wo sich der Tumor im Zentralnervensystem befindet und welche Aufgabenzentren er dort beeinträchtigt. So kann ein Tumor im Großhirn oder Zwischenhirn mit Lähmungserscheinungen und/oder Krampfanfällen einhergehen. Auch Seh-, Sprach-, Verhaltens- und Schlafstörungen sowie Stimmungsschwankungen oder Appetitregulationsstörungen können auftreten. Beim Pineoblastom kann es zu einer Blicklähmung kommen. Diese Form der Sehstörung, die durch die besondere Lage des Tumors im Zwischenhirn bedingt ist, wird Parinaud-Syndrom genannt und äußert sich unter anderem darin, dass die Patienten die Augäpfel nicht nach oben richten können.

Gut zu wissen: Das Auftreten eines oder mehrerer dieser Krankheitszeichen muss nicht bedeuten, dass ein embryonaler, nicht-rhabdoider ZNS-Tumor, ein Pineoblastom oder ein anderer Hirntumor vorliegt. Viele der genannten Symptome können auch bei vergleichsweise harmlosen Erkrankungen auftreten, die mit einem Hirntumor nichts zu tun haben. Bei entsprechenden Beschwerden (zum Beispiel immer wiederkehrenden Kopfschmerzen, bei kleinen Kindern auch bei einer unverhältnismäßig schnellen Zunahme des Kopfumfanges) ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren. Liegt tatsächlich ein ZNS-Tumor vor, muss schnellstmöglich mit der Therapie begonnen werden.

Diagnose

Findet der (Kinder-)Arzt durch Krankheitsgeschichte (Anamnese) und körperliche Untersuchung Hinweise auf einen bösartigen Tumor des Zentralnervensystems, wird er den Patienten in ein Krankenhaus überweisen, das auf Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für pädiatrische Onkologie/Hämatologie). Denn bei Verdacht auf einen solchen Tumor sind umfangreiche Untersuchungen und die Zusammenarbeit von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen notwendig, um festzustellen, ob tatsächlich ein ZNS-Tumor vorliegt und, wenn ja, um welche Art von Tumor es sich handelt und wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Die Klärung dieser Fragen ist Voraussetzung für eine optimale Behandlung und Prognose des Patienten.

Untersuchungen zur Diagnosesicherung

Zur Diagnosestellung eines embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumors oder eines Pineoblastoms führen – nach erneuter sorgfältiger Anamnese und körperlicher Untersuchung – zunächst bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) mit und ohne Kontrastmittel und gelegentlich auch die Computertomographie (CT). Mit Hilfe dieser Methoden lässt sich genau feststellen, ob ein Tumor und gegebenenfalls Metastasen im Gehirn oder Rückenmarkskanal vorliegen. Auch Lage und Größe des Tumors, seine Abgrenzung zu Nachbarstrukturen sowie ein Hydrocephalus sind sehr gut sichtbar.

Um die Diagnose allerdings endgültig zu sichern, muss in jedem Fall eine Gewebeprobe des Tumors operativ entnommen und auf ihre feingeweblichen (histologischen) und molekularen Eigenschaften untersucht werden. In der Regel wird das bei der Operation gewonnene Tumorgewebe für die Diagnosestellung verwendet.

Der Umfang der feingeweblichen (histologischen) und, vor allem, der molekulargenetischen Untersuchungen hat sich in den letzten Jahren stark erweitert. Durch den Einsatz moderner Methoden lassen sich molekulare Gewebeeigenschaften bestimmen, die zum einen die Diagnose für den Patienten noch sicherer machen, zum anderen auch Auskunft über den zu erwarteten Krankheitsverlauf (zum Beispiel Wachstumsverhalten) geben können. Die molekulare Diagnostik wird daher in Zukunft auch für Therapieentscheidungen eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

Untersuchungen zur Ausbreitung der Erkrankung

Bestätigt sich der Verdacht auf einen embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor oder ein Pineoblastom, sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um die Ausbreitung der Erkrankung im Zentralnervensystem zu bestimmen. Eine MRT des gesamten Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark) beispielsweise dient der Suche nach makroskopisch sichtbaren Metastasen; mit einer mikroskopischen Untersuchung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) wird geprüft, ob Tumorzellen (die mittels MRT nicht zu sehen sind) im Rückenmarkskanal vorliegen. Die Liquorgewinnung erfolgt meist nach der Operation durch eine Punktion im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumbalpunktion). Dort ist der Raum, der das Nervenwasser enthält, am besten zu erreichen.

