Langerhanszell-Histiozytose (LCH) – Kurzinformation
Die Langerhanszell-Histiozytose (LCH) ist eine seltene neoplastische Erkrankung, die meist im Kindes- und Jugendalter auftritt. In diesem Text erhalten Sie Informationen zu Krankheitsbild, Symptomen, Ursachen, Diagnose, Therapie und Prognose dieser Tumoren.
Autor: Dr. med. Anke Barnbrock, Prof. Dr. med. Thomas Lehrnbecher, Maria Yiallouros, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 03.07.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e242647
Inhaltsverzeichnis
Krankheitsbild
Die Langerhanszell-Histiozytose (LCH) tritt meist im Kindes- und Jugendalter auf und wird den bösartigen Erkrankungen zugerechnet. Nach heutigem Wissen geht die LCH von bestimmten Vorläuferzellen der weißen Blutzellreihe im Knochenmark aus und kann fast jedes Organ beziehungsweise jede Körperregion befallen.
Die am häufigsten beteiligten Organe sind das Skelett (in 80 % der Fälle), die Haut (30 % der Fälle) und die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse, mit bis zu 25 %). Ein Knochenbefall kann fast an allen Stellen des Skeletts vorliegen; am häufigsten betroffen sind jedoch der Schädel und die langen Röhrenknochen. Andere relativ häufig betroffenen Organe sind die Leber, die Milz, das blutbildende System und die Lunge (mit jeweils 15 %). Darüber hinaus können auch die Lymphknoten (mit 5–10 %) sowie das Zentralnervensystem (mit 2–4 %) beteiligt sein.
Eine LCH kann unterschiedliche Schweregrade aufweisen und auch hinsichtlich des Krankheitsverlaufs variieren. In diesem Zusammenhang ist vor allem ausschlaggebend, ob nur ein oder mehrere Organe beziehungsweise Organsysteme betroffen sind und um welche es sich dabei handelt. Patienten, bei denen nur ein Organ/Organsystem befallen ist – zum Beispiel nur der Knochen oder nur die Haut (so genannte Monosystemische LCH) – haben in der Regel eine günstigere Prognose als Patienten, bei denen mehrere Organe/Organsysteme befallen sind (Multisystemische LCH).
Gut zu wissen: Manche der Patienten bedürfen keiner Behandlung, während bei anderen eine Chemotherapie notwendig ist; die Therapieentscheidung wird dabei durch Ort und Ausbreitung der Erkrankung bestimmt (siehe Kapitel „Behandlung“).
Häufigkeit
Die Langerhanszell-Histiozytose (LCH) ist eine seltene Erkrankung. Ihr Anteil an der Gesamtheit aller bösartigen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter beträgt weit weniger als 5 %. In Deutschland erkranken jährlich schätzungsweise circa 80 bis 100 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (das sind drei bis fünf pro Million) neu an einer LCH. Allerdings entspricht – aufgrund möglicher Spontanheilungen – die Zahl der gemeldeten Neuerkrankungen nicht jener der tatsächlich aufgetretenen Fälle.
Die LCH kann prinzipiell in jedem Lebensalter vorkommen; sie wird aber überwiegend im Kindesalter diagnostiziert, am häufigsten bei Säuglingen und Kleinkindern bis zu vier Jahren. Mit zunehmendem Alter nimmt Häufigkeit der Erkrankung ab. Jungen sind insgesamt etwas häufiger betroffen als Mädchen (Geschlechterverhältnis: 1,3:1).
Krankheitszeichen
Da die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) fast jedes Organ beziehungsweise jede Körperregion befallen kann (siehe Kapitel „Krankheitsbild“), ist die Bandbreite der möglichen Krankheitszeichen (Symptome) groß. Sie richten sich vor allem nach der Lage und Ausdehnung der Erkrankung.
Manche Patienten sind beschwerdefrei und die Diagnose beruht auf einem Zufallsbefund, wie es manchmal bei einzelnen Krankheitsherden (Läsionen) am Schädelknochen beobachtet wird. Andere Patienten weisen Hautveränderungen unterschiedlichen Ausmaßes auf (einzelne Hautläsionen bis hin zu flächenhaften oder den ganzen Körper betreffenden Ausschlägen), wieder andere ein schweres Krankheitsbild mit Multiorganbefall.
