Operative Entfernung des Auges (Enukleation)

Autor:  Maria Yiallouros, Erstellt am 28.04.2023, Zuletzt geändert: 28.04.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e96731

Die operative Entfernung des Auges (Enukleation) war früher die am häufigsten eingesetzte Behandlungsform bei Patienten mit einem Retinoblastom und die einzige Möglichkeit, den Tumor vollständig zu entfernen und damit die Krankheit zu heilen.

Nach wie vor wird die Enukleation für die Behandlung einer fortgeschrittenen intraokularen Erkrankung (ICRB-Stadium E, teilweise auch Stadium D) eingesetzt. Sie ist also dann angezeigt, wenn die Größe des Tumors keine lokale Therapie zulässt und keine Aussicht auf Sehfähigkeit des betroffenen Auges besteht. Dies ist häufig bei einseitigen (unilateralen) Retinoblastomen der Fall, die zum Zeitpunkt der Diagnose meist schon weiter fortgeschritten sind. Bei beidseitigen (bilateralen) Retinoblastomen sind die Tumoren meist unterschiedlich gewachsen, so dass die beiden Augen unterschiedliche Krankheitsstadien aufweisen. In diesen Fällen wird meist das stärker betroffene Auge operativ entfernt, sofern nicht beide Augen erhalten werden können [GUT2004b].

Wenn bei einem bilateralen Retinoblastom für die Behandlung des besseren Auges eine Chemotherapie in Betracht gezogen wird, kann manchmal mit der Enukleation des stärker betroffenen Auges abgewartet werden. Denn durch die Therapie kann es zu einer starken Tumorrückbildung kommen, so dass doch noch eine Augapfel-erhaltende Behandlung möglich wird. Wenn das schlechtere Auge jedoch bereits erblindet ist oder eine Infiltration des vorderen Augensegments oder des Sehnervs besteht, gibt es keine Alternative zur Enukleation.

Wie wird die Enukleation durchgeführt?

Bei der Enukleation wird der Augapfel in Vollnarkose komplett und mit einem möglichst langen Teil des Sehnervs entfernt. Augenlider, Tränendrüse und Muskeln werden dabei nicht beeinträchtigt. Nach der Entfernung des Augapfels wird in die Tiefe der Augenhöhle ein Implantat als Platzhalter eingesetzt und die Muskeln sowie die Bindehaut darüber vernäht. Unmittelbar nach dem Eingriff können Schmerzen auftreten, es kann zu einem Bluterguss in die Augenhöhle sowie in seltenen Fällen zu einer Infektion kommen.

Etwa zwei Wochen nach der Operation, wenn die Wunde verheilt und die Schwellung zurückgegangen ist, kann eine erste Prothese – ein individuell an das Auge angepasstes Glasauge – in den Bindehautsack eingesetzt werden. Dieses künstliche Glasauge kann oft kaum von einem natürlichen Auge unterschieden werden. Da die Augenmuskeln erhalten bleiben, kann das künstliche Auge in begrenztem Umfang den Bewegungen des gesunden Auges folgen.

Das bei der Operation entnommene Auge wird feingeweblich (histologisch) untersucht, vor allem um festzustellen, ob der Tumor bereits den Sehnerv oder die Aderhaut infiltriert hat. Ist dies der Fall, ist das Risiko erhöht, dass der Tumor bereits Metastasen außerhalb des Auges gebildet hat. In diesem Fall kann gegebenenfalls eine zusätzliche Chemo- oder Strahlentherapie notwendig werden (siehe unten).

Bei jeder Enukleation wird das entnommene Gewebe auch molekulargenetisch untersucht, um genauere Aussagen über das Vererbungsrisiko treffen zu können und die ursächliche Mutation zu identifizieren.

Ist nach der Operation eine weitere Behandlung notwendig?

Kann der Tumor durch die Operation vollständig entfernt werden, ist die Therapie für dieses Auge in der Regel abgeschlossen. Zeigt die feingewebliche Untersuchung des entfernten Auges jedoch, dass der Tumor die Organgrenze bereits überschritten hat (extraokulares Retinoblastom) beziehungsweise aufgrund verschiedener Risikofaktoren ein erhöhtes Metastasierungsrisiko vorliegt, kann eine Weiterbehandlung, eine so genannte adjuvante Therapie, erforderlich sein. Ziel ist, eventuell im Körper verbliebene Tumorzellen oder kleine Metastasen zu vernichten.