Untersuchungen vor Beginn der Behandlung

Behandlungsvorbereitend können weitere Untersuchungen hinzukommen. Der Umfang dieser Untersuchungen hängt von der der geplanten Therapie und den gegebenenfalls vorliegenden Begleiterkrankungen ab. So können zum Beispiel eine Überprüfung der Herzfunktion mittels Elektrokardiographie (EKG) und/oder Echokardiographie, eine Überprüfung des Hörvermögens (mittels Audiogramm, durch Otoakustische Emissionen (OAE) und/oder BERA-Hörtest), eine Elektroenzephalographie (EEG) oder elektrophysiologische Untersuchungen (zum Beispiel sensorisch evozierte Potentiale, SEPs) notwendig werden.

Umfangreiche Blutuntersuchungen dienen dazu, den Allgemeinzustand des Patienten zu überprüfen und festzustellen, ob die Funktionen einzelner Organe (zum Beispiel Nieren und Leber) beeinträchtigt sind oder Stoffwechselstörungen vorliegen, die vor oder während der Therapie besonders berücksichtigt werden müssen. Auch die Funktion der Hormon‎drüsen wird überprüft, um eine Störung durch den Tumor oder durch die Behandlung einschätzen und gegebenenfalls behandeln zu können. Aus demselben Grund können vor Behandlungsbeginn auch neuropsychologische Untersuchungen erfolgen [siehe Neuropsychologie‎]. Veränderungen, die möglicherweise im Laufe der Therapie auftreten, können anhand solcher Ausgangsbefunde und regelmäßiger Kontrolluntersuchungen zeitig erkannt und besser beurteilt werden.

Im Hinblick auf eventuell notwendig werdende Bluttransfusionen erfolgt eine Bestimmung der Blutgruppe erfolgen. Bei Mädchen im geschlechtsreifen Alter (ab der ersten Monatsblutung), muss vor Beginn der Behandlung eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden.

Gut zu wissen: Nicht alle Untersuchungen sind bei jedem Patienten notwendig. Andererseits können eventuell Untersuchungen hinzukommen, die hier nicht erwähnt wurden. Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt oder das Behandlungsteam, welche Untersuchungen bei Ihrem Kind geplant sind und warum die jeweilige Untersuchung erforderlich ist.

Die Krebserkrankung eines Kindes ist für die ganze Familie eine belastende Situation. Das Psychosoziale Team der Klinik oder später der Nachsorgeeinrichtung steht Patienten und ihren Angehörigen von der Diagnose bis zum Abschluss der Behandlung sowie während der Nachsorge beratend und unterstützend zur Seite. Zögern Sie nicht, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen. Es ist fester Bestandteil des Behandlungskonzepts aller kinderonkologischen Zentren im deutschsprachigen Raum. Hier finden Sie umfassende Informationen zum Thema.

Therapieplanung

Wenn die Diagnose feststeht, erfolgt die Therapieplanung. Um eine möglichst individuelle, auf die Krankheitssituation und das Rückfallrisiko des Patienten zugeschnittene (risikoadaptierte) Behandlung durchführen zu können, berücksichtigt das Behandlungsteam bei der Planung bestimmte Faktoren, die die Prognose des Patienten beeinflussen (so genannte Risiko- oder Prognosefaktoren).

