Welche möglichen Krankheitsverläufe / Krankheitsphasen gibt es bei Patienten in Behandlung?

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 02.12.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e11538

Bei Patienten mit ALL kann die Erkrankung auch im Rahmen einer Behandlung individuell unterschiedlich verlaufen. Neben Art und Ausbreitung der Erkrankung ist für den Krankheitsverlauf unter anderem von Bedeutung, ob die Krankheit zum ersten oder zum wiederholten Male auftritt, wie gut und schnell die Erkrankung auf die Therapie anspricht und wie dauerhaft der Erfolg der Therapie ist.

Die Experten benutzen während der Behandlungsplanung und im Rahmen der Verlaufsbeurteilung bestimmte Begriffe, die im Folgenden erklärt werden.

Unbehandelte ALL

"Unbehandelte ALL" bedeutet, dass bei einem Patienten die Diagnose zum ersten Mal gestellt wird und bisher außer einer Behandlung der Symptome noch keine Therapie durchgeführt wurde.

ALL in Remission

Von einer Remission spricht man, wenn infolge der Behandlung, das heißt unter dem Einfluss zellwachstumshemmender Medikamente (Zytostatika), die Leukämiezellen so stark zurückgedrängt werden konnten, dass sie in Knochenmark und Blut mikroskopisch nicht mehr nachweisbar sind und es keine Anzeichen einer Leukämie mehr gibt.

Folgende Kriterien müssen erfüllt sein, damit von einer Remission die Rede sein kann [HEN2004]:

  • Der prozentuale Anteil der Lymphoblasten im Knochenmark muss unter 5 % betragen. (Zum Vergleich: Bei einer unbehandelten Leukämie beträgt der Anteil der Lymphoblasten im Knochenmark oftmals annähernd 100 %).
  • Die normale Blutbildung hat wieder eingesetzt.
  • Ein Befall von Organen außerhalb des Knochenmarks ist nicht mehr nachweisbar.

Der Begriff Remission ist in diesem Sinne gleichbedeutend mit den ebenfalls geläufigen Bezeichnungen „komplette Remission“ oder „Vollremission“. Neuerdings spricht man auch von molekularer Remission, wenn mit molekulargenetischen Untersuchungsmethoden keine Leukämiezellen (= minimale Resterkrankung) mehr nachgewiesen werden können (siehe im Kapitel Therapieplanung: "Ansprechen auf Therapie“).

Bei 98 % der Kinder und Jugendlichen mit ALL wird durch die heute übliche Behandlung eine komplette Remission erreicht [HEN2004] [SCH2012a]. Hält die Remission mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen an (so genannte ereignisfreie 5-Jahres-Überlebensrate), betrachten die Ärzte den Patienten von der Leukämie als geheilt, da Krankheitsrückfälle nach Ablauf von fünf Jahren nur noch bei 2-3 % der Patienten auftreten.

Zeitpunkt der Remission

  • In aller Regel wird bei der Erstbehandlung nach etwa vierwöchiger Therapiedauer eine Knochenmarkpunktion durchgeführt um festzustellen, ob eine Remission eingetreten ist.
  • Ist dies nicht der Fall, so wird zu einem späteren Zeitpunkt – etwa einen Monat später – das Knochenmark erneut überprüft. Patienten, bei denen dann eine Remission eingetreten ist, werden – aufgrund des verspäteten Ansprechens der Erkrankung auf die Therapie – als „Late-Responder“ bezeichnet;
  • Patienten, die etwa drei Monate nach Therapiebeginn keine Remission zeigen, nennt man „Non-Responder“. Sowohl bei „Late“- als auch bei „Non-Respondern“ spricht die Leukämie offensichtlich schlecht auf eine Standardtherapie an; sie müssen daher intensiveren Behandlungsformen, in der Regel einer Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Stammzelltransplantation, zugeführt werden.
  • Wird die Remission zum ersten Mal erreicht, spricht man von Erstremission. Wird nach einem Krankheitsrückfall erneut eine Remission erreicht, spricht man von einer Zweitremission und so weiter.

Gut zu wissen: Remission bedeutet nicht, dass keine Leukämiezellen im Körper mehr vorhanden sind und daher keine Behandlung mehr notwendig ist.

Enthält der Organismus eines Kindes zum Zeitpunkt der Diagnose zum Beispiel 1012 Leukämiezellen, so wird bereits bei einer Abnahme auf 1010 Zellen eine Remission festgestellt [HEN2004]. Von diesen Restleukämiezellen kann ein Rückfall der Erkrankung ausgehen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass auch diese bösartigen Zellen erreicht und vernichtet werden. Dies ist nur durch eine Fortführung der Behandlung, in der Regel mit anderen Medikamentenkombinationen, möglich.

Krankheitsrückfall (Rezidiv)

Krankheitsrückfall (Rezidiv) bedeutet, dass sich die Leukämiezellen nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung – das heißt, nach einer vollständigen Rückbildung der Leukämie (Remission) – erneut vermehren und sich in Blut, Knochenmark, Hirnwasser (Liquor) oder anderen Organen nachweisen lassen.

Zu einem Rückfall kann es sowohl im Verlaufe der Therapie als auch nach Abschluss der Behandlung kommen. Die meisten Rezidive treten innerhalb der ersten zwei Jahre nach Ende der Therapie auf. Weitere Informationen zum Rezidiv finden Sie im Kapitel „Krankheitsrückfall“.

Therapieversagen

Zu der Situation eines Therapieversagens (therapierefraktärer Krankheitsverlauf) kann es kommen, wenn die Leukämie auf eine Standardbehandlung nicht anspricht. In einem solchen Fall ist grundsätzlich eine andere Art der Behandlung notwendig, wie diese im Einzelfall aussieht, hängt von der individuellen Situation des Patienten ab.