Zu den möglichen Symptomen zählen zum Beispiel:
- bei Befall der Knochen: Knochenschmerzen, teilweise auch Schwellungen und/oder Bewegungseinschränkungen (zum Beispiel Hinken); Hervortreten des Augapfels (Exophthalmus) (bei Befall der knöchernen Augenhöhle)
- bei Befall der Haut: hartnäckige Hautveränderungen/Hautausschläge (Exantheme) unterschiedlicher Art (zum Beispiel knotig, schuppend, nässend, geschwürartig oder krustenbildend), beispielsweise auf der Kopfhaut, im Windelbereich oder an Armen, Beinen und Rumpf; auch möglich: kleine punktförmige Hautblutungen, Ausfluss von Sekret aus dem Ohr oder Polypen im Gehörgang
- bei Befall der Schleimhäute: Schleimhautveränderungen im Mund- und äußeren Genitalbereich, zum Beispiel in Form von Schwellungen, Geschwüren
- bei Befall der Lunge und/oder Luftansammlungen im Bereich des Brustkorbs: Atembeschwerden wie Husten, Atemnot, Schmerzen im Brustbereich
- bei Befall von Leber, Milz und/oder Lymphknoten: Vergrößerung der entsprechenden Organe/Organsysteme, die sich zum Beispiel durch einen hervorgewölbten Bauch und/oder (sehr selten) Lymphknotenschwellungen bemerkbar machen können
- bei Befall der Hypophyse: Hormonausfälle, die unter anderem durch starken Durst und häufiges Wasserlassen (Hinweis auf Diabetes insipidus) oder durch Wachstumsstörungen / Störungen der Geschlechtsentwicklung (verzögerte Pubertät) auffallen können
- bei Befall des blutbildenden Knochenmarks: Infektionen, Blässe oder Blutungszeichen
- bei Befall des Zentralnervensystems: neurologische Symptome wie beispielsweise Seh- und/oder Hörstörungen, Gangunsicherheit, Konzentrations- oder Verhaltensstörungen
Gut zu wissen: Die Symptome einer LCH können individuell sehr verschieden stark ausgeprägt sein. Wichtig zu wissen ist auch, dass das Auftreten eines oder mehrerer der genannten Krankheitszeichen nicht unbedingt bedeuten muss, dass eine LCH vorliegt. Viele dieser unspezifischen Symptome treten bei vergleichsweise harmlosen Erkrankungen auf, die mit dieser Erkrankung nichts zu tun haben. Bei länger bestehenden Beschwerden ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich den Kinderarzt zu konsultieren, um deren Ursache zu klären.
Ursachen
Die Ursachen der Langerhanszell-Histiozytose (LCH) sind noch weitgehend ungeklärt. Bekannt ist, dass die Krankheit durch die Veränderung einer bestimmten (myeloischen) Vorläuferzelle der weißen Blutzellen und deren anschließende Vervielfältigung entsteht. Die veränderten Zellen machen dabei manchmal weniger als 10 % aller Zellen in den LCH-Tumorherden aus, die ansonsten überwiegend aus Entzündungszellen des Immunsystems (T-Zellen, Granulozyten und so genannten multinukleären Riesenzellen) bestehen.
In den LCH-Zellen werden häufig bestimmte genetische Abweichungen (Mutationen) im Erbgut beobachtet. So können zum Beispiel bei circa zwei Drittel der erkrankten Patienten Genveränderungen in bestimmten Signalwegen der LCH-Zellen nachgewiesen werden, welche für die Steuerung von Zellwachstum, Zellentwicklung und Zellüberleben von Bedeutung sind. Bei den Genveränderungen in den LCH-Zellen handelt es sich überwiegend um die so genannte BRAF V600E-Mutation, seltener um eine MAP2K1-Mutation. Beide Mutationen verursachen eine Daueraktivierung der oben genannten Signalübertragungswege und begünstigen durch Störung der Zellfunktion die Krankheitsentwicklung.
Anmerkung: Das Auffinden solcher Mutationen hat nicht nur zu einem besseren Verständnis der Erkrankung beigetragen, es eröffnet auch diagnostisch und therapeutisch völlig neue Ansätze für die Zukunft (siehe Kapitel "Behandlung – Neue Therapieansätze). Nichtsdestrotrotz ist bei der LCH noch vieles nicht geklärt. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass solche Mutationen spontan auftreten, das heißt, nicht vererbt werden oder erblich sind.