Wichtige Prognosefaktoren bei sind zum einen die Art, Lage, Ausdehnung und/oder Streuung des Tumors, die anhand der beschriebenen Diagnoseverfahren ermittelt werden. Außerdem haben die biologischen (molekularen) Merkmale eines Tumors einen zunehmenden Einfluss darauf, welche Therapie für die jeweilige Erkrankung als die optimale angesehen wird. Darüber hinaus spielen das Alter und der Gesundheitszustand des Patienten eine wichtige Rolle. Das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose ist vor allem ausschlaggebend dafür, ob eine Strahlenbehandlung erfolgen kann oder nicht. All diese Faktoren fließen in die Behandlungsplanung ein mit dem Ziel, für jeden Patienten das jeweils bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen.

Therapie

Die Behandlung eines Patienten mit embryonalem, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor oder Pineoblastom sollte unbedingt in einer kinderonkologischen Behandlungseinrichtung erfolgen. Dort ist das hoch qualifizierte Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Kinder spezialisiert und mit den modernsten Therapieverfahren vertraut. Die Ärzte dieser Klinikabteilungen stehen in fachorientierten Arbeitsgruppen in ständiger, enger Verbindung miteinander und behandeln ihre Patienten nach gemeinsam entwickelten und stetig weiter verbesserten Therapieplänen. Ziel der Behandlung ist, eine hohe Heilungsrate zu erreichen und gleichzeitig die Nebenwirkungen und Spätfolgen so gering wie möglich zu halten.

Als Therapieverfahren stehen die Operation sowie die Chemotherapie und, altersabhängig, die Strahlentherapie zur Verfügung. Bei manchen Patienten kann auch eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation zum Einsatz kommen.

Operation

Der erste Schritt bei der Behandlung eines embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumors oder Pineoblastoms ist die Operation. Sie zielt darauf ab, den Tumor „operationsmikroskopisch“ vollständig zu entfernen und dabei möglichst wenig gesundes Hirngewebe zu verletzen. Von einer vollständigen Entfernung spricht man, wenn am Ende der Operation mit dem Operationsmikroskop kein Tumor mehr zu sehen ist. Bei Patienten mit embryonalem, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor oder Pineoblastom gelingt die vollständige Tumorentfernung aufgrund der Lage des Tumors allerdings oft nicht.

Durch den chirurgischen Eingriff können bei der Mehrzahl der Patienten eventuell bestehende Abflussstörungen der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) behoben werden. Liegt ein Wasserkopf (Hydrocephalus) vor, ist unter Umständen bereits vor der eigentlichen Tumoroperation ein operativer Eingriff notwendig, um den Liquorfluss zu normalisieren. Bei manchen Patienten ist auch die Anlage eines bleibenden Drainagesystems erforderlich.

Nicht-chirurgische Weiterbehandlung

Da embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren und Pineoblastome infiltrativ in benachbartes Gewebe hineinwachsen und zudem oft über das Liquorsystem in andere Bereiche des Zentralnervensystems streuen, reicht die alleinige Behandlung des sichtbaren Tumors in der Regel nicht aus, um den Patienten zu heilen. An die Operation schließt sich daher eine nicht-chirurgische Therapie, bestehend aus Chemotherapie und zum Teil Strahlentherapie, an.

Bei der Chemotherapie werden zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) verabreicht, die darauf abzielen, Krebszellen in ihrem Wachstum zu stoppen oder zu vernichten. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit mehreren Zytostatika gleichzeitig, um eine möglichst große Wirkung gegen die bösartigen Zellen zu erzielen.

Eine Strahlentherapie erfolgt mit energiereichen, elektromagnetischen Strahlen, die von außen durch die Haut auf die betroffene Region eingestrahlt werden. Sie verursachen Schäden im Erbgut der Tumorzellen und führen dadurch zu deren Absterben. Moderne Bestrahlungstechniken, wie die so genannte intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT), sorgen dafür, Strahlenschäden an gesundem Gewebe zu minimieren. Bei manchen Patienten kann anstelle der konventionellen Strahlentherapie (mit Photonen) auch eine Protonentherapie (unter Verwendung von Protonenstrahlung) vorteilhaft sein. Diese erlaubt es noch besser, Strahlenschäden an gesundem Gewebe zu reduzieren und gewinnt daher eine immer größere Bedeutung bei der Behandlung von Tumoren im Kindes- und Jugendalter.

