Stammzellgewinnung aus Nabelschnurblut

Autor:  Dr. med. Gesche Riabowol née Tallen, Dr. med. Jörn Kühl, Redaktion:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 23.05.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e76962

Eine besondere Art der Stammzellgewinnung aus peripherem Blut ist die Nutzung von Plazenta- oder Nabelschnurblut.

In der Nabelschnur und im kindlichen Anteil des Mutterkuchens (Plazenta) befindet sich nach der Abnabelung eines Neugeborenen eine Stammzellzahl, die für eine allogene Stammzelltransplantation bei einem Kind ausreichen kann. Dieses Stammzellmaterial wird normalerweise verworfen. Wenn die Eltern einverstanden sind, kann es aber auch anonym an eine öffentliche, zentrale Nabelschnurbank gespendet werden. In diesem Fall werden die Nabelschnur-Stammzellen direkt nach der Geburt des Kindes gesammelt und für die Aufbewahrung in der Nabelschnurbank tiefgefroren.

Das gewonnene Material hat zwar durch die noch ausgeprägte Unreife der Zellen sowohl Vor- als auch Nachteile; es stellt aber dennoch eine zusätzliche Möglichkeit oder auch Reserve für Kinder dar, die anderweitig keinen Spender haben.

Gut zu wissen: Derzeit werden Stammzellen aus Nabelschnurblut nur allogen transplantiert. Für die Behandlung einer späteren Krebserkrankung des Spenderkindes eignen sie sich nach heutigem Kenntnisstand nicht.

Im Übrigen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind zu einem späteren Zeitpunkt seine eigenen Stammzellen benötigt, sehr gering. Bei den häufigsten Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter, den Leukämien, sowie auch bei angeborenen Immundefekten und Stoffwechselerkrankungen kommt eine autologe Stammzelltransplantation (in diesem Fall durch eigenes, eingefrorenes Nabelschnurblut) nicht in Frage. In den Fällen, in denen ein Kind eigene Stammzellen benötigt, zum Beispiel im Rahmen der Behandlung eines soliden Tumors [solider Tumor], können diese Stammzellen zum gegebenen Zeitpunkt auch aus dem peripheren Blut gewonnen werden (siehe Kapitel "Stammzellgewinnung aus dem Blut").

Eindeutige Statistiken im Hinblick auf den individuellen zukünftigen Bedarf an eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen gibt es nicht. Schätzungen aus den USA bewegen sich beispielsweise zwischen 1 : 1.000 bis 1 : 200.000. Da somit konkrete Zahlen bezüglich des potentiellen Bedarfs an eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen fehlen, ist es nicht sinnvoll, deren Aufbewahrung als eine "biologische Lebensversicherung", zum Beispiel für den Fall einer späteren Krebserkrankung, zu betrachten.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es zum heutigen Zeitpunkt nicht angemessen ist, Eltern die Aufbewahrung von Nabelschnurblut ihres neugeborenen Kindes für das Kind selbst zu empfehlen. Nabelschnurblut kann aber für andere Patienten gespendet werden.

Literatur

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