Diagnose
Findet der (Kinder-)Arzt durch Krankheitsgeschichte (Anamnese) und körperliche Untersuchung des Patienten Hinweise auf eine Langerhanszell-Histiozytose (LCH), wird er, je nach Art des Befundes, entweder zunächst bildgebende Verfahren, meist eine Magnetresonanztomographie (MRT), oder zunächst eine Gewebeentnahme (Biopsie) veranlassen. Letzteres kann bei leicht zugänglichen Stellen, wie zum Beispiel der Haut, der Fall sein.
Für die Sicherung der Diagnose ist auf jeden Fall die Entnahme und Untersuchung von Gewebe erforderlich, für die sich anschließende genaue Bestimmung der Krankheitsausbreitung wiederum eine ausführliche bildgebende Diagnostik und Anamnese. Der Kinderarzt wird den Patienten daher für alle sich eventuell anschließenden Untersuchungen sowie mögliche Therapiemaßnahmen in ein Krankenhaus überweisen, das auf Krebs- und Bluterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für Pädiatrische Onkologie/Hämatologie).
Die verschiedenen Diagnoseverfahren werden im Anschluss genauer erläutert, ob und in welcher Reihenfolge diese Untersuchungen durchgeführt werden, hängt von der jeweiligen Situation beziehungsweise von bereits vorliegenden Befunden ab.
Anamnese und körperliche Untersuchung
Eine spezifische Anamneseerhebung und eine umfassende, spezifische körperliche Untersuchung des Patienten sind insbesondere nach der Diagnosesicherung (in erster Linie mittels Gewebeentnahme, siehe unten) von Bedeutung. Der untersuchende Arzt oder die untersuchende Ärztin legt dabei besonderes Augenmerk auf Schmerzen, Schwellungen, Bewegungseinschränkungen, Hautausschläge und Schleimhautveränderungen, Ausfluss aus dem Ohr, Fieber, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durchfall, Gewichtsverlust oder mangelnde Gewichtszunahme sowie Wachstumsverzögerungen. Zudem wird auf Auffälligkeiten bezüglich des Trinkverhaltens (extrem große Trinkmenge) und/oder der Urinbildung (extrem viel Urinproduktion), Zeichen der Atemnot sowie auf neurologische Auffälligkeiten geachtet.
Blutuntersuchungen und bildgebende Diagnostik
Im Moment gibt es keine aussagekräftigen Blutwerte, um Hinweise auf eine LCH erhalten oder die Krankheitsaktivität abschätzen zu können. Die Diagnose der Erkrankung sowie die Erfassung ihrer Ausbreitung („Staging“) erfolgt daher, neben verschiedenen standardmäßig durchgeführten Blutuntersuchungen, vor allem durch bildgebende Verfahren (radiologische Diagnostik) zum Zeitpunkt der Diagnose (sowie später auch zur Verlaufsbeurteilung und zur Nachkontrolle).
Im Rahmen der Blutanalyse werden das Blutbild, die Leber- und Nierenwerte sowie die Gerinnungswerte untersucht. Die bildgebenden Verfahren beinhalten eine Ultraschalluntersuchung des Bauches (Abdomens) und eine Röntgenuntersuchung der Lunge beziehungsweise des Skelettsystems, denn die LCH betrifft vorzugsweise die Knochen. Um die Strahlenbelastung möglichst gering zu halten, verwenden manche Kliniken das Ganzkörper-MRT; bei Unsicherheiten hinsichtlich der Bewertung ist aber manchmal dennoch ein Röntgenbild oder eine Computertomographie (CT) notwendig.
Neben dieser Basisdiagnostik können bei spezieller Indikation, also in manchen Krankheitssituationen, zusätzliche Untersuchungen notwendig sein, zum Beispiel ein Sehtest, ein Hörtest (Audiogramm), eine Lungenfunktionsprüfung, Hormontestungen, bestimmte MRT-Untersuchungen oder eine Endoskopie.
Gewebeentnahme und -untersuchung
Die endgültige Diagnose einer LCH beruht auf der mikroskopischen Untersuchung von Gewebe aus dem (den) von der Erkrankung betroffenen Bereich(en) mittels konventionellem Lichtmikroskop sowie auf dem immunhistochemischen Nachweis von besonderen Molekülen (so genannten Markern) auf der Oberfläche der LCH-Zellen (CD1a-Antigen und/oder Langerin (CD207)).
Eine zusätzliche molekulargenetische Untersuchung im Hinblick auf häufig vorkommende Genveränderungen (Mutationen), wie BRAF V600E, wird insbesondere für Patienten mit Multisystembefall empfohlen, ist aber für die Therapieentscheidungen zunächst nicht notwendig. Die Diagnose der LCH wird in der Regel durch einen weiteren Experten (so genannte Referenzbefundung) abgesichert; dies ist jedoch nicht immer notwendig (zum Beispiel bei klaren Ergebnissen).