Die Entscheidung über die genaue Art der Therapie (Behandlungsmethoden, Art und Intensität der Chemo-/Strahlentherapie) richtet sich nach dem Alter des Patienten, der feingeweblichen (histologischen) und molekularen Art des Tumors, bestimmten biologischen (genetischen) Risikofaktoren und dem Vorhandensein von Metastasen. Des Weiteren wird berücksichtigt, ob der Tumor bei der Operation vollständig entfernt werden konnte oder nicht (siehe auch Kapitel „Therapieplanung“).

Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über mögliche Behandlungsoptionen.

Behandlungsoptionen bei Patienten mit Pineoblastom

Patienten mit einem nicht-metastasierten Pineoblastom, die über vier Jahre alt sind, erhalten nach einer maximal möglichen Tumorentfernung in aller Regel zunächst eine Bestrahlung des gesamten Zentralnervensystems (kraniospinale Bestrahlung), gefolgt von einer zusätzlichen Bestrahlung der Tumorregion. Im Anschluss erfolgt eine so genannte Erhaltungschemotherapie, bei der mehrere Zytostatika zum Einsatz kommen. Bei einer metastasierten Erkrankung wird die Behandlung intensiviert, zum Beispiel durch die Verabreichung höherer Strahlendosen und einer vorgeschalteten zusätzlichen Chemotherapie (Induktionschemotherapie).

Bei Kindern unter vier Jahren – deren Gewebeentwicklung im Gehirn noch nicht vollständig abgeschlossenen ist – wird versucht, auf eine Strahlentherapie zu verzichten oder diese zu verzögern, um das Risiko schwerwiegender Spätfolgen zu minimieren. An Stelle der Strahlentherapie wird nach der Operation eine Chemotherapie mit mehreren Medikamenten durchgeführt. Zum Teil kann zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Strahlentherapie erfolgen. Bei manchen Patienten können auch eine Hochdosis-Chemotherapie‎ und eine daran anschließende autologe Stammzelltransplantation‎ in Frage kommen, um die Überlebenschancen zu erhöhen.

Behandlungsoptionen bei anderen embryonalen ZNS-Tumoren

Für Patienten mit anderen embryonalen, nicht-rhabdoiden Tumoren des Zentralnervensystems gibt keine Standardtherapie-Empfehlung. Dies hängt mit den geringen Patientenzahlen und der Heterogenität dieser Tumoren zusammen. Dank neuer Erkenntnisse konnten inzwischen viele neue Untergruppen identifiziert werden. Dies erfordert eine eigens auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapie, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Untergruppe geplant wird.

Wichtig zu wissen: Wie die Behandlung beim einzelnen Patienten genau abläuft, entscheidet der behandelnde Arzt im Gespräch mit den Patienten beziehungsweise deren Angehörigen.

Therapieoptimierungsstudien
und Register

Fast alle Kinder und Jugendliche mit einem embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor oder Pineoblastom sowie mit Rückfall (Rezidiv) dieser Tumoren werden in Deutschland im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien oder Registern behandelt. Therapieoptimierungsstudien sind kontrollierte klinische Studien, die das Ziel haben, erkrankte Patienten nach dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu behandeln und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und weiter zu entwickeln.

Patienten, die an keiner Studie teilnehmen, entweder weil zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung keine Studie verfügbar ist oder weil sie die Einschlusskriterien einer bestehenden Studie nicht erfüllen, werden oft in einem so genannten Register dokumentiert. Diese dienen zunächst dazu, die Therapie der Patienten wissenschaftlich zu begleiten. Zur Sicherung der optimalen Behandlung verfasst darüber hinaus die jeweilige Studiengruppe in der Regel detaillierte Empfehlungen und berät die behandelnden Ärzte bei der Auswahl der optimalen Therapie für den einzelnen Patienten.

Seit Beendigung der langjährigen Therapieoptimierungsstudie HIT 2000 Ende 2011 gibt es für Patienten mit Ersterkrankung eines embryonalen, nicht rhabdoiden ZNS-Tumors (zuvor ZNS-PNET) oder Pineoblastoms keine offene Studie mehr. Neu erkrankte Patienten können sich jedoch in das I-HIT-MED Register melden lassen (aktuell allerdings vorübergehend gestoppt, siehe unten).

