Spätfolgen
Author: Dr. med. Gesche Tallen, Last modification: 2010/10/20 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e1924
Spätfolgen
In den vergangenen 25 Jahren wurden interdisziplinäre Therapiestudien zur Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen entwickelt und multizentrisch (in Zusammenarbeit verschiedener Behandlungszentren) eingesetzt. Mit diesen erfolgreichen Behandlungsstrategien können heute etwa 2/3 aller Erkrankten geheilt werden. Die erforderliche Therapie führt zu den bekannten akuten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und Erhöhung der Infektanfälligkeit, die sich nach Abschluss der Behandlung zurückbilden. Darüber hinaus ist diese Therapie jedoch bei einigen Kindern mit dem Risiko von Spätfolgen belastet, auch deshalb ist eine regelmäßige Nachsorge über lange Zeit erforderlich. Entscheidend für die Nachsorge des einzelnen Patienten ist letztlich dessen individuelle Krankengeschichte. Sie bestimmt die Suche nach Spätfolgen.
Einige wichtige Spätfolgen
-
Chronische Infektionen werden vor allem durch die Gabe von Blut und Blutprodukten verursacht und können inapparent verlaufen. Eine Reihe von Überlebenden leiden unter den Folgen dieser Infektionen. Insbesondere handelt es sich um chronische Hepatitiden
-
Hormonveränderungen bei Langzeitüberlebenden sind oftmals nicht auf die Therapie zurückzuführen, sondern Folge der Grunderkrankung. Eine Wachstumsverzögerung während der Krebsbehandlung wird meistens nach Abschluß der Therapie durch ein sogenanntes Aufholwachstum ausgeglichen
-
Bei Kindern mit höherer Schädelbestrahlung (mehr als 30 Gy) kann es jedoch zu einem vollständigen Ausfall der Wachstumshormon- und auch der Produktion anderer Hypophysenhormone kommen. Deshalb sind mindestens bis zum Erreichen der Pubertät Nachsorgemaßnahmen nötig.
-
Eine direkte Bestrahlung der Wirbelsäule kann auch zu einem verzögerten Rumpfwachstum führen oder bei einseitiger Bestrahlung eine Skoliose (Form- und Strukturveränderungen der Wirbelsäule) verursachen. Bestrahlungen im Hals-, Gesichts- und Mediastinalbereich können eine Schilddrüsenfunktionsstörung auszulösen.
-
Eine abdominelle Bestrahlung kann die Gonaden direkt schädigen, was zu einer Störung der Spermiogenese führen kann. Insgesamt reagieren die Hoden empfindlicher als die Ovarien auf eine antineoplastische Behandlung. Dementsprechend ist die Fertilität bei jungen Männern häufiger eingeschränkt als bei Frauen.
-
Schädelbestrahlungen von mehr als 30 Gy, sowie bestimmte zytostatische Substanzen können langfristig zu Hörschäden führen
-
Als Spätfolge jeweils bestimmer Zytostatika oder bestimmter Bestrahlungsformen können verschiedene Störungen der Herzfunktion resultieren. Auch Beeinträchtigungen der Nieren- sowie der Leberfunktionen sind möglich
-
Das Gehirn junger Menschen wird besonders durch die für die Behandlung mancher Hirntumoren nötige Strahlendosis beeinträchtigt, wodurch es zu morphologischen ZNS-Veränderungen und neuropsychologischen Beeinträchtigungen kommen kann (z.B. Schwächen verbaler und besonders non-verbaler kognitiver Leistungen und des Kurzzeitgedächtnisses durch verkürzte Aufmerksamkeitsspannen und geringere Konzentrationsfähigkeit). Im Alltagsleben sind jedoch die meisten Patienten in der Lage, durch individuelle Kompensationsmechanismen und gezielte Förderung eine für sie gute Lebens- und Leistungsqualität zu erreichen
-
Zweitmalignome können bereits im ersten Jahr nach Beendigung der Primärbehandlung auftreten, aber auch erst nach über 20 Jahren. Sie werden durch eine genetische Disposition begünstigt. In einer ersten Analyse der Dokumentation von Zweittumoren zeigte sich ein Auftreten von etwa 3 % in den ersten 10 Jahren nach Abschluß der onkologischen Therapie
-
Nach einer fünfjährigen Nachbeobachtungszeit können etliche der Kontrolluntersuchungen zur Erfassung und Behandlung von Spätfolgen reduziert werden, mit Ausnahme des endokrinen Systems junger Patienten, das bis zur Pubertät untersucht wird. Im weiteren Verlauf muß bei Geheilten vor allem auf eine Kardiotoxizität (Herzerkrankungen) und ein Zweitmalignom geachtet werden.
