Welche möglichen Krankheitsverläufe / Krankheitsphasen gibt es bei Patienten in Behandlung?

Autor:  Dr. med. habil. Gesche Tallen, Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 23.04.2020 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e51674

Bei Patienten mit einem Medulloblastom, embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor oder Pineoblastom kann die Erkrankung auch im Rahmen einer Behandlung individuell sehr verschieden verlaufen. Neben Art, Lage und Ausbreitung des Tumors sowie dem Alter des Patienten spielt für den Krankheitsverlauf dabei unter anderem eine Rolle, ob die Krankheit zum ersten oder zum wiederholten Male auftritt, wie gut sie behandelt werden kann und wie dauerhaft der Erfolg der Therapie ist.

Die Experten benutzen während der Behandlungsplanung und im Rahmen der Verlaufsbeurteilung bestimmte Begriffe, die im Folgenden erklärt werden.

Unbehandeltes Medulloblastom / Pineoblastom / unbehandelter embryonaler ZNS-Tumor

"Unbehandeltes Medulloblastom, Pineoblastom oder unbehandelter embryonaler, nicht-rhabdoider ZNS-Tumor" bedeutet, dass bei einem Patienten die Diagnose zum ersten Mal gestellt wird und bisher außer einer Behandlung der Symptome noch keine Therapie durchgeführt wurde.

Verschiedene Ergebnisse nach der neurochirurgischen Tumorentfernung

Die neurochirurgische Tumorentfernung (Tumorresektion) ist von großer Bedeutung, einerseits weil diese Patienten häufig durch die lokale Raumforderung des Tumors und eine Liquorzirkulationsstörung lebensgefährlich bedroht sind und andererseits, weil das Ausmaß der Tumorentfernung offensichtlich eine wichtige Rolle für die Prognose spielt. Jedoch ist eine im onkologischen Sinn radikale Tumorentfernung, das heißt eine Tumorentfernung "im Gesunden", bei ZNS-Tumoren nicht möglich, da gesundes Gehirn- oder Rückenmarksgewebe nicht entfernt werden darf. Entsprechend richtet sich das Ausmaß der neurochirurgischen Tumorentfernung nach der Lagebeziehung des Tumors zu wichtigen Strukturen des Zentralnervensystems (wie Hirnnerven, Sprachzentrum). Begriffe, die das jeweilige Ausmaß der neurochirurgischen Tumorentfernung beschreiben, sind:

Vollständige Tumorentfernung

Von einer vollständigen Tumorentfernung (Totalresektion, komplette Resektion) spricht man, wenn der Tumor durch eine Operation neurochirurgisch komplett entfernt werden konnte. Der Tumor lässt sich in diesem Fall mit Hilfe der üblichen Diagnosemethoden (zum Beispiel Magnetresonanztomographie oder andere bildgebende Verfahren) nicht mehr nachweisen.

Erste bildgebende Untersuchungen zum Erfolg der Operation finden 24 bis maximal 72 Stunden nach dem Eingriff statt. Ob ein Tumor tatsächlich „radikal“ entfernt werden konnte, zeigt sich in aller Regel erst im weiteren Krankheitsverlauf, denn einzelne möglicherweise verbliebene Tumorzellen kann auch ein erfahrener Neurochirurg nicht erkennen, obwohl er immer mit einem Operationsmikroskop arbeitet. Auch mit Hilfe der Magnetresonanztomographie sind kleine Tumorzellreste nicht sichtbar.

Nahezu vollständige Tumorentfernung

Von einer nahezu vollständigen Tumorentfernung (subtotale Resektion) ist die Rede, wenn der Neurochirurg mehr als 90 % des Tumorvolumens entfernen konnte und wenn bei der frühzeitig nach der Operation durchgeführten Magnetresonanztomographie / Computertomographie nicht mehr als nur eine randständige Anreicherung des Kontrastmittels im Bereich der Operationshöhle nachzuweisen ist. Eine Kontrastmittelanreicherung ist prinzipiell ein Hinweis auf aktives Gewebe, dabei kann es sich (muss aber nicht) um Resttumorzellen handeln.

Tumorteilentfernung

Die Bezeichnung Tumorteilentfernung (Tumorteilresektion, partielle Resektion) wird verwendet, wenn der Neurochirurg mehr als 10 %, aber höchstens 90 % des Tumorvolumens entfernten konnte, und wenn bei der frühzeitig nach der Operation durchgeführten Magnetresonanztomographie / Computertomographie ein Resttumor in drei Ebenen ausmessbar ist und dieser zwischen 10 und 90 % der Tumorgröße vor der Operation misst.

Biopsie

Man spricht von einer Biopsie, wenn 10 % oder weniger des Tumorvolumens entfernt wurden beziehungsweise wenn neurochirurgisch oder durch bildgebende Verfahren keine Änderungen zur Tumorgröße vor der Operation erkennen lassen.

Ansprechen der Erkrankung auf die weitere Therapie

Das Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie kann ebenfalls individuell verschieden sein, je nach dem, ob die Tumorzellen eines Medulloblastoms beziehungsweise eines embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumors oder Pineoblastoms durch die Behandlung (Operation, Chemo- und die Strahlentherapie) erfolgreich vernichtet werden können oder nicht. Das Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie wird im Verlauf der Behandlung durch entsprechende Änderungen im ursprünglichen Therapieplan berücksichtigt. Folgende Definitionen sind gebräuchlich:

Vollständiges Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie

Von einem vollständigen Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (kompletter Response, CR) ist die Rede, wenn mittels Magnetresonanztomographie / Computertomographie kein Tumor (Primärtumor, Rezidiv oder Metastasen) mehr nachweisbar ist und – im Falle eines vorherigen Befalls des Rückenmarkkanals – eine Lumbalpunktion auch keine Tumorzellen mehr in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit zeigt.

Teilweises Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie

Von einem teilweisen Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (partieller Response) ist die Rede, wenn das Tumorvolumen um 50 % oder mehr gegenüber dem Ausgangsvolumen verringert werden konnte.

Kein Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie

Kein Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie (kein Response) bedeutet, dass sich der Tumor um weniger als 25 % zurückgebildet hat, gleichzeitig aber auch das Wachstum des Tumor nicht weiter fortschreitet beziehungsweise kein neuer Tumor festgestellt wird. Lag zum Zeitpunkt der Diagnose ein Liquorbefall vor, bedeutet "kein Response", dass nach wie vor Tumorzellen im Liquor (vermindert, gleich bleibend oder zunehmend) nachweisbar sind.

Fortschreitendes Tumorwachstum / Rückfall

Von einem fortschreitenden Tumorwachstum (Progression) beziehungsweise einem Krankheitsrückfall (Rezidiv) ist die Rede, wenn das Tumorvolumen um mehr als 25 % gegenüber dem Ausgangsbefund zugenommen hat und/oder neue Tumormanifestationen auftreten.

Stabile Erkrankung

"Stabile Erkrankung" sagt man, wenn noch mindestens 50 % des Tumorvolumens nachweisbar sind und es keinen Anhalt für ein fortschreitendes Tumorwachstum oder einen neuen Tumor gibt.