Falls eine Gewebeentnahme (Biopsie) aufgrund der Lage des Tumorherdes (beispielsweise im Bereich des zweiten Halswirbels oder im Hypophysenstiel) eine Gefährdung des Patienten darstellt oder mit der Gewinnung von ausreichendem Gewebematerial nicht gerechnet werden kann, wägt das Behandlungsteam das Nutzen-Risiko-Verhältnis beim jeweiligen Patienten sorgfältig ab. Wird auf eine Biopsie verzichtet, ist die Sicherstellung einer sorgfältigen Verlaufsbeobachtung besonders wichtig.
Gut zu wissen: Nicht alle Untersuchungen sind bei jedem Patienten notwendig. Andererseits können eventuell Untersuchungen hinzukommen, die hier nicht erwähnt wurden. Ihr Behandlungsteam wird Sie darüber informieren, welche diagnostischen Verfahren bei Ihnen oder Ihrem Kind zur Therapieplanung erforderlich sind.
Therapieplanung
Bestätigt sich der Verdacht auf eine Langerhanszell-Histiozytose (LCH), erfolgt – im Anschluss an die Staging-Untersuchungen (siehe oben) – die Therapieplanung. Um eine möglichst individuelle, auf den Patienten zugeschnittene (risikoadaptierte) Behandlung durchführen zu können, berücksichtigt das Behandlungsteam bei der Planung bestimmte Faktoren, die die Prognose des Patienten beeinflussen (sie werden daher auch Risiko- oder Prognosefaktoren genannt).
Wichtige Prognosefaktoren sind das Ausmaß der Erkrankung (monosystemisch, multisystemisch, unifokal, multifokal) sowie die Art der von der Erkrankung betroffenen Organe (unter Berücksichtigung so genannter Risikoorgane und der genauen Lage des Krankheitsherdes in einem Organ, siehe Ausführung im Anschluss). Darüber hinaus spielt auch das Ansprechen der Erkrankung auf therapeutische Maßnahmen (vor allem die Chemotherapie) eine Rolle für die Prognose des Patienten.
Einteilung der LCH nach Ausbreitungsgrad und Art der betroffenen Organe
Bei der Einteilung der Langerhanszell-Histiozytose (LCH) wird entsprechend internationaler Studien zunächst berücksichtigt, ob nur ein Organ/Organsystem von der Erkrankung betroffen ist oder ob die Krankheit zwei oder mehrere Organe/Organsysteme umfasst. Im ersteren Fall spricht man von einer Monosystemischen LCH (englisch: single-system LCH, abgekürzt: SS-LCH), im zweiten von einer Multisystemischen LCH (englisch: multi-system LCH, kurz: MS-LCH).
Monosystemische LCH
Liegt eine monosystemische LCH vor, ist für die Therapieplanung von Bedeutung, ob das Organ/Organsystem nur an einer Stelle (unifokal) oder an mehreren Stellen (multifokal) befallen ist. So werden zum Beispiel bei einem Knochenbefall unifokale Knochenherde („single bone“) von einer multifokalen Knochenerkrankung (mehr als 1 Knochen) abgegrenzt, wobei auch die Lage des Knochenbefalls sowie die Größe der Krankheitsherdes eine Rolle spielen (siehe hierzu Abschnitt „Organbeteiligung – special sites“). Eine monosystemische LCH kann, neben Knochen, auch Haut, Lunge, die Hypophysen-Hypothalamus-Region, das Zentralnervensystem sowie andere Organe (wie Schilddrüse, Thymusdrüse) betreffen.
Multisystemische LCH
Bei einer multisystemischen LCH (Befall von zwei oder mehreren Organen/Organsystemen) wird berücksichtigt, ob so genannte „Risikoorgane“ von der Erkrankung betroffen sind oder nicht. Als Risikoorgane gelten das blutbildende (hämatopoetische) System sowie die Milz und die Leber. Ein Befall dieser Organe ist, wie (Therapie-)studien gezeigt haben, mit einer schlechteren Prognose verbunden als der Befall anderer Organe und muss daher bei der Therapie und insbesondere bei der Beurteilung des Therapieansprechens Beachtung finden. Die Lunge, die früher ebenfalls als Risikoorgan galt, wird im Rahmen der internationalen LCH-Studien inzwischen nicht mehr als solches definiert.