Derzeit stehen folgende Register zur Verfügung:

  • I-HIT-MED Register: Für Patienten mit embryonalem, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor (ehemals ZNS-PNET) oder Pineoblastom (Alter unter 22 Jahre), die derzeit oder künftig nicht an einer klinischen Studie teilnehmen können oder wollen, können in das internationale HIT-MED-Register (I-HIT-MED Registry) gemeldet werden. Die Patienten erhalten eine individuelle, das heißt, eine auf ihre Krankheitsform abgestimmte Behandlung. Für die Teilnahme am I-HIT-MED Register spielt es jedoch keine Rolle, welche Art der Therapie gegeben wird; das Ziel des Registers ist nicht, eine bestimmte Therapie zu bewerten. Das Register befindet sich unter der Leitung der HIT-MED-Studienzentrale an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (Studienleiter Prof. Dr. med. Stefan Rutkowski).
  • HIT-REZ-Register: Von Januar 2015 bis April 2023 bestand für Patienten ab 3 Monaten, deren Erkrankung nicht auf die Erstbehandlung ansprach oder die einen Krankheitsrückfall (Rezidiv) erlitten, die Möglichkeit der Aufnahme in das im Januar 2015 eröffnete HIT-REZ-Register. Im Rahmen des Registers (Leitung: Prof. Dr. med. Gudrun Fleischhack, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Essen) wurden keine neuen Behandlungsmethoden oder Medikamente erprobt. Anmerkung: Die Patientenaufnahme in das Register ist seit 24.04.2023 beendet. Seit 2024 werden auch Patienten mit Krankheitsrückfällen über das I-HIT-MED Register dokumentiert (siehe oben).

Pineoblastom-Patienten, die einen Krankheitsrückfall erleiden oder deren Erkrankung nicht auf die Therapie anspricht, können an der Phase-I-/II-Studie RIST-rPB-2015 teilnehmen, sofern sie die Einschlusskriterien der Studie erfüllen.

Prognose

Die Heilungsaussichten (Prognose) von Kindern und Jugendlichen mit einem embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor (früher ZNS-PNET) liegen nach Angaben des Deutschen Kinderkrebsregisters bei insgesamt etwa 60 % (5-Jahres-Überlebensrate). Für Pineoblastom-Patienten ist die Gesamtprognose etwas günstiger.

Allerdings hängt die Prognose für den einzelnen Patienten von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst handelt es sich bei den embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumoren um eine sehr heterogene Gruppe, das heißt, die Überlebensaussichten können je nach Tumortyp unterschiedlich sein. Darüber hinaus spielen vor allem das Krankheitsstadium und das Alter des Patienten eine besondere Rolle. So haben Kinder und Jugendliche mit metastasierter Erkrankung in der Regel ungünstigere Heilungsaussichten als Patienten mit lokalisierter Erkrankung. Auch bei jungen Patienten, die im Rahmen der Behandlung keine Strahlentherapie erhalten können, ist die Prognose ungünstig; mit einem langfristig tumorfreien Überleben ist nur bei circa 20 bis 30 % der Patienten zu rechnen.

Anmerkung: Bei den oben genannten Überlebensraten für Patienten mit embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumoren oder Pineoblastom handelt es sich um statistische Größen. Sie stellen nur für die Gesamtheit der an dieser Form der Hirntumoren erkrankten Patienten eine wichtige und zutreffende Aussage dar. Ob der einzelne Patient geheilt werden kann oder nicht, lässt sich aus der Statistik nicht vorhersagen.

Der Begriff Heilung muss hier vor allem als „Tumorfreiheit“ verstanden werden. Denn auch wenn die heute verfügbaren Therapiemethoden zu langfristiger Tumorfreiheit führen können, so sind sie doch meist auch mit unerwünschten Nebenwirkungen und Spätschäden verbunden, die in der Regel eine intensive Rehabilitation und eine langfristige medizinische Betreuung erforderlich machen.

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