Ein Lymphknotenbefall wird dann als multisystemisch gewertet, wenn der Lymphknoten / die Lymphknoten nicht im Abflussgebiet eines anderen LCH-Herdes liegt/liegen und somit nicht mit diesem in direktem Zusammenhang steht.
Organbeteiligung – „special sites“
Unabhängig davon, ob eine monosystemische oder multisystemische LCH vorliegt: Krankheitsherde in ganz bestimmten Organen beziehungsweise Organlagen gelten als so genannte „special sites“ ("besondere Orte"), die gesondert berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei um Krankheitsherde, die aufgrund ihrer Lage oder Größe entweder für einen operativen Eingriff nur schwer oder nicht zugänglich sind (zum Beispiel eine große Läsion in tragenden Knochen), eine Bedrohung für das Leben darstellen (zum Beispiel bei Befall bestimmter Wirbelkörper) oder, nach älteren Studiendaten, mit einem höheren Risiko für Hormonstörungen, wie einem Diabetes insipidus, verbunden sind. Letzteres gilt zum Beispiel bei Befall bestimmter Gesichts- und/oder Schädelknochen. Sind bei einer LCH-Erkrankung solche „special sites“ betroffen, erfordert dies eine systemische Therapie, das heißt, eine Chemotherapie.
Behandlung
Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Langerhanszell-Histiozytose (LCH) sollte nur in Zentren durchgeführt werden, die mit der Erkrankung und ihrer Behandlung vertraut sind. In der Regel handelt es sich dabei um eine kinderonkologische/-hämatologische Behandlungseinrichtung, deren hoch qualifiziertes Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Patienten spezialisiert ist. Die Ärzte dieser Klinikabteilungen stehen in fachorientierten Arbeitsgruppen in ständiger, enger Verbindung miteinander und behandeln ihre Patienten nach gemeinsam entwickelten und stetig weiter verbesserten Therapieplänen.
Je nach Ausbreitung und Schweregrad der Erkrankung gibt es unterschiedliche Therapieansätze. Das mögliche Vorgehen bei Kindern mit LCH richtet sich unter anderem danach, ob ein oder mehrere Organsysteme (zum Beispiel Haut, Knochen, Leber, Milz) befallen sind und ob – im Falle eines Knochenbefalls – eine oder mehrere Stellen betroffen sind und in welcher Lage (siehe auch Kapitel „Therapieplanung“). Wichtig ist auch, ob es sich um eine Ersterkrankung oder um einen Rückfall der LCH handelt.
In Abhängigkeit von den genannten Kriterien sind prinzipiell folgende Vorgehensweisen möglich:
- „Watch-and-wait“ Strategie
- Lokaltherapie
- Systemische Therapie
Aufgrund möglicher Spätschäden kann die Strahlentherapie im Allgemeinen nicht länger als geeignete Therapiemaßnahme empfohlen werden.
„Watch-and-wait“ Strategie
Bei der „watch-and-wait“-Strategie („schauen/beobachten und abwarten“) erfolgt unter engmaschigen Verlaufskontrollen eine abwartende Haltung und vorerst keine Behandlung. Dies kann beispielsweise bei einem einzigen Knochenherd oder einem isolierten Hautbefund in Frage kommen, unter anderem deshalb, weil in solchen Fällen eine spontane Ausheilung möglich ist. In den Verlaufskontrollen wird sorgfältig darauf geachtet, ein Voranschreiten einer örtlich begrenzten Erkrankung oder auch die Entwicklung in eine multisystemische Erkrankung möglichst früh zu erkennen. Dies ist insbesondere bei sehr jungen Patienten äußerst wichtig.
Lokaltherapie
Eine Lokaltherapie kann sowohl bei Patienten mit ausschließlichem Hautbefall als auch bei Patienten mit unifokalem Knochenbefall ohne Beteiligung weiterer Organe in Frage kommen beziehungsweise diskutiert werden.
Patienten , die lediglich lokaltherapeutisch behandelt werden, sollten – wie im Falle einer „watch-and-wait“ Strategie – während der Therapie engmaschig kontrolliert werden, um ein Voranschreiten der Erkrankung oder ein Wechsel in eine multisystemische Erkrankung möglichst frühzeitig zu erkennen.
Häufig ist bereits die Gewebeentnahme (Biopsie) als eine lokale Behandlung zu sehen, da es durch den operativen Eingriff in vielen Fällen zu einer Ausheilung des Krankheitsherdes kommt. Eine komplette oder weiträumige Operation des betroffenen Bereiches wird nicht empfohlen. Bei einem Knochenbefall könnte ein solches Vorgehen den Knochendefekt vergrößern, den Heilungsprozess verzögern und so eine dauerhafte Knochenschädigung verursachen.
Systemische Therapie
Bei vielen LCH-Patienten ist – aufgrund der Lage und Ausbreitung der Krankheitsherde – eine Chemotherapie erforderlich. Dies gilt generell im Falle einer multisystemischen Erkrankung, also einem Befall mehrerer Organe oder Organsysteme, kann aber auch bei Patienten mit monosystemischer LCH angezeigt sein, sofern (zum Beispiel) nicht ausschließlich ein lokaler Hautbefall oder eine unifokale Knochenläsion ohne Beteiligung weiterer Organe vorliegt (siehe Abschnitt „Lokaltherapie“).
Bei einer Chemotherapie werden Medikamente (so genannte Zytostatika) eingesetzt, die das Zellwachstum hemmen und so zur Vernichtung der LCH-Zellen beitragen. Da diese Therapie im ganzen Körper wirksam wird, wird sie auch als systemische Therapie bezeichnet. Um möglichst alle kranken Zellen zu vernichten, wird in der Chemotherapie in der Regel eine Kombination verschiedener zellwachstumshemmender Zytostatika eingesetzt, die sich bei der Bekämpfung dieser Erkrankung als besonders wirkungsvoll erwiesen haben.
Im Rahmen der Chemotherapie zur LCH-Behandlung wird zwischen Erstlinientherapie und Zweitlinientherapie unterschieden. Die Zweitlinientherapie kommt nur zur Anwendung, wenn die Erstlinientherapie nicht angemessen greift.
Erstlinientherapie
Die Erstlinientherapie besteht bei Patienten mit LCH aus zwei größeren Therapiephasen: der so genannten Induktionstherapie und der Erhaltungstherapie. In beiden Phasen werden die Medikamente Vinblastin (VBL) und Prednison eingesetzt.
Im Rahmen der derzeitigen Standardtherapie erfolgt zunächst ein sechswöchiger Chemotherapie-Kurs, der insgesamt sechs Gaben des Zytostatikums Vinblastin (einmal pro Woche) und tägliche Prednison-Gaben beinhaltet. Im Anschluss an die sechswöchige Behandlung wird das Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (Therapieansprechen) untersucht. Bei gutem Therapieansprechen ist die Induktionstherapie beendet. Liegt hingegen nur ein teilweises Therapieansprechen vor und besteht, insbesondere, nach wie vor ein Befall von Risikoorganen, wird im Allgemeinen ein weiterer sechswöchiger Chemotherapie-Kurs empfohlen. Auch in diesem zweiten Kurs kommen wieder die Medikamente Vinblastin und Prednison zum Einsatz: Vinblastin wird einmal wöchentlich, insgesamt sechs Mal, verabreicht, Prednison jeweils an den Tagen 1–3 der sechswöchigen Behandlungszeit.
Nach Ende der sechs beziehungsweise zwölf Wochen dauernden Induktionstherapie schließt sich, bei ausreichendem Therapieansprechen, die Erhaltungstherapie an. Sie besteht aus Vinblastin-/Prednison-Gaben, die alle drei Wochen an den Tagen 1–5 verabreicht werden.
Die derzeitige Gesamtdauer der Therapie gemäß Therapiestandard (Induktion und Erhaltungstherapie) beträgt sechs Monate für Patienten mit einer Monosystemischen LCH („single-system LCH“), also zum Beispiel mit uni- oder multifokalem Knochenbefall. Für Patienten mit Multisystemischer LCH („multi-system LCH“) beläuft sich die Standardtherapie auf insgesamt zwölf Monate. Sowohl die optimale Dauer als auch die optimale Intensität der Erhaltungstherapie werden derzeit im Rahmen von Studien untersucht.
Zweitlinientherapie („Salvage“-Therapie)
Wenn sich zum Zeitpunkt der sechsten Behandlungswoche zeigt, dass das Therapieansprechen nicht zufriedenstellend ist oder die Erkrankung gar in Risikoorganen voranschreitet, ist vor allem bei Patienten mit Befall des blutbildenden Systems oder der Leber eine frühe Therapieumstellung auf eine „Salvage“- („Zweitlinien“-) Therapie zu erwägen. Diese Patienten sollten in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden.
Mögliche Therapieoptionen umfassen Chemotherapeutika wie Vincristin (VCR), Cytarabin (Ara-C), Clofarabin, eine Kombination aus 2-Chlorodeoxyadenosine (2-CDA) und Cytarabin (Ara-C) und/oder eine hämatopoetische Stammzelltransplantation (Blut-Stammzelltransplantation). Der Einsatz von neueren Medikamenten wie den Inhibitoren wird gerade untersucht (siehe unten).
Neue Therapieansätze
Durch die zunehmende Charakterisierung von krankheitsaktivierenden Signalwegen in den veränderten Zellen (zum Beispiel BRAF- oder MAPK2K1-Genveränderungen, siehe Kapitel „Ursachen") besteht ein wachsendes Interesse am Einsatz von Medikamenten, die diese Signalwege blockieren (so genannten Checkpoint-Inhibitoren). Im Rahmen von Beobachtungsstudien (Fallserien) zeigen Checkpoint-Inhibitoren bei Kindern sehr vielversprechende Ergebnisse.
Allerdings sind diese Therapiestrategien und die optimale Therapiedauer mit diesen Substanzen noch unklar, und bei Absetzen der Medikamente kehrt die Erkrankung bei der überwiegenden Anzahl der Patienten zurück. Aus diesem Grund werden derzeit Studien konzipiert, die eine Kombination dieser Signalweg-Blockade mit einer Chemotherapie prüfen sollen.
Da die Langzeitnebenwirkungen solcher Medikamente einerseits noch unklar sind, andererseits die Chemotherapie bei den meisten Patienten gut wirkt, sollten diese Medikamente vorerst nur in akut lebensbedrohlichen Situationen oder bei fehlendem Therapieansprechen eingesetzt und das weitere Vorgehen mit Experten besprochen werden.
Behandlung bei Rückfall der LCH
Gegenwärtig beruhen alle Therapieempfehlungen bei Krankheitsrückfall (Rezidiv) auf Erfahrungen aus der klinischen Praxis sowie auf Expertenmeinungen. Die therapeutische Entscheidung hängt vom Zeitpunkt des Rückfalls und von der Ausbreitung der Erkrankung ab.
Ist nur ein Organ/Organsystem befallen, basiert die Entscheidung über die geeignete Behandlungsstrategie auf ähnlichen Kriterien wie bei der Ersterkrankung. Auch wenn das Rezidiv mehr als ein Organ/Organsystem betrifft, kann im Rahmen der in diesem Fall erforderlichen Chemotherapie nach abgeschlossener Erstlinientherapie eine Wiederaufnahme der Behandlung mit Vinblastin und Steroiden (Prednisolon) erfolgreich sein (siehe Kapitel „Behandlung“).
Bei Rückfällen im Bereich des Knochens beschreiben kleinere Fallserien mit LCH-Patienten auch Indomethacin oder Bisphosphonate als wirksame Therapiemöglichkeiten, wobei diese Strategien bisher nicht in randomisierten Studien geprüft wurden [siehe Randomisierung]. Bei Therapieversagen oder bei einem Rückfall während laufender Therapie wird über das weitere Vorgehen individuell entschieden. Die Studienleitung kann die behandelnde Einrichtung mit Therapieempfehlungen unterstützen.
Therapieoptimierungsstudien und Register
Um die Behandlungsoptionen für Kinder und Jugendliche mit Langerhanszell-Histiozytose (LCH) kontinuierlich weiter zu verbessern, sollten alle Patienten mit dieser Erkrankung in eine laufende (Therapieoptimierungs-)Studie oder ein Register eingeschlossen werden.
Therapieoptimierungsstudien sind kontrollierte klinische Studien, die das Ziel haben, erkrankte Patienten nach dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu behandeln und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und weiter zu entwickeln. Patienten, die an keiner Studie teilnehmen, entweder weil zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung keine Studie verfügbar ist oder weil sie die Einschlusskriterien einer bestehenden Studie nicht erfüllen, werden oft in einem so genannten Register dokumentiert.
Bis vor kurzem stand in Deutschland für Patienten mit LCH das Register LCH-REG-DE 2013 zur Verfügung, das aus administrativen Gründen geschlossen wurde; die Wiedereröffnung des Registers als LCH-REG-DE 2025 ist für Ende 2025 geplant.
In das Register „LCH-REG-DE 2025“ können sich dann – wie bereits zuvor in das Register LCH-REG-DE 2013 (das nach Beendigung der Patientenaufnahme in die Therapieoptimierungsstudie „LCH IV-G 2016“ Ende 2022 zur Verfügung stand) – alle LCH-Patienten unter 18 Jahren erfassen lassen. Dies gilt sowohl für Patienten mit LCH-Ersterkrankung als auch für Patienten mit Krankheitsrückfall.
Das Register dient in erster Linie dazu, die Therapie der Patienten wissenschaftlich zu begleiten und Antworten auf verschiedene Fragestellungen zu erhalten. Therapievorgaben gibt es im Rahmen des Registers nicht; die Patienten erhalten die auf ihre Krankheitsform abgestimmte Standardbehandlung. Die LCH-Studiengruppe berät bei Bedarf die behandelnden Ärzte bei der Auswahl der jeweils optimalen Diagnostik und Therapie.
Die Studiengruppenleitung für die LCH befindet sich am Universitätsklinikum Frankfurt (Main) unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Lehrnbecher. Weitere Mitglieder der Studienzentrale sind PD Dr. Konrad Bochennek und Dr. Anke Barnbrock sowie die Neuroradiologin Prof Dr Luciana Porto.
Prognose und Verlauf
Bei der Langerhanszell-Histiozytose (LCH) handelt es sich um ein vielfältiges Krankheitsbild, das mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen und Heilungsaussichten (Prognose) einhergehen kann. Sowohl Verlauf als auch Prognose hängen maßgeblich vom Ausbreitungsgrad der Erkrankung und von deren Ansprechen auf die Therapie ab. Es gibt einerseits Krankheitsverläufe, die mit Spontanheilungen einhergehen können. Andererseits kann es bei einer LCH auch zu einem chronischen Wiederauftreten der Erkrankung oder, selten, sogar zu einem rasch zunehmenden Verlauf mit gar tödlichem Ausgang kommen.
In der Regel ist die Prognose für Patienten mit monosystemischer LCH sehr gut, während bei multisystemischer LCH immer noch bis zu 10 % der Patienten versterben. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Kinder unter zwei Jahren, bei denen wichtige Organe (Leber, Milz, Knochenmark) befallen sind und die auf die Anfangsbehandlung (Induktion) schlecht oder gar nicht angesprochen haben. Die Mehrheit der Patienten allerdings spricht auf die Behandlung gut an und bleibt anschließend symptomfrei.
Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt es nach einer (unterschiedlich langen) krankheitsfreien Phase zu einem Krankheitsrückfall. LCH-Rückfälle sind überwiegend auf Knochen, Haut und Hypophyse beschränkt und daher in aller Regel nicht lebensgefährlich. Sie können allerdings mit langwierigen (chronischen) Problemen (Spätfolgen) einhergehen. Spätfolgen der Erkrankung werden bei 30–40 % der Patienten beobachtet, wobei ein chronischer Krankheitsverlauf das Risiko für bleibende Folgen deutlich erhöht (siehe Folgetext zum Thema Spätfolgen).
PDF-Datei der Patienten-Kurzinformation zur Langerhanszell-Histiozytose (LCH) (295KB)
Autor: Maria Yiallouros
Stand: 03.07.2025
Literaturliste 
- Ronckers CM, Spix C, Grabow D, Erdmann F: German Childhood Cancer Registry - Annual Report 2022 (1980-2021). Institute of Medical Biostatistics, Epidemiology and Informatics (IMBEI) at the University Medical Center of the Johannes Gutenberg University Mainz 2025 [URI: https://www.kinderkrebsregister.de/ fileadmin/ kliniken/ dkkr/ pdf/ jb/ jb2022/ JB_2022_final.pdf]
- Lehrnbecher T, Minkov M: Leitlinie 025/015 - Langerhanszell-Histiozytose (LCH) im Kindes- und Jugendalter. S1-Leitlinie (Handlungsempfehlung) der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin AWMF online 2023 [URI: https://register.awmf.org/ assets/ guidelines/ 025-015l_S1_Langerhanszell-Histiozytose-LCH-Kinder-Jugendliche_2023-05.pdf]
- Lehrnbecher T, Minkov M: Histiozytosen inkl. Langerhans-Zell-Histiozytose. In: Niemeyer C, Eggert A (Hrsg.): Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Springer-Verlag GmbH Deutschland, 2. vollständig überarbeitete Auflage 2018, 94 [ISBN: 978-3-662-43685-1]


